BBC Panorama

BBC-Panorama-Reporter Richard Bilton in Dubai, dem Veranstaltungsort der Weltklimakonferenz COP28. © BBC

Konzerne reden von Klimaschutz und fördern Heizöl

Daniela Gschweng /  Erschliessungen neuer Öl- und Gasvorkommen dürfte es gar nicht mehr geben. Trotzdem werden sie geplant – und genehmigt.

Die Erde steht beim Klimawandel grossen Herausforderungen gegenüber. Trotz aller Vereinbarungen und Versprechen nutzen wir aber verstärkt fossile Brennstoffe. Alle grossen Ölkonzerne planen die Erschliessung neuer Öl- und Gasvorkommen für die nächsten Jahrzehnte, trotz «Netto-null»-Versprechen.

Das berichtet die BBC in einer Dokumentation, die unter anderem zeigt, wie in Alaska Gletscher schmelzen und gleichzeitig nach Öl gebohrt wird. Die Sendung erschien termingerecht kurz vor Beginn der Weltklimakonferenz COP28, die diesmal in den Vereinigten Arabischen Emiraten stattfindet. Gastgeberin ist also eine Nation, die wie keine andere Öl und Gas exportiert und damit reich geworden ist.

Wie die Ölmultis die Klimaziele ignorieren

Einhalten könne die Welt das 1,5-Grad-Ziel nur, wenn man sich mit den bisher gefundenen fossilen Energiereserven begnügen und keine neuen Bohrungen planen würde, erklärt Fatih Birol, der Leiter der Internationalen Energieagentur IEA.

Die Zahlen sprechen eine andere Sprache, heisst es in der BBC-Dokumentation. Fast alle grösseren Öl- und Gasunternehmen der Welt planen die Erschliessung neuer Vorkommen, während der Verbrauch fossiler Brennstoffe stetig steigt.

Nils Bartsch, Leiter des Projekts gogel (Global Oil and Gas Exit List) des Vereins Urgewald hat die Zahlen dazu. Gogel hat zusammengetragen, wie weit die Überproduktion der grössten Öl-Multis über das 1,5-Grad-Ziel hinausgeht. «Sie suchen alle weiter nach Öl und Gas?», fragt BBC-Reporter Richard Bilton perplex. «Ja, alle», versichert Bartsch.

Von 700 untersuchten Unternehmen planen 675 die Erschliessung neuer Öl- und Gasfelder. Dies sind die grössten:

gogel overproduction graph
Lesebeispiel: Die grössten Fördermenge an Öl und Gas, die über das 1,5-Grad-Ziel hinausgeht, plant Petrobras. Am meisten Geld gibt PetroChina dafür aus.

Für diese Entwicklung sind nicht nur Öl-Konzerne verantwortlich, sondern auch Regierungen. Neuerschliessungen müssen von den Ländern genehmigt werden, auf deren Territorium sie stattfinden. Von den Regierungen der USA beispielsweise oder von Grossbritannien. Laut «Unearthed» liegt ein Viertel aller Neuerschliessungen in Grossbritannien sogar in geschützten Meeresgebieten.

Die Emirate wiederum wollen die Klimakonferenz sogar zum Vorbereiten neuer Öl-Geschäfte nutzen, deckte die BBC auf.

Da hilft es auch nichts, dass Sarah Finch aus Surrey, England, es nicht glauben kann, dass nach dem 40-Grad-Sommer auf dem Hügel um die Ecke ein weiteres Bohrloch entstehen soll. BBC-Reporter Bilton interviewt den Klimawissenschaftler Brian Hoskin und die indische Atmosphären-Wissenschaftlerin Uma Bhatt. Beide gehen davon aus, dass das 1,5-Grad-Ziel nicht erreichbar ist.

Die von den weltgrössten Petro-Konzernen laut BBC/gogel derzeit geplante Überproduktion in Zahlen, die keines der Unternehmen bestreitet:

  • Saudi Arabian Oil Company: 1,5 Milliarden Barrel
  • National Iranian Oil Company: mehr als 3 Milliarden Barrel
  • Abu Dhabi National Oil Company: 7 Milliarden Barrel
  • ConocoPhillips: 1,6 Milliarden Barrel
  • Chevron: 2,8 Milliarden Barrel
  • Gazprom: 3,7 Milliarden Barrel
  • PetroChina und Exxon Mobil: 3 Milliarden Barrel

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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4 Meinungen

  • am 5.12.2023 um 17:15 Uhr
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    Die Maßlosigkeit beim Verbrauch von Ressourcen führen unsere klimabewegten Politiker und Journalisten aktuell recht deutlich vor. Und dem tragen die Ölkonzerne Rechnung. Die wollen nämlich Geld für ihre Ware Und das bekommen sie nur von denen, die genügend davon haben. So einfach ist das.
    Beispiel: Ein Regierungsflieger der sparsamen Sorte (A350-900) braucht ca. 1 l Kerosin pro km Flugstrecke (die meisten brauchen deutlich mehr), bei 6500 km (Berlin-Dubai) sind das 6500 l. Ein Einfamilienhaus, durchschnittlich gedämmt, braucht ca. 2000 l Heizöl=Kerosin pro Jahr. Macht für Hin- und Rückflug eines Kanzlers/Ministers nebst Journalisten etc.ca. 7,5 Jahre Betrieb eines Durchschnittshauses.
    Beim Haus kann man per Investition in Dämmung von ca. 200.000 € maximal etwa die Hälfte Verbrauch sparen. Dann reicht ein Flug für 15 Jahre. Das ist unser Ziel!
    Den Vergleich mit der CO2 Emission von Rüstungsgütern und Militärfahrzeugen spare ich mir.

  • am 6.12.2023 um 07:41 Uhr
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    «Für diese Entwicklung sind nicht nur Öl-Konzerne verantwortlich, sondern auch Regierungen.» Ja bestimmt. Aber wer dafür haupt-verantwortlich ist, sind die Menschen die, die Nachfrage hoch halten. Alle wollen Klimaschutz, aber niemand will auf Ferien-Flüge, das Auto für den Arbeitsweg, oder das (zu?) grosse Eigenheim verzichten.

  • am 6.12.2023 um 10:24 Uhr
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    Die INTERFLUG, die internationale Fluggesellschaft der DDR, musste auf Druck der Führung eisern Kerosin sparen – einerseits wollte die DDR das sowjetische Öl lieber veredelt gegen Devisen verkaufen anstatt es selbst zu verfeuern, andererseits wurde durch die Kontingentkürzung Anfang der 80iger Treibstoff intern deutlich teurer. Es wurden flugtechnische Richtlinien erarbeitet, die den Treibstoffverbrauch deutlich senken konnten ohne die Flugsicherheit zu gefährden: Treibstoffablassungen kamen kaum noch vor. Würde Kerosin deutlich verteuert und ebenso besteuert wie andere Kraftstoffe, sänke der Verbrauch schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit deutlich.

  • am 6.12.2023 um 13:04 Uhr
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    Das nennt sich Angebot und Nachfrage. Da China, Indien, Afrika und Südamerika und große Teile Asiens beim Pariser Klimaabkommen als Entwicklungsländer gelten, haben sie dort keinerlei Verpflichtung zu CO2 Reduktion abgegeben. Das ganze Wachstum beim CO2 Verbrauch kommt im wesentlichen aus diesen Ländern,

    Mittlerweile stößt China auch pro Kopf mehr CO2 aus als die EU.

    Die Deindustrialisierung in Deutschland, die zu einer Verlagerung nach China und Asien führt, wird diesen Trend noch verstärken. Zumal dort für eine Tonne Stahl mehr CO2 in die Luft gepustet wird als hier.

    Der Artikel bestätigt, die Aussagen der Kritiker der suizidalen Klimapolitk. (Zumindest suizidal für die deutsche Industrie). Global bringt sie nix!

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