Hitler grüsst Arbeiter

Vor den Wahlen 1933 begrüsst Hitler Arbeiter. Er verspricht Vollbeschäftigung und dass er «die deutsche Wirtschaft wieder stark machen» will. © bbc

Stahl- und Kohlelobbys halfen Hitler – IT-Konzerne helfen Trump

upg. /  Wenn hohe Gewinne locken, unterstützt Big Business ohne Skrupel autoritäre Regierungen. Das kann sich politisch rächen.

Führende Exponenten der deutschen Kohleindustrie hatten Hitler bereits ab Ende der 1920er Jahre sowohl finanziell als auch politisch unterstützt. Insbesondere in der Endphase der Weimarer Republik sahen sie in Hitler eine Lösung für ihre politischen Probleme und unterstützten die NSDAP bei Wahlen und in der Presse. Das recherchierte der Historiker Karsten Heinz Schönbach[1].

«Heute sind es die Mächtigen der IT-Technologie»

An diesen historischen Rückblick erinnert die frühere Bundesrätin Ruth Dreifuss in einer von Tim Guldimann veröffentlichten  Debatte. Sie zitiert dabei den französischen Historiker Johann Chapoutot, der das damalige Zusammenspiel zwischen der deutschen Kohle- und Stahlindustrie und der Politik in seinem aktuellen Buch «Les irresponsables» aufgezeigt hat2. Nach wenigen Monaten habe die Kohle- und Stahlindustrie ihren Einfluss auf Hitler verloren.

«Heute sind es nicht Kohle und Stahl, sondern die Besitzer der Internet-Technologie», sagt Dreifuss. So wie die Stahl- und Kohleindustrie geglaubt habe, sie könne Hitler manipulieren, könnten dies heute auch IT-Milliardäre in den USA meinen, ihren Einfluss bald verlieren und sich ebenfalls täuschen. 

«Versuch eines Staatsstreichs»

Die IT-Oligarchen würden sich mitverantwortlich machen für den «Versuch eines Staatsstreichs», der in den USA im Gange sei. Man müsse diese Wahrheit klar aussprechen: «Das Gleichgewicht der Gewaltentrennung wird zerstört, andersdenkende Menschen werden angegriffen, Menschengruppen wie die LGBT werden nicht mehr respektiert, es kommt zu Massenkündigungen, die Sprache wird brutalisiert.» Ein hemmungsloser, unterschwelliger Rassismus komme wieder auf. 

Gefahr der Social Media

Dieser Entwicklung komme entgegen, dass im öffentlichen Diskurs immer weniger unterschieden werde zwischen Fakten und Fiktion sowie zwischen richtig und falsch. Dreifuss denkt zuerst an die Jugendlichen: «Es ist schlimm, wenn man sieht, dass Jugendliche vier, fünf, sechs Stunden im Tag im Netz verbringen und gar nicht mehr richtig zwischen virtueller und digitaler Realität oder Nicht-Realität unterscheiden.»

«Die Demokratie hat ihre Versprechen nicht eingehalten»

Die Basis der Demokratie seien gleiche Rechte und gleiche Chancen für alle. Das sei nichts Abstraktes. Ruth Dreifuss: «Es betrifft Einkommen, Vermögen, Ausbildung, Wohnen und so weiter. Ich glaube, dass die Demokratie ihre Versprechen nicht eingehalten hat.» Das sei wahrscheinlich der Grund, weshalb die Demokratie heute nicht mehr so verteidigt werde, wie sie es verdienen würde.

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Ruth Dreifuss hat ihre Zitate in dieser Form genehmigt.


Debatte mit Tim Guldimann

Die frühere Bundesrätin Ruth Dreifuss und Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, diskutierten zum Thema «Hannah Arendt und Jeanne Hersch – Ist ihre politische Philosophie durch Trump und die AfD wieder aktuell geworden?»

Zum Podcast «Debatten zu Dritt» mit Tim Guldimann.


BÜCHER
[1] «Verflechtung von Banken und Staat im ‹Dritten Reich›» in: Karsten Heinz Schönbach: «Die deutschen Konzerne und Nationalsozialismus 1926–1943». Berlin 2015, S. 438 ff.
[2] Johann Chapoutot: «Les irresponsables – Qui a porté Hitler au pouvoir ?», Gallimard 2025


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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5 Meinungen

  • am 5.06.2025 um 11:33 Uhr
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    Es ist gerade beängstigend, wie immer weitere Gemeinsamkeiten zum letzten Jahrhundert festgestellt wurden oder neu aufgedeckt werden. Ein schwacher Bundesrat gehört bekanntlich auch dazu.

  • am 5.06.2025 um 11:35 Uhr
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    Die Wählenden lassen sich manipulieren und wählen, was gut klingt. Es fehlen wichtige Informationen ‹Nachteile›. Genau diese fehlenden Informationen sind oft entscheidend. Wie Ruth Dreifuss es treffend aufzählt: «Es betrifft Einkommen, Vermögen, Ausbildung, Wohnen und so weiter..» Jede zur Wahl stehende Person müsste genau diese Information offen legen, damit die Wählenden informierter entscheiden können.

  • am 5.06.2025 um 17:19 Uhr
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    Um die weltweite Politik zu verstehen, gibt es unter vielen anderen Aspekten, zwei wichtige und entscheidende, die zum Thema passen. Autoritäre Hardliner lassen sich nicht durch Entgegenkommen zähmen. Es gelang in der Schweiz nicht mit Blocher im Bundesrat – man musste ihn abwählen. Jüngstes Beispiel ist die AfD. Merz und sein Gehilfe (der Maut-Dobrindt) wollten sie schwächen, um Wählende zurückzugewinnen, indem sie Grenzkontrollen einführten und Flüchtlinge u. a. nach Polen zurückschicken. Der rechtsnationale Pole Nawrocki hat sofort protestiert – es war ja auch rechtswidrig – und gewann äusserst knapp die Wahlen. Was ist Kanzler Merz für ein kurzsichtiger Politiker (vor dem gar Merkel gewarnt hatte)? Die Anhänger der AfD fühlen sich bestärkt. Und Merz hat nichts gewonnen, sondern sich nur noch viel grössere Probleme auf europäischer Ebene eingehandelt.

  • am 5.06.2025 um 18:27 Uhr
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    Berliner Zeitung 15.07.2006: «…Großvater Bush aufs engste verknüpft mit einer der berühmtesten Unternehmerfamilien Deutschlands – den Thyssens… die New Yorker «Union Banking Corporation»,…Ausgehandelt hatten den Deal Fritz Thyssen und W. Averill Harriman,… Prescott Bush und seine Vorstandskollegen in der New Yorker Union Bank konnte also kaum verborgen geblieben sein, dass sie mit den Thyssens engagierte Nazi-Anhänger und Förderer der NSDAP ins Geschäft geholt hatten.»
    «Stahl- und Kohlelobbys halfen Hitler» und wohl auch US-amerikanische Geschäftemacher. Die wohl erkannt haben könnten, es wird wieder Krieg geben. Der ein gutes Geschäft wird, wenn Hitler die Macht hat. Mit anderen Worten könnte das wohl auch heissen: elitäre Grossfinanz-Haie bestimmen die Zukunft von Staaten, wenn die politischen Parteien die Demokratie nicht verteidigen können, weil geschäftliche und finanzielle Interessen über allem stehen könnten
    Gunther Kropp, Basel

  • am 6.06.2025 um 07:50 Uhr
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    Den wahren Mächtigen im Hintergrund ist das politische System herzlich egal. Sie arrangieren sich seit Jahrhunderten so, dass sie selbst die Vorteile aus dem System ziehen können. Ob das System gerecht, human, moralisch ist oder nicht hat keinen Stellenwert. Die finanziellen Interessen stehen an oberster Stelle. Gehen diese Pläne einmal nicht auf gibt es Krieg, Bürgerkrieg, Revolutionen und ähnliches. Im Besten Fall kann sich jeder selber entscheiden, in welchem System jemand leben möchte. Die Einflussnahme existiert im übrigen in jedem System, in Demokratien genauso wie in autoritären Regimen.

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