NATO-Mitglieder Stand April 2023.LpB

NATO-Mitglieder in Europa. Stand April 2023. Dunkelblau = Mitgliedstaaten; Hellblau = Beitrittskandidaten; Gelb = Aktionsplan für individuelle Partnerschaft. In Rumänien und Polen hat die NATO Raketen stationiert, die auch atomar bestückt werden können. © LpB

Das Versprechen, dass sich die NATO nicht nach Osten ausdehnt

Jacques Baud /  Die NATO an der russischen Grenze verkürzt bei einem Angriff die Reaktionszeit und erhöht das Risiko eines Atomwaffeneinsatzes.

Zwei Sichtweisen

«Putins Russland ist imperialistisch. Es wollte sich die Ukraine schon immer einverleiben. Als Nächstes wären die baltischen Staaten und Polen dran, wenn die NATO sie nicht verteidigen würde.» 
Das ist die eine Sichtweise. Über diese werden wir fast täglich informiert.

«Die USA wollten Russland schon lange schwächen und von Westeuropa abkoppeln. Seit dem russischen Angriff ziehen es die USA vor, Russland mit einem andauernden Krieg zu schwächen, als eine neutrale Ukraine zu akzeptieren. Die NATO will sich an den Grenzen Russlands ausdehnen und dort Raketen stationieren.» 
Das ist die andere Sichtweise. 

Diese beiden gegensätzlichen Sichtweisen sind Teile des Informationskriegs und beeinflussen selektiv die Informationen, die über den Maidan, die Krim, den Donbas, die Minsker Abkommen, die Getreideausfuhren und den Verlauf des Krieges verbreitet wurden und werden.

Über Fakten und Argumente der zweiten Sichtweise, die nahelegt, dass der Krieg vermeidbar gewesen wäre, informieren grosse Medien wenig. Als Ergänzung dazu veröffentlicht Infosperber Auszüge aus dem Buch «Putin – Herr des Geschehens?».

Der Autor Jacques Baud arbeitete als Analyst für den Schweizerischen Strategischen Nachrichtendienst und war beteiligt an den NATO-Missionen in der Ukraine. Der russisch sprechende und von amerikanischen und britischen Nachrichtendiensten ausgebildete Baud analysierte auch die militärische Stärke des Warschauer Paktes und war Experte für russische Kriegsführung in Afghanistan.

Grosse Medien und Politiker disqualifizieren Baud als «Putin-Verteidiger» und gehen auf Fakten und Argumente seines Buches kaum ein. Baud legt dort dar, dass der Krieg vermeidbar gewesen wäre und warum Russland sich bedroht fühlte.

Doch selbst wenn der Krieg vermeidbar gewesen wäre: Der Angriffskrieg Russlands und die Kriegsverbrechen sind ein krasser Verstoss gegen das Völkerrecht. Sie sind mit nichts zu rechtfertigen. Das UNO-Recht auf Selbstverteidigung gemäss Artikel 51 der UNO-Charta setzt einen bewaffneten Angriff voraus. Von einem solchen war Russland nicht betroffen.

Ebenso völkerrechtswidrig wäre deshalb ein präventives militärisches Eingreifen der USA, falls Kuba oder Mexiko es den Chinesen oder Russen erlauben würden, Raketen nahe der US-Grenze zu stationieren.
Urs P. Gasche.


Im Folgenden die gekürzte Fassung eines Kapitels aus dem Buch «Putin – Herr des Geschehens?»*. Zwischentitel von der Redaktion.


NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagt nicht die Wahrheit

Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems ändert sich die geopolitische Karte Europas. Die NATO-Osterweiterung mit der Integration Ungarns, Tschechiens und Polens 1999, dann der drei baltischen Länder, der Slowakei, Sloweniens, Rumäniens und Bulgariens 2004 schiebt die NATO unerbittlich auf die russische Grenze zu. 

Zunächst sieht Russland keine Bedrohung in dieser Entwicklung. Aber Anfang der 2000er-Jahre, als die Amerikaner in Erwägung ziehen, Raketenabwehrsysteme (BMD: Ballistic Missile Defense Systems) in Osteuropa zu stationieren, nehmen die Dinge eine neue Wende. Die Ankündigung eines «intensiven Dialogs» mit der Ukraine und Georgien im Hinblick auf eine Aufnahme im Jahr 2008 bekommt damit eine neue Dimension. 

Obwohl sie häufig als ein unseriöses, von Russland verbreitetes Gerücht dargestellt werden, sind die Zusicherungen des Westens, die NATO nicht zu erweitern, von zahlreichen freigegebenen Dokumenten belegt. Im Dezember 2017 wurden sie vom Archiv für Nationale Sicherheit der George-Washington-Universität der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.1 

Im Jahr 2021 verkündet der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg den Standpunkt der Allianz: «Es hat niemals ein Versprechen gegeben, dass sich die NATO nach dem Fall der Berliner Mauer nicht nach Osten ausdehnt2 Damit sagt er nicht die Wahrheit. 

Es ist korrekt, dass weder Verträge noch eine Entscheidung des Nordatlantikrats (NAC) vorliegen, die solche Zusicherungen belegen. Das heisst aber nicht, dass sie nicht ausgesprochen wurden! 

Bedingung der deutschen Wiedervereinigung

Erstens haben wir heute den Eindruck, die UdSSR habe als «Verliererin des Kalten Kriegs» kein Mitspracherecht mehr an der Entwicklung des Weltgeschehens gehabt. Das ist falsch. Seit November 1989 lag die Idee von einer Wiedervereinigung Deutschlands in der Luft. Der Westen wusste aber, dass die UdSSR als Sieger über Deutschland im Jahr 1945 de jure ein Vetorecht in Bezug auf eine Wiedervereinigung hatte. Der Westen war also verpflichtet, die Zustimmung der UdSSR zu erhalten und ihrem legitimen Sicherheitsbedürfnis entgegenzukommen. 

Genau das sagte der deutsche Aussenminister Hans-Dietrich Genscher in seiner Ansprache vom 31.1.1990 im bayerischen Tutzing, wie die amerikanische Botschaft in Bonn berichtete:

«Genscher warnt jedoch, dass jeder Versuch, die Militärstrukturen der NATO auf das Gebiet der heutigen DDR auszuweiten, die Deutsche Einheit blockieren würde.» 

Denn für die UdSSR würde dies bedeuten, dass sich die NATO ipso facto der sowjetischen Grenze annäherte. Zu jenem Zeitpunkt existierte der Warschauer Vertrag noch und die NATO-Doktrin blieb unverändert. Deshalb war es legitim für die UdSSR, darin ein Sicherheitsrisiko zu sehen. Zusätzlich nahm die UdSSR mit der deutschen Wiedervereinigung auch den Abzug ihrer Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD), ihres stärksten und modernsten Truppenverbands, in Kauf, was eine bedeutende Schwächung ihrer strategischen Position in Europa zur Folge hatte. Deshalb stellte Genscher klar: 

«Die Veränderungen in Europa und der deutsche Einigungsprozess dürfen nicht zu einer Beschneidung der sowjetischen Sicherheitsinteressen führen. Daher sollte die NATO eine Gebietserweiterung nach Osten, d.h. ein Heranrücken an die sowjetischen Grenzen, ausschliessen.»

Michail Gorbatschow hat sehr schnell seine Zustimmung an Bedingungen geknüpft. Um Gorbatschows Befürchtungen zu zerstreuen, erklärte US-Aussenminister James Baker am 9.2.1990:

«Nicht nur für die Sowjetunion, sondern auch für andere europäische Länder ist es wichtig, Garantien zu haben, dass, wenn die Vereinigten Staaten ihre Präsenz in Deutschland im Rahmen der NATO beibehalten, sich der derzeitige militärische Hoheitsbereich der NATO keinen Zoll weit nach Osten ausweiten wird.» 

Es hat also Versprechungen gegeben, einfach deshalb, weil der Westen keine andere Möglichkeit hatte, die Zustimmung der UdSSR für die Wiedervereinigung Deutschlands zu bekommen. Gorbatschow hat demnach die deutsche Wiedervereinigung einzig und allein deshalb akzeptiert, weil er Zusicherungen vom Präsidenten George H. W. Bush und James Baker, von Kanzler Helmut Kohl und seinem Aussenminister Hans-Dietrich Genscher, von der britischen Premierministerin Margaret Thatcher, ihrem Nachfolger John Major und dem Aussenminister von beiden, Douglas Hurd, dem französischen Präsidenten Mitterand, aber auch vom Direktor der CIA Robert Gates und von Manfred Wörner, dem damaligen NATO-Generalsekretär, bekam.3

Im Februar 2022 enthüllt Joshua Shifrinson im deutschen Magazin Der Spiegel ein als «geheim» eingestuftes Dokument vom 6.3.1991. Es wurde erstellt nach einem Arbeitstreffen der politischen Leiter der Aussenministerien der Vereinigten Staaten, Grossbritanniens, Frankreichs und Deutschlands. Es gibt die Worte von Jürgen Chrobog, dem deutschen Vertreter, wieder:4 

«Wir haben während der 2+4-Gespräche klar darauf hingewiesen, dass wir die NATO nicht jenseits der Elbe erweitern werden. Wir können deshalb Polen und den anderen keinen NATO-Beitritt vorschlagen.» 

Die Vertreter der drei anderen NATO-Länder akzeptierten ebenfalls den Gedanken, den anderen osteuropäischen Ländern keinen NATO- Beitritt anzubieten. Der amerikanische Vertreter Raymond Seitz erklärte: 

«Wir haben der Sowjetunion klar zu verstehen gegeben, in den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen und anderswo, dass wir aus dem Rückzug der sowjetischen Truppen aus Osteuropa keinen Profit schlagen werden.» 

Versprechen sind ein gültiger Rechtsakt

Es gab also einen «Deal», und zwar unabhängig von schriftlichen Zeugnissen. Schlicht und einfach deshalb, weil ein «Deal» unumgänglich war. Und im internationalen Recht ist ein «Versprechen» ein einseitig gültiger Rechtsakt, der eingehalten werden muss («pacta sunt servanda»). 

Das kommunistische System war nicht mehr lebensfähig und ist von sich aus zusammengebrochen. Nichtsdestotrotz haben die amerikanischen «Falken» eine Gelegenheit gesehen, um Russland vollkommen zu zerstören. Robert M. Gates, ehemaliger (Vize-)Direktor der CIA (1986–1993), enthüllt in seinen Erinnerungen, dass der damalige Verteidigungsminister Richard (= Dick) Cheney bestrebt war, Russland zu vernichten:5

«Als die Sowjetunion Ende 1991 zusammenbrach, wollte Dick [Cheney] nicht nur die Zerschlagung der Sowjetunion und des russischen Imperiums, sondern auch von Russland selbst.» 

So hat man die schönen Versprechen von 1990/1991 schnell vergessen, und die Länder des «neuen Europa» – nach dem Ausdruck von Donald Rumsfeld – haben sich ab 1999 nach und nach dem Nordatlantikbündnis angeschlossen. Robert M. Gates erklärt im Juli 2000:

«In einer Zeit der besonderen Demütigung und Schwierigkeit für Russland hat das Vorantreiben der NATO-Osterweiterung, als man Gorbatschow und andere glauben liess, sie würde nicht stattfinden, zumindest nicht in absehbarer Zeit, denke ich, nicht nur das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Russland getrübt, sondern hat es schwieriger gemacht, konstruktiv mit den Russen zusammenzuarbeiten.» 

Für die Länder Osteuropas war die Zugehörigkeit zur NATO ein obligatorischer Schritt auf dem Weg einer tieferen Integration in westliche Strukturen. Die Abfolge der Ereignisse lässt eine ungeschriebene Regel erkennen, wonach die NATO-Mitgliedschaft systematisch dem Beitritt zur Europäischen Union vorausging, der damals als Garantie für schnelle Entwicklung und Wohlstand angesehen wurde und das eigentliche Ziel dieser Länder darstellte. 

Dies wurde begünstigt durch ihre Teilnahme an den Kriegskoalitionen, welche die USA für Afghanistan und den Irak bildeten. Auf diese Weise haben die Vereinigten Staaten im wahrsten Sinne des Wortes Länder «gekauft». Und zwar solche, die käuflich und bereit waren, die niederen Arbeiten im Nahen Osten für sie auszuführen (die Folterprogramme der CIA eingeschlossen). Übrigens hat die New York Times im Jahr 1998 aufgedeckt, dass die Ausdehnung der NATO von der Waffenlobby in den Vereinigten Staaten gefördert wurde. Sie habe rund 51 Millionen US-Dollar ausgegeben, um amerikanische Politiker zu diesem Zweck zu bestechen.6 

In den 1990er-Jahren sahen die russischen Eliten die NATO nicht als eine Bedrohung an. Deshalb haben sie auch nie ihre Auflösung gefordert. Sie sahen vielmehr in der Allianz den Sockel einer neuen europäischen Sicherheitsstruktur, an der Russland gleichberechtigt teilhaben könnte. 

LANDNATOEU
TschechienMärz 1999Mai 2004
UngarnMärz 1999Mai 2004
PolenMärz 1999Mai 2004
BulgarienMärz 2004Jan. 2007
EstlandMärz 2004Mai 2004
LettlandMärz 2004Mai 2004
LitauenMärz 2004Mai 2004
RumänienMärz 2004Jan. 2007
SlowakeiMärz 2004Mai 2004
SlowenienMärz 2004Mai 2004
AlbanienApril 2009
KroatienApril 2009Juli 2013
MontenegroMai 2017
NordmazedonienMärz 2020
Beitritt der Länder Osteuropas zur NATO und zur Europäischen Union. Dem Beitritt der Länder des «neuen Europa» zur Europäischen Union ging immer derjenige zur NATO voraus. Ohne NATO kein Beitritt zur EU. Der NATO-Beitritt erfolgte weniger aus Angst oder Hass in Bezug auf Russland als wegen der Aussicht auf Wohlstand, den die EU bringen sollte. 


Die Ukraine-Krise zeigt das Fehlen von strategischem Denken im Westen auf. Man hat zugelassen, dass die NATO die russische Grenze berührt. Als Folge davon haben weder die NATO noch Russland eine Pufferzone, die ihnen die Möglichkeit geben würde, auf einen Angriff zu reagieren, ohne sich gleich auf der atomaren Ebene zu begegnen. Indem sie das unantastbare russische Staatsgebiet direkt berührt, setzt sich die NATO – insbesondere die osteuropäischen Mitglieder – dem Risiko aus, fast unmittelbar in einen atomaren Konflikt verwickelt zu werden. 

Hieraus erklären sich die zwei Vorschläge, die Russland noch Mitte Dezember 2021 den Vereinigten Staaten und der NATO übermittelt hat. Sie tragen die Titel:

«Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Russischen Föderation über Sicherheitsgarantien»

 sowie

«Abkommen über die Massnahmen zur Wahrung der Sicherheit zwischen der Russischen Föderation und den Mitgliedstaaten des Nordatlantikpakts». 

Im Westen sprechen «linke Rechtsextreme» von einem «Ultimatum»7 und behaupteten, Wladimir Putin habe erklärt, «die zwei Vertragsentwürfe seien nicht verhandelbar»8. Das entspricht nicht den Tatsachen: Die russische oppositionelle Internetseite Meduza spricht klar von «Vorschlägen»9. Doch weder die NATO noch die USA wollten auf dieser Grundlage überhaupt einen Dialog beginnen. Wie Aussenminister Anthony Blinken sagte: «There is no change; there will be no change» (Es gibt keinen Kurswechsel; es wird keinen Kurswechsel geben).

Das angebliche Recht auf einen NATO-Beitritt

Man kann entgegenhalten, dass jedes Land das Recht hat, der NATO anzugehören, und dass Russland zu Unrecht in diese Entscheidungen eingreift. Das ist richtig, aber nicht wirklich das Problem: Es stellt sich nicht die Frage nach einem NATO-Beitrittsrecht für Länder, sondern ob es für die Allianz selbst sinnvoll ist, bestimmte Mitglieder aufzunehmen. Denn Wladimir Putin hat sehr wohl verstanden, dass der Beitrittsprozess bisher irrational verlief, insbesondere weil der atomare Aspekt des Problems ausgeklammert wurde. 

Der Beitritt zu einer Allianz ist offensichtlich keine harmlose Angelegenheit, denn er bringt Verpflichtungen für alle Mitglieder der Allianz mit sich. Solch ein Mechanismus hatte dafür gesorgt, dass die Ermordung von Erzherzog Franz-Joseph im Jahr 1914 vierzig Millionen Tote zur Folge hatte. 

In der Tat vertritt die NATO eine sogenannte «Politik der offenen Tür». Sie wird aber falsch verstanden. Sie ist im Artikel 10 des Washingtoner Abkommens niedergelegt: 

«Artikel 10 – Die Parteien können durch einstimmigen Beschluss jeden anderen europäischen Staat, der in der Lage ist, die Grundsätze dieses Vertrags zu fördern und zur Sicherheit des nordatlantischen Gebiets beizutragen, zum Beitritt einladen. Jeder so eingeladene Staat kann durch Hinterlegung seiner Beitrittsurkunde bei der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika Mitglied dieses Vertrags werden. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika unterrichtet jede der Parteien von der Hinterlegung einer solchen Beitrittsurkunde.» 

Mit anderen Worten, es werden Länder eingeladen in dem Masse, wie sie zur «zur Sicherheit des nordatlantischen Gebiets» beitragen können. Um es klar auszudrücken: Das Kriterium ist nicht die Sicherheit der einzeln aufgenommenen Länder, sondern die kollektive Sicherheit der Region. Genau das haben die Länder des «neuen Europa» nicht verstanden. Unter anderem bedeutet dies, dass potenziell jedes Land im Euro-Atlantik-Raum Mitglied sein kann, dass aber die Entscheidung der Allianz obliegt, die keine Verpflichtung hat, jedes Land aufzunehmen, welches den Wunsch äussert. 

Es ist somit unpräzise zu behaupten, die Ukrainer könnten selbst bestimmen, ob sie der NATO angehören wollten oder nicht. Die Entscheidung liegt in jedem Fall bei den Mitgliedsländern der Allianz und hängt von der Sicherheit ab, die die Ukraine ihnen bringen kann. Man macht es sich zu einfach, wenn man behauptet, dass Russland kein «Vetorecht gegen eine NATO-Erweiterung» haben könne. Selbstverständlich kann sich Russland nicht in die Angelegenheiten der Allianz einmischen. Aber trotzdem ist eine Erweiterung der Allianz nicht bedingungslos möglich. Denn es besteht ein Prinzip, was von allen OSZE-Mitgliedern anerkannt und im Dokument von Istanbul (1999) sowie in der Erklärung von Astana (2010) niedergelegt wurde: «Die Sicherheit jedes Teilnehmerstaats ist untrennbar mit der Sicherheit aller anderen verbunden.» Dies bedeutet, dass die Sicherheit eines Landes nicht auf Kosten eines anderen hergestellt werden kann. Tatsächlich ist dies jedoch der Fall, wenn die NATO – und besonders die Vereinigten Staaten – Waffensysteme stationieren und damit die atomaren Warn- und Vorwarnzeiten eines Landes verkürzen. Die Probleme eines Landes können schnell zu Problemen der gesamten Allianz werden, also eine ähnliche Situation wie im Jahr 1914. 

_________
Red. Laut Faktenchecker der ARD Tagesschau handelt es sich bei der Aussage «Die NATO hat Russland versprochen, sich niemals nach Osten zu erweiter» um eine der häufigsten Verschwörungsmythen.

*Jacques Baud: «Putin – Herr des Geschehens?»

Westend-Verlag, 2023

Putin Cover

E-Book 19.90 CHF / 19.90 Euro
Paperback: 35.90 CHF / 26.00 EURO

«Das Sterben in der Ukraine schreitet voran. Obwohl dieser Krieg täglich in den Medien präsent ist, bleibt vieles unterbelichtet, denn seine Vorgeschichte wird lediglich unvollständig dargestellt oder sogar ignoriert. Für Jacques Baud ist es höchste Zeit, zurück zu den Fakten und zum Dialog zu kommen.»

FUSSNOTEN
1 «Declassified documents show security assurances against NATO expansion to Soviet leaders from Baker, Bush, Genscher, Kohl, Gates, Mitterrand, Thatcher, Hurd, Major, and Woerner», National Security Archive, 12.12.2017, Washington D. C. 
2 «NATO enlargement and Russia: myths and realities», NATO Review, 2014 
3 «Declassified documents show security assurances against NATO expansion to Soviet leaders from Baker, Bush, Genscher, Kohl, Gates, Mitterrand, Thatcher, Hurd, Major, and Woerner», National Security Archive, 12.12.2017, Washington D. C. 
4 Klaus Wiegrefe, «Neuer Aktenfund von 1991 stützt russischen Vorwurf», Der Spiegel, 18.2.2022 
5 Robert M. Gates, Duty: Memoirs of a Secretary at War, Knopf Doubleday, 14.1.2014 (S. 97) 
6 Katharine Q. Seelye, «Arms Contractors Spend to Promote An Expanded NATO», The New York Times, 30.3.1998 
7 Françoise Thom, «What Does the Russian Ultimatum to the West Mean?», desk-russie.eu, 30.12.2021 
8 Caroline Roux in der Sendung »C dans l’air« vom 25.1. («Ukraine: la surenchère russe … ou américaine? #cdanslair 25.01.2022», France 5/YouTube, 26.1.2022 (20’20’’) 
9 «Moscow’s terms Russia publishes proposal for legally binding security guarantees, demanding NATO abandonment of activity in Ukraine and U. S. military withdraw from post-Soviet world», Meduza, 17.12.2021 

_________________
Infosperber wird weitere Auszüge aus dem Buch veröffentlichen.

Die Kommentarspalte ist reserviert für die Diskussion zu Fakten und Argumenten in diesem Artikel.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Kalter_Krieg

Der Kalte Krieg bricht wieder aus

Die Grossmächte setzen bei ihrer Machtpolitik vermehrt wieder aufs Militär und gegenseitige Verleumdungen.

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Die Ukraine zwischen Ost und West: Jetzt von Russland angegriffen

Die Ukraine wird Opfer geopolitischer Interessen. Die Nato wollte näher an Russland. Seit dem 24.2.2022 führt Russland einen Angriffskrieg.

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16 Meinungen

  • am 12.08.2023 um 11:27 Uhr
    Permalink

    Es ist seit Jahren naheliegend, dass USA und NATO die Ukraine faktisch als eine Art «Passivmitglied» der NATO betrachtet hat. Ich möchte an wenigstens einen von vielen Berichten des Infosperbers erinnern:
    https://www.infosperber.ch/politik/welt/manoever-mit-30000-nato-soldaten-jetzt-am-und-im-schwarzen-meer/

    … und auch das rechtfertigt den Einmarsch Russlands nicht. Es lässt nur erahnen, dass die Ukraine an der Verhinderung des Krieg hätte mitwirken können.

  • ToniKoller
    am 12.08.2023 um 15:54 Uhr
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    «In den 1990er-Jahren sahen die russischen Eliten die NATO nicht als eine Bedrohung an», heisst es in dem Artikel. Weshalb sich das seither geändert hat, wird leider nicht hinlänglich erklärt. Dass der seinerzeitige US-Verteidigungsminister Dick Cheney die «Zerschlagung Russlands» im Sinn gehabt haben soll, ist wohl nicht entscheidend: Notorische Rechtsausleger wie Cheney geben noch manche Phantasien von sich. Jedenfalls gibt es seit eh und je keine ernstzunehmenden Hinweise darauf, dass die NATO Russland angreifen wollte. Daran ändert auch die NATO-Osterweiterung nichts.
    Eher schon erscheint das von Putin geschürte Bedrohungs-Narrativ als ein Versuch, den aktuell nationalistischen und (zumindest gegenüber der Ukraine) imperialistischen Kurs Russlands zu legitimieren.

    • am 13.08.2023 um 10:54 Uhr
      Permalink

      Der «Westen» hat nicht nur auf politischer Ebene seine Vertrauenswürdigkeit verspielt. Der springende Punkt ist auch nicht ob die Nato Pläne hatte/hat Russland anzugreifen, sondern dass Russland im Interesse der eigenen Sicherheit handeln muss(te) bevor dies geschehen würde. Dass dies im Sinne der Mehrheit der russischen Bevölkerung geschieht zeigt die grosse Unterstützung im eigenen Land die Putin offenbar erfährt. Klare Zeichen für «rote Linien» hat er im 2007 an der Sicherheitskonferenz in München «gesendet». Diese wurden geflissentlich überhört, und seither wird Putin vom Westen dämonisiert. Leider ist die Nato nicht in der Lage diese Zeichen angemessen zu interpretieren, sie überschätzt ihre eigene Vernunft und handelt provokativ. Beweis dafür ist zur Zeit das immense Elend in der Ukraine, das durch den notorischen Fehler, Putin bzw. Russland nicht ernstzunehmen, und weiter zu provozieren immer mehr verstärkt wird.

    • am 15.08.2023 um 09:48 Uhr
      Permalink

      Nein!

  • am 12.08.2023 um 18:16 Uhr
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    Vor einigen Monaten nahm ich an einer Veranstaltung des Nebelspalters teil. Armeechef Süssli hielt einen Vortrag über die geopolitische Lage. Nach dem Vortrag sagte ich Süssli, seine geopolitische Sicht sei deckungsgleich mit der der NATO. Als Antwort sagte mir Süssli, er sei kürzlich in Polen und den baltischen Staaten gewesen. Die dortigen Militärführung denke genau gleich wie er. Ich war ziemlich entsetzt über diese Antwort und meldete dies Dominik Feusi, dem Moderator des Abends. Dem seine Antwort war noch schlimmer: Die Russen seien Barbaren. Sie seien es seit vielen Jahrhunderten und würden auch in Zukunft so bleiben.

  • am 12.08.2023 um 20:43 Uhr
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    Es ist «allerhöchste Zeit» dass man den Betrachtungen von Jacques Baud mehr Beachtung schenkt. Er ist vermutlich DER am besten mit der Problematik vertraute Schweizer Experte. Was er, als ausgewiesener Spezialist, zum Thema zu sagen weiss, hat Hand und Fuss. Leider werden Fachleute wie er, die nicht das allgemeine Staats- und Mediennarrativ unterstützen, in der heutigen Zeit allzuoft diffamiert und in die Verschwörungstheoretikerecke katapultiert. So ist es auch ihm ergangen. Ich kann auch sein vor einem Jahr erschienenes Buch mit dem Titel Operation Z sehr empfehlen. Baud’s Wissen zur Vorgeschichte dieses Krieges ist gross, er war auch als Geheimdienstler im letzten Jahrzehnt in der Ukraine anwesend und viele der Informationsquellen sind im Buch belegt. Seine Logik, beispielsweise warum eine Natomitgliedschaft für europäische Nationen mehr Gefahren birgt als Vorteile ist einleuchtend.

  • am 13.08.2023 um 05:00 Uhr
    Permalink

    Baud präsentiert uns eine andere Sicht der Dinge über die Vorgänge die dem Krieg in der Ukraine vorangegangen sind. Baud hat schon früher ein lesenswert es Buch über die Kriege im Nahen Osten und in Afrika geschrieben: Terrorisme: Mensonges politiques er stratégies de l’Occident. Es gibt alternative Infos über den Krieg in Ukraine, wie früher über andere Kriege unter anderem jetzt auch von Scott Ritter der schon über den Krieg im Irak informierte.

  • am 13.08.2023 um 08:17 Uhr
    Permalink

    Jedem Text wird der Bannspruch»… Einmarsch ist nicht zu rechtfertigen…» beigefügt. Damit wird einerseits versucht, nicht gleich als Putinversteher delegitimiert zu werden. Andererseits wird damit aber auch a priori ausgeschlossen, dass man bereit ist, die Sichtweise und die Wahrnehmung des Gegenübers zu berücksichtigen – eine Grundvoraussetzung für die friedliche, menschenachtende Beendigung des Krieges (im Gegensatz zur totalen Vernichtung einer Partei).

    Der Bannspruch ist nicht pazifistisch. Mit ihm wird sichergestellt, dass der Krieg bis zum totalen Zusammenbruch geführt wird.

    Dabei hätten zur Verhinderung des Krieges lediglich die moderaten Vereinbarungen der Minsker Abkommen umgesetzt werden können. Aber diese Abkommen wurden nicht aufrichtig verhandelt, wie wir von Merkel und Hollande erfahren haben.

    Ohne Bannspruch: Welche diplomatischen Mittel haben die Russen vor dem Krieg eigentlich versäumt, auszuschöpfen?

    • am 15.08.2023 um 09:50 Uhr
      Permalink

      Zustimmung

  • am 13.08.2023 um 12:06 Uhr
    Permalink

    Oha.
    Ich bin mir gerade nicht sicher ob ich hier auf einem Satire Artikel gestoßen bin.

    Es gibt KEIN Abkommen, Vertrag, Vereinbarung oder Versprechen die NATO nicht nach Osten zu erweitern. Punkt

    Als es damals von deutscher und amerikanischer Seite geäußert wurde, war das gegenüber der noch bestehenden UDSSR und bezog sich auf die ehemalige DDR.

    Es gab damals KEINE Länder in Osten wohin man hätte erweitern können. Die UDSSR bestand ja noch. Und es war damals in keinster Weise abzusehen dass diese sich auflöst.
    Wie kann man also etwas vereinbaren war nicht möglich bzw. denkbar ist?

    Und warum wollen denn alle Länder im Osten in die NATO?
    Die treibende Kraft der Osterweiterung ist doch Russland selbst.
    Ohne ein aggressives Russland das immer wieder militärisch in Nachbarländern interveniert und andere Staaten aktiv bedroht wäre die NATO nur halb so attraktiv.

    Und im Fall der Ukraine sehen wir, dass die Osterweiterungen richtig und sinnvoll waren.
    Nicht umgekehrt !!!

    • am 14.08.2023 um 01:28 Uhr
      Permalink

      Sie stellen die historischen Tatsachen auf den Kopf! Die NATO-Osterweiterung ist ein Wortbruch gegenüber Russland. So z.B. der frühere US-Außenminister Baker: Die NATO würde sich nach der deutschen Wiedervereinigung und der Auflösung des Warschauer Pakts «keinen Inch nach Osten ausdehnen».

      Seit den 90er Jahren hat die NATO (speziell die USA) einen zunehmend aggressiven und expansiven Kurs gegenüber Russland betrieben.

    • am 14.08.2023 um 14:12 Uhr
      Permalink

      Herr Graf, Sie geben hier die WEST-Propagande 1 zu 1 wieder ohne auf den Artikel auch nur im entferntesten einzugehen! Und es stimmt nict was Sie behauptenè Sehen Sie sich nur mal dieses Video des ehemaligen Aussenministers von Frankreich an, der bei den Verhandlungen des 4+2 Vertrages dabei war und seine Unterschrift darunter setzte>>>https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=onuDtr2Kgb4

  • am 13.08.2023 um 13:05 Uhr
    Permalink

    «…die Ermordung von Erzherzog Franz-Joseph im Jahr 1914…»? Franz-Joseph war der Kaiser. Der ermordete Thronfolger hiess Franz Ferdinand.

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 13.08.2023 um 14:11 Uhr
    Permalink

    Die «likes» und «dislikes» in diesem blog sind ziemlich exotisch und dies umsomehr als meine Eingaben systematisch ignoriert werden.

    Sind hier Nato-Trolls am Werk ?

  • am 13.08.2023 um 16:20 Uhr
    Permalink

    «Ebenso völkerrechtswidrig wäre deshalb ein präventives militärisches Eingreifen der USA, falls Kuba oder Mexiko es den Chinesen oder Russen erlauben würden, Raketen nahe der US-Grenze zu stationieren.»

    Warum greifen Sie auf hypothetische, nicht aber auf reale US-Angriffskriege zurück?

    So hat z.B. der heutige US-Präsident Biden gemeinsam mit seinem früheren Chef, dem Ex-US-Präsidenten Barack Obama, die Fortführung aller Bush-Angriffskriege sowie drei neue Angriffskriege zu verantworten: In Libyen, Syrien und im Jemen (Luftbetankung der saudischen Kampfbomber).

    Unsere Medien sprechen stets völlig faktenwidrig vom «UNPROVOZIERTEN russischen Angriffskrieg» oder vom «russischen Überfall» in der Ukraine. Die tatsächlich unprovozierten US-Angriffskriege bzw. Überfälle (dort geht es meist um neue US-Militärbasen, um den US-Zugriff auf Öl-/Gasvorkommen oder um von den USA räumlich weit entfernte «geostrategische» Interessen) werden hingegen nicht so tituliert.

  • am 14.08.2023 um 13:54 Uhr
    Permalink

    «Red. Laut Faktenchecker der ARD Tagesschau handelt es sich bei der Aussage «Die NATO hat Russland versprochen, sich niemals nach Osten zu erweiter» um eine der häufigsten Verschwörungsmythen.» Leider sind die Faktenchecker , ob ARD, ZDF und vieler weitere selbsternannter Faktenckecker gar nicht so neutral und objektiv, wie sie selber bahaupten! Siehe hier auch die Beiträge bei Infosperber: >>>https://www.infosperber.ch/freiheit-recht/die-branche-der-faktenchecker-ist-gekauft-und-kompromittiert/ ……>>>https://www.infosperber.ch/politik/welt/wer-die-bekaempfung-von-fake-news-finanziert/

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