Kopf eines Wolfes aus der Eiszeit

Hohe Temperaturen haben den Permafrost tauen lassen und den Kopf eines Wolfes aus der Eiszeit freigelegt. Der Tierkadaver kann Viren verbreiten, gegen welche die Menschen schlecht geschützt sind. © Albert Protopopov

Tauender Permafrost setzt gefährliche Viren und Bakterien frei

Susanne Aigner /  Mit dem Permafrost tauen uralte Mikroben wieder auf. Einige davon könnten der Menschheit gefährlich werden, warnen Wissenschaftler.

Vor einem Jahr gelang es einem internationalen Forschungsteam an der Universität Marseille, Viren, die ja hrtausendelang vom Permafrost konserviert waren, zu reaktivieren. Das Team um Jean-Marie Alempic fand dreizehn bisher unbekannte Viren, die aus sieben verschiedenen sibirischen Permafrostproben isoliert wurden, davon eine aus dem Lena-Fluss und eine aus dem Kryosol von Kamtschatka. Die Viren, die im Boden und im Süsswasser vorkommen,  können Amöben der Gattung Acanthamoeba castellanii, aber auch Menschen und Tiere infizieren. Die Forscher nutzten die Amöbe als Köder für die Viren. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in einer Preprint-Studie: Alle dreizehn Viren waren infektiös und befielen die Amöben. 

Permafrost als natürliche Kühltruhe

Permafrostböden sind wie eine natürliche Kühltruhe, erklärt Guido Grosse. Der Leiter der Sektion Permafrostforschung am Alfred-Wegener-Institut war an der Gewinnung der Bodenproben aus Sibirien beteiligt, die in Marseille untersucht wurden. Oft bestehen die arktischen Eisschichten schon seit der letzten Eiszeit. In einigen Regionen könne man neben Knochen, konservierten Haaren, Fleisch und Blut auch Überreste von Mammuts finden, so der Wissenschaftler. Anders als in tropischen oder gemässigten Klimazonen werde das organische Material im gefrorenen Boden nicht zersetzt. Erst wenn der Boden taut, werden Bakterien aktiv, die für den Verfallsprozess sorgen.

Ausbrechende Mikroben könnten Artenschwund befördern                                              

Welche Gefahren drohen der Welt, wenn uralte Mikroben auf die moderne Welt treffen? Eine Antwort darauf könnte eine aktuelle Studie an der Universität Helsinki in Finnland und der Flinders University in Australien geben. Mit Hilfe eines Computerprogramms berechneten Wissenschaftler die ökologischen Risiken. Im Ergebnis überlebten einige der virtuell erzeugten Krankheitserreger in einer modernen Welt und entwickelten sich weiter. Etwa drei Prozent setzten sich in ihrer neuen Umgebung durch und verdrängten etablierte Lebensformen. Zwar waren die Auswirkungen der Eindringlinge in aller Regel zu vernachlässigen  – in gut einem Prozent der Fälle jedoch sorgten sie dafür, dass bis zu einem Drittel der Wirtsorganismen ausstarb. Dies reiche aus, um irreversible Schäden zu verursachen, schreiben die Autoren. 

Tiere als Wirte und Überträger von Krankheiten 

Wenn bis zu 120’000 Jahre alte pathogene Mikroorganismen auftauen, von denen einige mit bakteriellen Erregern wie Bacillus anthracis (Milzbrand), Streptokokken oder auch Staphylokokken verwandt sind, können sie auch Tiere befallen. So erkrankten 2016 an Milzbrand (Anthrax) nicht nur Rentiere in Westsibirien, sondern auch Menschen in Nordsibirien. Dem Anthropologen Florian Stammler zufolge lag der Infektionsherd in einem abgelegenen Gebiet in der Tundra, wo Anthrax das letzte Mal im Jahre 1941 ausgebrochen war. Damals wurden tote Rentiere in der Erde vergraben. Infolge der heissen Sommer der letzten Jahre waren die Bakterien aus dem tauenden Permafrost entwichen. 

Viren von menschlichen Leichen

Aufgetaute Viren können sich sehr leicht vermehren, erklärt Albert Osterhaus, von der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Allerdings schätzt der Veterinärmediziner das Risiko, dass von Viren, die in Jahrtausende alten eingefrorenen Tier-Kadavern konserviert sind, eine ernsthafte Gefahr ausgehen könnte, als eher gering ein. Anders verhält es sich mit Viren in menschlichen Leichen aus dem Gletschereis: Deren Krankheitserreger könnten Menschen direkt befallen, nicht nur Tiere oder Amöben. Deutlich grösser sei die Gefahr bei heute lebenden Wildtieren, glaubt der Virologe. So gehen viele Experten davon aus, dass SARS-CoV-2 von Fledermäusen auf den Menschen übergesprungen ist.

Bereits 2014 erweckten französische Forscher ein riesiges Virus der unbekannten Art Pithovirus sibericum, das 30’000 Jahre im Permafrostboden eingefroren war, im Labor wieder zum Leben. Das riesenhafte Virus infiziert einzellige Acanthamöben. Für Menschen und andere Vielzeller ist es ungefährlich. Allerdings lauern im Permafrostboden auch weniger harmlose Erreger, warnen die Forscher. So nahmen in Russland etwa Tollwut, Hirnhautentzündungen und andere Zoonosen zu, nachdem die entsprechenden Erreger aus auftauenden Böden freigesetzt worden waren.

Noch ist unklar, welche und wie viele Arten von Viren und Bakterien im Eis schlummern und wie lange die Viren infektiös bleiben, sobald sie den heutigen Umweltbedingungen ausgesetzt sind. Fest steht: Je schneller der Permafrost taut, umso höher ist das Risiko, dass Menschen mit aufgetauten Krankheitserregern in Kontakt kommen. In denjenigen Regionen in der Arktis, die vermehrt besiedelt und zum Rohstoffabbau genutzt werden, erhöht sich die Gefahr.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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2 Meinungen

  • am 17.12.2023 um 11:34 Uhr
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    Als ob es nicht reichen würde, dass der sich (wieder) ausbreitende Faschismus, die zunehmende Gefahr eines Einsatzes von Atomwaffen und die direkten(!) Folgen des Klimawandels uns den Alltag versauern, jetzt also auch noch etwas Panikmache mit Jahrtausendealten Viren. Offenbar zeigen die Untersuchngen zwar, dass deren Gefahrenpotential eher theoretischer Natur ist. Aber es ist natürlich vorteilhaft, wenn man für das Anzetteln der nächsten Massenhysterie nach Corona und zum Verschleiern eines Laborunfalls schon mal einen Pfeil mehr im Köcher hat. Man muss die Menschen ja permanent im Panikmodus halten und der Ukrainekrieg geht womöglich bald zu Ende. Nicht, dass am Schluss noch jemand Zeit hat herauszufinden, wer uns wirklich in den Abgrund reisst.

  • am 17.12.2023 um 14:43 Uhr
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    Danke für den Bericht. Es könnte auch umgekehrt sein. Es wäre auch möglich, dass das abtauen von Permafrost Kleinstlebewesen freisetzt, welche nützlich sein könnten. Das Geschäft mit der Angst will blühen. Doch denken wir mal daran, das z.B. Bakteriophagen (Virale Komponenten welche Vorzugsweise gefährliche Bakterien vernichten können) eines von vielen nützlichen Pseudo-Lebensformen, in einigen Nationen als zugelassene Medikamente einen grossen Nutzen haben. ( Anmerkung: Viren leben nicht, es sind chemische Programme welche lebende Zellen infiltrieren können, damit diese den viralen Komplex replizieren, bevor er zerfällt oder vom Immunsystem chemisch zersetzt wird.) Die Erde ist in stetem Wandel, nicht jede Veränderung ist nur eine Gefahr, auch wenn dies einigen besser gefallen würde.

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