Monroe Doktrin.Granger

Monroe Doktrin: Karikatur von Granger aus dem Jahr 2012 © Granger

Geopolitik: «Die USA belügen sich selber»

Urs P. Gasche /  US-Professor für Politik Peter Beinart sagt: «Einflusssphären von Grossmächten sind rund um den Globus eine Realität.»

Die USA würden nicht akzeptieren, dass die Ukraine zur Einflusszone Russlands gehöre. US-Aussenminister Antony J. Blinken sagte im Dezember 2021 wörtlich: 

«Kein Land hat das Recht, einem anderen Land vorzuschreiben, mit wem es sich verbünden will. Kein Land hat das Recht auf eine Einflusszone. Dieser Begriff sollte auf den Müllhaufen der Geschichte verbannt werden … Wir setzen uns für einen Nato-Beitritt der Ukraine ein.»

Viele Medien verbreiten unkritisch den Standpunkt der Nato, dass alle Länder, also auch die Ukraine und Georgien, das Recht hätten, der Nato beizutreten. Dies ist erstens falsch, weil es für einen Beitritt die Einstimmigkeit aller dreissig Nato-Länder braucht. Zweitens sind Einflusszonen der Grossmächte auch heute noch eine Realität.

Sie auf den Müllhaufen der Geschichte zu verbannen, sei zwar ein achtbarer Wunsch, meint Peter Beinart in der «New York Times». Beinart ist Professor für politische Wissenschaften an der City University in New York und Herausgeber des linken US-Magazins «Jewish Currents». Er hält Blinken die Realität entgegen:

«In ihrer eigenen Hemisphäre haben die USA das Prinzip der Einflusszone seit fast 200 Jahren hochgehalten. Dies seit Präsident James Monroe im Jahr 1823 in einer Botschaft an den US-Kongress erklärte, die USA sollten ‹jeden Versuch einer ausländischen Macht, irgendwo in unserer Hemisphäre Einfluss zu erlangen, als Gefahr für Frieden und Sicherheit betrachten›». 

Diese Politik läuft seither unter dem Namen «Monroe-Doktrin». Wer jetzt Aussenminister Blinken zuhöre, könne meinen, die USA hätten diese Monroe-Doktrin aufgegeben, meint Beinart. Dies sei jedoch nicht der Fall. Noch 2018 erklärte Präsident Trumps Aussenminister Rex Tillerson, die Monroe-Doktrin sei «heute noch ebenso aktuell wie damals, als sie verkündet wurde». Ein Jahr später wiederholte Trumps Sicherheitsberater John Bolton: «Die Monroe-Doktrin lebt weiter.»

Kuba als Paradebeispiel

Allerdings würden die USA ihren Einflussbereich heute in Zentralamerika und in der Karibik nicht mehr mit Soldaten verteidigen und die CIA nicht mehr einfach linke Regierungen stürzen. Noch 1983 besetzten US-Truppen unter fadenscheinigen Vorwänden die Karibik-Insel Grenada, weil die dortige blockfreie Regierung nicht genehm war. 1989 griffen die USA mit 24’000 Mann Panama an und stürzten den dortigen Präsidenten Manuel Noriega.

Heute würden die USA ihre Ziele mit wirtschaftlichem Zwang und Boykotten gegen Regierungen erreichen, die mit feindlichen Regierungen anbandeln, erklärt Beinart. Er erinnert an das jahrzehntealte Embargo gegen Kuba. Offiziell soll der Wirtschaftsboykott Kuba zur Demokratie zwingen, aber selbst die meisten demokratischen Länder sähen darin politisches Mobbing.

Letztes Jahr habe die UNO-Generalversammlung das US-Embargo gegen Kuba mit 184 zu 2 Stimmen verurteilt. «Human Rights Watch» habe das Embargo angeprangert, weil es «der kubanischen Bevölkerung willkürliche Härten auferlegt».

Die Biden-Administration würde die Monroe-Doktrin zwar nicht mehr gross erwähnen, doch sie zeige den Ländern Mittel- und Südamerikas weiterhin die Muskeln. Das Embargo gegen Kuba bleibe bestehen und Venezuela, dessen autokratische Regierung mit Feinden der USA geflirtet habe, werde vom internationalen Handel ausgesperrt. Die USA würden die Bevölkerung Venezuelas sogar verhungern lassen, solange sie ihre Regierung nicht stürzt.

Beinart zitiert Historikerin Erika Pani, die sich in Mexiko mit den Beziehungen ihres Landes mit den USA beschäftigt:

«Die Regierungen Mexikos wussten schon immer, dass sie international nicht frei waren. Wenn man unmittelbar neben einem Elefanten lebt, weiss man, dass es besser ist, ihn nicht zu provozieren.»

Die Regierungen könnten aussenpolitisch zwar eine eigene Meinung äussern, aber auf keinen Fall eine militärische Allianz mit einem Kontrahenten der USA eingehen. Es sei unvorstellbar, dass Mexiko Truppen Russlands oder Chinas auf sein Territorium einlade.

Mexiko trennt von den USA eine sehr lange Grenze, ähnlich wie die Ukraine von Russland.

«Geopolitik ist eine brutale Tatsache»

Die Ukraine könne ähnlich wie Mexiko eine unabhängige Aussenpolitik führen. Doch Bündnisse mit Russlands Gegnern sollten nicht in Aussicht gestellt werden. Solange Russland dafür keine Garantien erhalte, mindestens stillschweigende, werde Russland weiterhin versuchen, die Ukraine zu destabilisieren. Denn eine unstabile Ukraine verspreche am ehesten, dass die Nato das Land nicht aufnehme.

Der Politologe empfiehlt der US-Regierung, dafür zu sorgen, dass die Ukraine innenpolitisch eine freie Gesellschaft bleibe (oder es werde), jedoch davon Abstand nehme, die Ukraine ins westliche Militärbündnis aufzunehmen. Die US-Regierung solle die «brutale Tatsache» von Einflusssphären anerkennen. Washington könne nicht weiter behaupten, dass «nur brutale Tyrannen wie Putin auf Nachbarländer Einfluss nehmen wollen». Denn die USA würden sich damit «selber belügen». 

Nur wenn die USA die Einflusssphäre Russlands respektieren, wäre garantiert, «dass der russische Einfluss die Ukraine nicht zerstört und dass Europa nicht in einen Krieg hineingezogen wird.»

«Einkreisungsängste haben zum Entstehen von Kriegen beigetragen»

Unter dem Titel «Es gibt Einflusszonen, die die Bündnisfähigkeit von Ländern beschränken» veröffentlichte die NZZ ein grosses Interview mit Herfried Münkler, vormals Professor für Politikwissenschaften an der Berliner Humboldt Universität. Zur Ukraine erklärte Münkler:

«Man kann feststellen, dass die Russen so etwas wie Einkreisungsängste haben. Diese haben schon immer bei der Entstehung von Kriegen eine bedeutende Rolle gespielt. Ein Mittel dagegen sind Pufferzonen. Sie dienen einer gewissen Stabilität und schaffen Flexibilität bei Verhandlungen zwischen Grossmächten.»

Möglich wäre eine aussenpolitisch neutrale Ukraine, versehen mit Sicherheitsgarantien. Unter dem Titel «Neutralität als Garant von Freiheit und Unabhängigkeit – Die Ukraine kann von Finnlands Erfahrungen lernen» schrieb NZZ-Chefökonom Peter A. Fischer am 22. Januar 2022: 

«Dank der strikten Neutralitäts- und Versöhnungspolitik der finnischen Präsidenten … gelang es den Finnen, weiterhin unabhängig und nach westlichen Vorstellungen freiheitlich zu leben und sich wirtschaftlich immer stärker mit dem übrigen Westen zu integrieren … Statt von Moskau gelenkt oder gar in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt zu werden, konnte sich Finnland auf eine wirtschaftliche Aufholjagd konzentrieren. Während die Finnen am Ende des Zweiten Weltkriegs zusammen mit den Russen, Polen, Portugiesen und Spaniern zu den Ärmsten Europas gehörten, entwickelten sie sich dank ihrer Neutralitätspolitik danach ähnlich dynamisch wie Deutschland.»

Anders sieht es Ulrich Schmid, Professor für Kultur und Gesellschaft Russlands an der Universität St. Gallen: Putins Vorbild sei Otto von Bismarck. Er wolle die Weltordnung neu definieren und überall mitentscheiden (Interview im Tages-Anzeiger vom 16 Januar 2022). 

Und Christof Münger, Leiter des Auslandressorts beim «Tages-Anzeiger» übernimmt in einem Leitartikel vom 15. Januar 2022 das Wording der Nato: «Die Nato darf und wird sich nicht diktieren lassen, wen sie aufnimmt und wen nicht … Putin fürchtet nicht die Nato, sondern die Demokratie.»

Keine Kuba-Krise mehr?

Falls es allerdings kein Problem mehr darstellt, wenn Grossmächte ihre Militärbündnisse und Militärbasen bis an die Grenzen anderer Grossmächte ausweiten, dürfte heute auch Kuba Russland einladen, eine Militärbasis mit Raketen im Karibikstaat zu installieren und sich im gleichen Zug noch eine grosse Einnahmequelle zu verschaffen. Wenn die USA die Monroe-Doktrin tatsächlich auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen haben, werden sie nichts mehr dagegen einwenden. Im Jahr 1962 war dies anders: Als Fidel Castro die Sowjetunion einlud, auf Kuba Mittelstreckenraketen zu installieren, drohten die USA mit Krieg und es kam zur gefährlichen Kuba-Krise.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der Autor hat Studien der Internationalen Beziehungen am IUHEI in Genf mit dem Master abgeschlossen.
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Kalter_Krieg

Der Kalte Krieg bricht wieder aus

Die Grossmächte setzen bei ihrer Machtpolitik vermehrt wieder aufs Militär und gegenseitige Verleumdungen.

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15 Meinungen

  • am 28.01.2022 um 12:53 Uhr
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    Festgestellt werden kann, die meisten Länder dieser Erde werden mehr oder weniger autoritär regiert, unabhängig von demokratischen Mäntelchen die dies in vielen Fällen vertuschen sollten. Wahlsiege von diktatorischen Gewaltherrschern und narzistischen Kleptomanen, beweisen die Krise in der sich auch die bürgerlichen Form von eingerahmter Demokratie befindet. Wenn „die Russen“ „Einkreisungsängste“ haben, dann ist das historisch, geografisch und waffentechnisch gut zu begründen. Die NATO, das zeigt schon ihre Entstehungsgeschichte, ist ein Waffenbündnis, welches im wirtschaftlichen Interesse des Westens weltweit Kriege führt. Unabhängig von der Tatsache, dass Russland kein Musterknabe von Demokratie ist hat das Land und gerade auch seine einfache Bevölkerung, gute Gründe über die stetige Ausdehnung der neokolonialen Weltmachtachtansprüche beunruhigt sein.
    Man kann in geopolitischen Auseinandersetzungen um Einflusssphären wählen, zwischen Friedenspolitik und Kriegspolitik. Dass die Kalten Krieger es vorziehen Kriegspolitik zu betreiben, mit wirtschaftlichen Sanktionen zu drohen, die Aufrüstung zu forcieren, die Massenmedien in Diffamierungskampagnen einzubinden, liegt daran, dass Friedenspolitik, im Gegensatz zur Waffenproduktion beispielsweise, keine Extraprofite abwirft.

    • am 29.01.2022 um 08:43 Uhr
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      Sehr geehrter Herr Gysin,
      ich finde ja Urs Gasches übersichtliche Schilderung sehr gut, aber ich habe noch nie einen Text zu Gesicht bekommen, der so umfassend die Situation in der heutigen Welt so verständlich und durchdacht schildert wie Sie in Ihrem Kommentar.
      Sehr gerne würde ich Ihren Text einem einflussreichen schweizerischen Politiker zusenden – ich will keine Namen nennen – aber ich weiss, der käme gar nicht dazu, nebst den täglichen Fake-News aus der CIA-Zentrale auch noch solche zum Denken anregende Übersichten zu studieren.
      So bleibt mir nur die Genugtuung, dass einige Tausend Infosperber-Leser*/innen diesen kurzen, so treffenden Geschichtsüberblick lesen dürfen. Ganz herzlichen Dank für diese grossartige Aufklärung!

  • am 28.01.2022 um 16:41 Uhr
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    Grossartig, lieber Urs, Du solltest dein Wissen auch an einer Universität vermitteln, warum nicht in St. Gallen!
    Ich wollte zuerst schreiben, dass es schade sei, dass du nicht Politiker bist, aber nein, zum Glück bist du nicht Politiker und dann doch irgendwie an eine «Doktrin» gebunden, und wir Infosperber-Informierten haben dich, deinen klaren Verstand und deine immer noch grossartige – oder immer noch bessere – journalistische Formulierungskunst noch lange bitter nötig. Mir scheint, für richtig gute Journalisten gilt das gleiche wie für sehr gute Weine: Sie werden lange Zeit immer besser und noch gehaltvoller. Also meine Bitte und und der damit verbundene dringende Wusch: Bleibe unser stets aufmerksamer Infosperber-Man, zusammen mit den vielen guten, die ich sonst noch kenne!

  • am 28.01.2022 um 19:22 Uhr
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    Man kann den Beitrag so interpretieren, dass auch die Russische Föderation als fortdauernde Grossmacht berechtigten Anspruch auf eine Monroe-Doktrin hat. Doch ihre geographische Lage ist eine völlig andere als jene der USA. Russland ist bei jeder Betrachtungsweise marginal; im Westen, Süden und Osten überlappen sich die Grenzbereiche mit Interessensphären anderer Mächte, als Seemacht ist Russland seit je «eingeklemmt», bloss im Eismeer gibt es freie Fahrt. Nur schon deshalb hinkt der Vergleich. Und ich kann mir nicht helfen: Russland ist als Grossmacht einfach weniger freundlich als die USA. In Grenada und in Panama haben die Interventionen keine langfristigen Schäden angerichtet. Aus Kuba trafen stetig Flüchtlinge in den USA ein (und wurden aufgenommen). Etwas Vergleichbares kenne ich aus der russischen Einflusssphäre nicht.

    • am 29.01.2022 um 14:04 Uhr
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      «Die geographische Lage … Russland ist bei jeder Betrachtungsweise völlig marginal; im Westen, Süden und Osten… eingeklemmt.»

      Ihre herablassende Haltung Russland gegenüber trieft aus jedem Satz. Wie kann man das flächenmässig grösste Land im Zusammenhang mit Geographie als «marginal» und «eingeklemmt» bezeichnen.

      • am 30.01.2022 um 15:35 Uhr
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        Mir wäre es lieber gewesen, Sie hätten mir mit Gegenargumenten widersprochen. Russland hat sich im Gegensatz zu westeuropäischen Nationen oder dem Osmanischen Reich nicht zu einer grossen Seefahrernation entwickelt, weil das Land in die grosse, relativ dünnbevölkerte Eurasische Landmasse eingebettet ist. Hafenstädte wie St. Petersburg, Odessa, Sewastopol oder Wladiwostok sind Neugründungen aus dem 18. und 19. Jahrhundert (also weniger alt als z. B. New York). Weder im internationalen Strassen- noch im Schienennetz hat Russland je eine zentrale Rolle gespielt. Wenn es nicht gerade um den Export von natürlichen Ressourcen geht, nimmt Russland im Welthandel eine marginale Rolle ein. Das eine nüchterne Feststellung, entweder ist sie richtig oder falsch. Was daran herablassend sein soll, ist mir schleierhaft.

    • am 30.01.2022 um 01:51 Uhr
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      Die USA als «freundlich» zu bezeichnen, halte ich für absolut zynisch: Venezuela stellt nicht den Hauch einer Bedrohung für die USA dar, dennoch erheben die USA tödliche Sanktionen gegen alle die mit Venezuela handeln wollen, was zu Hunger und Tod durch heilbare Krankheiten führt unter Venezuelas Zivilisten. Die einzige substantielle Hilfe kommt aus Kuba, welches ebenfalls unter grauenhaften Sanktionen leidet trotz über 150 Ländern die die USA jedes Jahr zum Ende der Sanktionen auffordern (Iran und Saudi-Arabien sind da für einmal vereint). Die USA töten Zivilisten aufgrund von Terror-«Verdacht» mit bewaffneten Drohnen in fremden Ländern, oft ohne um Erlaubnis zu fragen. Russland terrorisiert im Gegensatz dazu niemanden.

  • am 29.01.2022 um 03:17 Uhr
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    1. Es ist schön, solche Meinungen zu lesen. Auch Bismarck ist kein schlechter Vergleich, war das doch eine friedlichsten Zeiten in Europa seit dem römischen Reich.
    2. Schade dass niemand erwähnt wie die USA gerade letzten Monat reagierte, als Nicaragua die Volksrepublik China anerkannte und Verbindungen mit der Republik China, welche fast nur noch Taiwan kontrolliert, abbrach. Es folgten scharfe Warnungen an Honduras, es nicht gleich zu tun, obwohl die USA selber massiv wirtschaftlich profitieren von der Anerkennung der Volksrepublik.
    3. Die Tatsache, dass solche Kritik in den USA geschrieben werden kann, macht das tatsächliche Verhalten der USA nicht wett. Es reicht nicht zu sagen, man könne die USA kritisieren, wenn diese Kritik über 70 Jahre nichts bewirkt.

  • am 29.01.2022 um 08:44 Uhr
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    Natürlich gibt es diese Einflusssphären noch immer und die bleiben auch. Iran, die sich von feindlichen Mächten umzingelt wissen, Saudi Arabien, die paranoid gegen eine «schiitische Umzingelung sich wähnen» oder Israel inmitten muslimischen Ländern. Und natürlich Russland, die hauptsächlich noch Einflusssphären in den ehemaligen Sovietstaaten unterhalten.
    In Europa weniger aktuell, da diese Akte oftmals mit Kriegsführung einher gehen, zunehmend auch cyberkrimineller Kriegsführung.
    Trotzdem sollte sich Europa gut tun, die Frage zu stellen, mehr den Russen oder den Amerikaner vertrauen? Die USA liegt wertemässig viel näher an Europa, jedoch mit Kapitalismus im Endstadium. Die USA wird eher ganz Europa ins Elend reissen, denn selbstkritisch mit ihren Missständen umgehen und zivilisiert absteigen. Die letzten Krise (Finanzkrise 2008, Dot-Com-Blase 2001…) gingen stets von der USA aus. Und Europa schultert viel finanziellen Folgen (AAA-Schrottpapiere, Bankenkonkurse 2008, Irak-Krieg…) aus dem Versagen der USA.
    Russland hat eigene Werte, obschon Sie viel aus Knowhow aus Europa übernommen haben (Angefangen mit Peter der Grosse). Jedoch fügen sie kaum nennenswerten wirtschaftlichen oder sozialen Schaden den europäischen Ländern zu. Russland ist mehr ein ideologischer Stachel in der transatlantischen Beziehung.
    Deshalb plädiere ich mehr mit Russland zu kommunizieren und sich wirtschaftlich, ideologisch von der USA zu lösen.

    • am 29.01.2022 um 19:54 Uhr
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      Danke für diesen bedenkenswerten Kommentar. Russland hat eigene Werte, schreiben Sie. Die da wären? Können Sie da Näheres dazu berichten? Mir fällt auf, dass die sich Übeltaten der USA ziemlich ausführlich und detailliert aufzählen lassen, während das heutige Russland jenseits der aktuellen Kraftmeierei ein ziemliches Vakuum hinterlässt (gab es da nicht mal eine Rubelkrise?). Ich lasse mir wirklich gerne erzählen, wie man sich in Europa ein harmonisches Verhältnis mit Russland vorstellt. Man hört dazu eher wenig.

      • am 30.01.2022 um 11:00 Uhr
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        Wenn Herr Pestalozzi ein Reise nach Russland machen würde, möglichst hinter den Ural, und wenn er dort mit möglichst vielen Menschen sprechen würde, dann wüsste er nachher was die Westeuropäer machen sollten um mit Russland einen nachhaltigen Frieden zu haben.

  • am 30.01.2022 um 21:13 Uhr
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    Herzlichen Dank für den geschichtlichen und politischen Unterricht. Aus forensischer Sicht würde man von einem Gewaltverbrecher sprechen, von einem geschickten Wiederholungstäter, welcher glaubt ein gutes Werk zu tun. Ein Täter welcher Umstände einfordert, mit Gewalt, selber aber nie bereit wäre, dieselben Umstände zu erfüllen. Wer politische Massstäbe setzt, muss diese zumindest selber auch erfüllen können. Wasser predigen und selber Wein trinken, auf dem politischen Plateau, führte bisher immer zu diktatorischen Herrschaftssystemen. Solche Systeme haben bisher immer nur begrenzt gehalten, denn alles was man mit Gewalt erreicht, kann man nur mit Gewalt behalten. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, was mit den Trittbrettfahrern geschah, wenn ein auf Gewalt aufgebautes System zusammen brach. Gewalt erzeugt Gegengewalt. Hass tötet den Schmerz nur befristet. Als ehemaliger Mitinitiant für Anti-Gewalt Training, deeskalatives Verhalten, gewaltfreies Kommunizieren in der Gassenarbeit als Prävention für Gewalt und Sucht, sind mir die Mechanismen bestens bekannt. Wie Unten so Oben. Mein Grossvater prophezeite mir den 3ten Weltkrieg. Er machte noch Aktivdienst. Er verglich die Schweiz aufgrund seiner Erfahrungen während des 2ten Welt-Krieges mit seinem Hund «Watschli». Er sagte, komm mach Männchen, dafür gibts ein Gutti, und Watschli machte Männchen. Das ist die Schweiz, sagte er, sie macht nun Männchen, wenn ein Goliath kommt. Ich hoffe wird sie eines Tages wieder zu einem David.

  • am 31.01.2022 um 11:09 Uhr
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    Ein Beitrag mit seinen begleitenden Meinungen der aufzeigt, wie, klar und einfach, Gewichtiges vermittelt werden kann. Danke!

  • am 1.02.2022 um 17:31 Uhr
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    Gewiss, «die brutalen Tatsachen» sind nüchtern einzubeziehen, wenn zum Nutzen der Bevölkerungen Friedenslösungen gesucht werden, denn erfolgreiche Diplomatie kann nicht nur Prinzipien folgen, sondern muss auch pragmatisch und flexibel bleiben, wie die Weltgeschichte an vielen Beispielen zeigt. In diesem Artikel bleibt der Aufruf aber zu einseitig dabei stehen. Parallel dazu muss ein unabhängiger Journalismus hartnäckig darauf bestehen, dass Einflusszonen völkerrechtswidrig sind, denn sie sind nichts anderes als das Recht des Stärkeren. Dass die USA dieses Recht des Stärkeren hemmungslos ausüben, muss nicht zum einfühlenden Verständnis für Russlands (oder Chinas) Recht des Stärkeren führen. Es ist doch paradox, dass die drei Staaten mit der stärksten Atomstreitmacht diejenigen sind, die permanent Rücksicht verlangen auf ihre Ängste. Es braucht Stimmen, die gegen jegliches Recht des Stärkeren Stellung nehmen – während flexibel verhandelt wird.
    Übrigens: Es ist erschreckend, dass ein Historiker wie Münkler sich im Biertisch-Jargon ausdrückt: DIE RUSSEN fühlen sich eingekreist. Unter meinen vielen Bekannten in Russland kenne ich keinen, der aus Angst vor Einkreisung nicht schlafen kann. Da gibt es ganz andere Ängste zu bewältigen, auch mitverursacht durch Putins Politik. Als Wissenschaftler und als Journalist ist man verpflichtet, präzis zu formulieren, ob man eine Regierung oder die Bevölkerung meint.

    • am 2.02.2022 um 05:40 Uhr
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      Auf ein «objektives Recht» zu pochen ist naiver Idealismus. Rechte werden gemacht und durchgesetzt durch jene, die die Macht dazu haben. Der Westen erfand vor 100 Jahren ein Völkerrecht, welches logischerweise der westlichen Kultur entspricht. Nun brechen die USA als Führungsmacht des Westens dieses Recht regelmässig und hemmungslos. Wenn der Gründer eines Rechtsystems sich selber nicht daran hält, so wäre jeder andere dumm, sich so einem System zu unterwerfen.
      Es geht ja nicht darum, Einflusssphären für Russland zu schaffen, sondern darum die Ausdehnung der US Einflusssphäre einzudämmen. Die USA stürzen hemmungslos Regierungen, welche sich gegen den Westen wehren, gerade auch in der Ukraine. Ich bin als Antiimperialist sehr froh, wehren sich Russland und China immer erfolgreicher gegen dieses Hegemoniestreben.

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