2048px-Asian_hornet_(33965402201)_(2)

Bedroht Bienenvölker und stachelt den Bundesrat an, «Gesetzeslücken zu schliessen»: die Asiatische Hornisse © cc-by-sa Gilles San Martin

Kantone könnten bald hochgiftige Insektizide im Wald zulassen

Pascal Sigg /  Der Bundesrat schob den Bienenschutz vor. Doch sogar die Imker sind dagegen. Umweltorganisationen und Experten schlagen Alarm.

Im Schweizer Wald dürfen grundsätzlich keine Gifte versprüht werden. Doch in begründeten Ausnahmefällen können Kantone Pestizide trotzdem erlauben. Nun will der Bundesrat die Regelung weiter lockern. Neu sollen auch Biozide in Ausnahmefällen zugelassen werden können. Darunter wären auch Mittel, die so giftig sind, dass ihr Einsatz derzeit in der Landwirtschaft nicht erlaubt ist.

Anlass für die Verordnungsrevision war gemäss Bundesrat die Asiatische Hornisse, welche insbesondere Bienenvölker angreift und ihre Nester im Wald baut. Ihre Ausbreitung soll gemäss Vorschlag in Ausnahmefällen auch durch Biozide gestoppt werden können. Die Bewilligung dafür würde durch die Kantone erteilt.

Doch die Schweizer Imker haben den Einsatz hochgiftiger Stoffe nie gefordert. Sie sind zwar zufrieden, dass sie mit der neuen Verordnung mehr Spielraum im Kampf gegen die Hornisse hätten. Doch auch sie stellen sich vehement gegen die Giftstoffe, die neu erlaubt sein sollen. «Wir sind auch dagegen, dass hochgiftige Stoffe im Wald versprüht werden dürfen», sagt Mathias Götti Limacher, Geschäftsführer des Imkerverbands Apisuisse, gegenüber Infosperber.

«Unkalkulierbare Risiken»

Umweltorganisationen, Ärzte und Wasserfachleute schlagen gar Alarm. In Stellungnahmen fordern sie, dass der Bundesrat auf die entsprechende Änderung der sogenannten Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung (ChemRRV) verzichtet. Sie warnen vor «unkalkulierbaren Risiken für Biodiversität, Gesundheit und Trinkwasser» und bezeichnen die neue Vorlage als «unverhältnismässig und unnötig».

Scharf äussern sich auch die «Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz» (Aefu): «Es ist widersinnig, mit Bioziden die Biodiversität vor fremden Arten schützen zu wollen, während diese Biozide gleichzeitig die einheimischen Arten und damit genau diese Biodiversität schädigen», heisst es in einem umfangreichen Schreiben. Es enthält eine Liste mit hochgiftigen Bioziden, die neu erlaubt werden könnten.

Die Umweltorganisationen kritisieren vor allem:

  1. Ein gezielter Einsatz ist nicht garantiert. Andere Insekten, wie etwa Bienen selber, Käfer oder Schmetterlinge könnten zu Schaden kommen. Es könnte zu Kettenreaktionen kommen, die auch andere Waldtiere wie Vögel betreffen.
  2. Die verwendeten Gifte wären sehr giftig. Ihr Einsatz könnte unerwartete Auswirkungen haben – und etwa das Trinkwasser kontaminieren. Deshalb stellen sich auch zahlreiche Wasser-Fachleute gegen die Vorlage. In ihrer Stellungnahme weisen sie darauf hin, dass sich etwa viele Grundwasserschutzzonen oder Zuströmbereiche vieler Trinkwasserfassungen in Wäldern befinden.
  3. Die Kantone sollen keine Ausnahmeeinsätze bewilligen dürfen. Falls nötig, sollte stattdessen der Bund diese zulassen.

Ginge es gar ganz ohne Gift?

Aufhorchen lässt zudem, dass andere Länder dem Problem offenbar ohne Gift beikommen. Gemäss Pro Natura haben sie deutliche Erfahrungen gemacht: Gifte sind ineffektiv, teuer und schädlich für die Umwelt. Dagegen sind mechanische und biologische Methoden erfolgreicher und nachhaltiger. So sei Frankreich nach anfänglichem Gifteinsatz gegen die Hornisse umgeschwenkt. Und Grossbritannien hat ihre Ausbreitung erfolgreich eingedämmt – ohne Gifte.

Die bevorzugte Lösung, da sind sich alle einig, ist die schnelle Lokalisierung und mechanische Zerstörung der Nester. Dies ist bereits heute möglich, je nach Ort der Nester aber mitunter schwierig. Anders als der Gifteinsatz wäre dieses Vorgehen ebenfalls ungefährlich für die Bienen. Das erwähnt auch der Bundesrat selber in einer Antwort auf eine Interpellation von Ständerätin Maya Graf (Grüne).

Imker: «Lieber gar keine Mittel im Wald»

Apisuisse-Geschäftsführer Mathias Götti nahm erst vor wenigen Wochen an einer Tagung zur Asiatischen Hornisse teil. Der mögliche Einsatz von Schwefeldioxid werde diskutiert, um Nester der Hornissen abtöten zu können. Ausserdem fänden auch Versuche mit Aktivkohlepulver statt. «Beide hinterlassen keine Rückstände, können gezielt bei einem einzelnen Nest eingesetzt werden und das Nest würde nachher entfernt.»

Grossflächige Sprühanwendungen kommen für Götti nicht infrage. Er wünscht sich hingegen mehr Forschung über den Umgang mit der invasiven Hornisse. Und im Zweifelsfall findet auch er: «Lieber gar keine Mittel im Wald als hochgiftige.» Weshalb der Bundesrat jene laut Vernehmlassungsentwurf zulassen will, könne er auch nicht beurteilen.

Bundesrat: Risikofolgen nicht abgeschätzt – trotz eigener Vorgaben

Schwer wiegt für die Umweltorganisationen deshalb auch, dass keine Risikofolgenabschätzung (RFA) für den Einsatz der Giftmittel vorgenommen wurde, obschon der Bundesrat dies nach eigenen Richtlinien bei derartigen Vernehmlassungen eigentlich vorschreibt. Gemäss Aefu könnte diese etwa zeigen, mit welchen Giften im Wald zukünftig zu rechnen wäre, wie dringlich ein Einsatz bei gewissen Schädlingen sein könnte und wie sich ein Einsatz auf die Qualität des örtlichen Grundwassers auswirken könnte.

Auf Infosperber-Anfrage teilt das Bundesamt für Umwelt (Bafu) mit: «Bei dieser Vorlage wurde im Rahmen einer Vorprüfung abgeklärt, ob eine ausführlichere Prüfung der volkswirtschaftlichen Auswirkungen angezeigt ist. Aufgrund der Resultate dieser Vorprüfung wurde entschieden, keine ausführliche Prüfung der volkswirtschaftlichen Auswirkungen durchzuführen.»

Die RFA-Richtlinien verlangen allerdings nicht bloss eine Abschätzung der volkswirtschaftlichen Folgen, sondern auch der «Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft». Im Erläuternden Bericht zur Verordnung heisst es, die Umweltrisiken würden als Voraussetzung für die Zulassung geprüft – also durch die Kantone und zu einem späteren Zeitpunkt.

Kantone kamen Holzindustrie entgegen

Martin Forter, Geschäftsleiter der Aefu ist misstrauisch. «Es braucht Sonderbewilligungen. Solche aber wurden bei der Borkenkäferbekämpfung im Wald schon mal zur Normalität, weshalb grosse Mengen hochgiftiger Insektizide im Wald ausgebracht wurden, wie etwa Cypermethrin. Dies, obwohl seine Wirkung auf Waldlebewesen nie untersucht worden ist.»

Die Aefu zeigten wiederholt, dass einige Kantone Ausnahmebewilligungen für Pestizideinsätze etwa bei Borkenkäferbefall über Jahre zum Standard werden liessen und schlicht nicht wussten, wie viel Gift in ihren Wäldern versprüht wurde. Gift, das mit wenigen Tropfen ganze Bäche vergiften kann und eben grundsätzlich gar nicht erlaubt wäre. Dies geschah vielfach aus wirtschaftlichen Gründen. Etwa, damit geschlagenes Holz länger im Wald – und damit kostengünstiger – gelagert werden konnte. Das FSC-Label erlaubte Cypermethrin jahrelang. Und das Bafu sagte gegenüber den Aefu, man müsse «den Rahmenbedingungen der Holzkäufer gerecht werden».

Doch auch der Verband der Waldeigentümer äusserte sich in seiner Vernehmlassungsantwort abschlägig. Dies hauptsächlich, weil viele Waldeigentümer drohten, ihre Umweltzertifzierungen wie etwa für FSC-Holz zu verlieren, sollten die Stoffe zur Verwendung im Wald genehmigt werden können.

Bafu: Asiatische Hornisse ist nicht der Grund

Weshalb diese Wirkstoffe unter Umständen auch im Wald zugelassen werden sollen, ist deshalb höchst unklar. Die Änderung der Verordnung geht auf verschiedene Vorstösse von Parlamentsmitgliedern quer durch die Parteien zurück. Das Geschäft wurde im Parlament in Kommissionen und Debatten diskutiert und abgeändert– stets mit der Asiatischen Hornisse als Treiber.

Doch nun bestätigt das Bafu auf Infosperber-Anfrage: «Zur Bekämpfung der asiatischen Hornisse im Wald sind nicht die Wirkstoffe vorgesehen, die von den Aefu in der Stellungnahme zur Vernehmlassung der ChemRRV genannt werden.»

Bundesrat wollte gleich auch noch «rechtliche Lücken schliessen»

Der Bundesrat gab erst im vergangenen Februar an, dass er die Verordnung womöglich nutzen wolle, um «rechtliche Lücken bezüglich Bekämpfung von invasiven gebietsfremden Arten» zu schliessen. Doch nun ist klar, was er damit meinte: Gifteinsatz deregulieren.

Gemäss Verordnungsentwurf könnten denn auch hochgiftige Stoffe neu gegen alle «invasiven gebietsfremden» Arthropoden (Insekten, Spinnen, Krebstiere) zum Einsatz kommen.

Etwa folgende: Die Wirkstoffe Cyfluthrin, Imiprothrin, Epsilon-Momfluorothrin oder Metofluthrin zwar auf EU-Ebene genehmigt. In der Schweiz sind jedoch keine Biozidprodukte mit diesen Wirkstoffen zugelassen. Die Wirkstoffe Imidacloprid, Indoxacarb, Transfluthrin, 1R-trans-Phenothrin sind bereits in hierzulande eingesetzten Bioziden enthalten. Beispielsweise in Ködergels gegen Ameisen oder Schaben, Streichmitteln oder löslichem Granulat zur Fliegenkontrolle in Ställen oder Produkten gegen Ameisen in und ums Haus. Transfluthrin werde nur in Mottenkugeln oder Mottenpapieren verwendet, die in Schränke gehängt werden.

Häufiger kommt der Wirkstoff Permethrin vor, etwa in Insektensprays. Gemäss Bafu gibt es strenge Auflagen für die Verwendung im Aussenbereich. So dürfen diese Produkte nur kleinflächig und vor Regen geschützt angewendet werden. Auch für den Innenbereich gebe es Auflagen, um einen indirekten Eintrag in die Gewässer zu verhindern.

Die Vernehmlassung zum Geschäft ist mittlerweile abgeschlossen. Der Bundesrat will gemäss Bafu im kommenden Halbjahr darüber entscheiden.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.

Mit Twint oder Bank-App auch gleich hier:



_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Bienen_Befruchtet

Bienen werden Opfer von Pestiziden

Viele Nutzpflanzen brauchen Bienen zur Befruchtung. Doch Pestizide von Agrar-Konzernen machen sie krank.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden

Portrait Pascal.Sigg.X

Pascal Sigg

Pascal Sigg ist Redaktor beim Infosperber und freier Reporter.

Eine Meinung zu

  • am 4.06.2025 um 13:08 Uhr
    Permalink

    Warum lassen sich die Politiker so steuerbar von Lobbyinterressen leiten. Statt effektive Gesetze für Nachhaltigkeit und Stabilisierung der Ressourcen anzustreben und zu gewährleisten. Die Natur-/Wasser-/Ernährungs Qualität auf Fachleute Empfehlung – auch für unsere Nachkommen zu sichern.

    Die Chemie- oder anderweitige Profit – Industrie mit Ihrer Intern vernetzten (Verholdingisierten), Problemlösungs-, Dekontamierungslobby aufgebautem Gewinn Kreislauf, kann sich an Wasser Reinigung und Bio Top Gewächshäusern für die oberen 10’000, langfristig zusätzlich gewinnbringend absichern. Die Denken anders über einen goldenen Löffel den Sie verlieren könnten und ist sicher nicht an nachhaltigen Lösungen interressiert.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...