Neonazi_Cotosen

Eine Blouse aus dem Sortiment von Cotosen: In der Mitte das versteckte Hakenkreuz, links und rechts zwei stilisiert-versteckte Ziffern 8, die zusammen 88 ergeben: 88 heisst in der Symbolsprache der Neonazis "Heil Hitler" (H ist der achte Buchstabe im Alphabet). © Cotosen

So suchen und finden einander die Rechtsextremen und Neonazis

Christian Müller /  Selbst NZZ-Online-Leser werden mit Neonazi-Werbung konfrontiert. Die NZZ selber hat's noch nicht bemerkt und erlaubt's.

Da lese ich, wie so oft unterwegs im Ausland, die NZZ statt auf Papier einfach online, und ich freue mich zu lesen, dass meine ehemalige Kollegin Anne Keller Dubach jetzt Präsidentin der Zürcher Kunstgesellschaft und damit des Kunsthauses geworden ist.

Doch dann der Schock! Mitten im Text erscheint eine Anzeige für Kleider einer Versandhandelsfirma «Cotosen» aus den Niederlanden, deren Produkte an jene widerlichen Kleidungsstücke erinnern, die in Neonazi-Kreisen getragen werden. Und viele der Jacken und Hosen, die unter «Retro Outdor» oder «Tactical Style» angeboten werden, tragen die Ziffer 8. 

Screenshot aus NZZ online am 1. Juni 2021

Die Zahl 88 ist ein Emblem der Neonazis, denn der Buchstabe H ist der achte Buchstabe im Alphabet und 88 heisst also HH wie «Heil Hitler». Auch andere halbe Nazi-Symbole findet man auf diesen Kleidern von «Cotosen», halbe, weil die ganzen zum Beispiel in Deutschland verboten wären.

Was soll die auffällige Ziffer 8 auf diesen Kleidern von «Cotosen»?
Die Hälfte von 88?

Also starte ich bei der Firma «Cotosen» in den Niederlanden eine Medienanfrage, was denn die Ziffer auf ihren Kleidern zu bedeuten habe. Doch dort will man meine Frage nicht verstehen, und fragt auch beim zweiten Versuch nach der Bestellnummer, auf die sich meine Frage beziehe.

Also starte ich eine Medienanfrage beim Kundendienst der NZZ, ob sie damit einverstanden sind, dass in ihrer Online-Ausgabe für Neonazi-nahe Produkte Werbung gemacht wird. Die Antwort kommt von der Anzeigenabteilung Audienzz: Man könne keine Verbindung dieser Produkte zu Neonazi-Kreisen erkennen. 

Dass Kleidungsstücke und Tatoos mit Neonazi-Symbolen in der Ukraine an der Tagesordnung sind und auch in anderen mittelosteuropäischen Ländern angeboten werden, darüber hat Infosperber am 5. Januar 2020 informiert (hier anklicken). Aber in der Schweiz – und sogar in der NZZ? 

Rechtsextreme und Neonazis wissen die Verbote geschickt zu umgehen, indem sie z.B. nur die Hälfte eines Symbols zeigen, manchmal dafür zweimal, einfach nicht nebeneinander. Das zackige Doppel-S, das für die SS zu Hitler-Zeiten steht und zum Beispiel auch im Wappen des ukrainischen Bataillons Asov gezeigt wird (jener privat finanzierten Armee, in der – zwischenzeitlich mehrfach bestätigt – auch der weissrussische «Freiheitsheld» Roman Protasewitsch gedient hat), ist zum Beispiel in Deutschland verboten. «Cotosen» nimmt das Emblem einfach auseinander und zeigt die eine Hälfte am vorderen Ende des einen Jackenärmels und die andere Hälfte am vorderen Ende des anderen Jackenärmels, siehe das Bild aus dem Versand-Katalog:

Man beachte an den Enden der Ärmel die zackigen S, die nebeneinander
verboten wären.
Man beachte die Symbole Nr. 1 und 5, die an den Ärmelenden (Bild oben) gezeigt werden,
aber Nr. 5 gewollt halbiert und Nr. 1 leicht reduziert, aber für Szenen-Insider trotzdem
leicht erkennbar.

Oder aber die Symbole werden stark stilisiert. Man beachte das Aufmacherbild oben: Ein Shirt der Linie «Tactical» der Kleider-Versandhandelsfirma «Cotosen», für die auch die NZZ mitten in ihren Online-Texten Werbung macht: In der Mitte sieht man das Hakenkreuz, clever stilisiert, aber für Angehörige der Szene sofort erkennbar. Und links und rechts davon je eine stilisierte 8, zusammen also 88 oder eben «Heil Hitler».

Gut zu erkennen: In der Mitte das Hakenkreuz, links und rechts
je eine stilisierte 8, zusammen 88.

Im Ringier-Konzern hatten, damals unter dem legendären Direktionspräsidenten Heinrich Oswald, die Chefredaktoren das Recht, missliebige Anzeigen zu verbieten. Tempi passati. Heute sind in den Medien die Werbe-Verantwortlichen mächtiger als die Redaktionen. Aber vielleicht gibt es in der NZZ-Redaktion trotzdem noch einen Journalisten oder eine Journalistin, die wissen, was Hitler mit der SS und der SA im Zweiten Weltkrieg angerichtet hat. Da wäre dann eine Nachhilfestunde in Geschichte für die Anzeigen-Verantwortlichen kein Luxus. 

Wer gut hinschaut, sieht im Innern der Dreiecke einen dunklen Dreizack, der der Nr. 6 auf dem Bild
der Neonazi-Symbole entspricht.
Weitere Symbole der Rechtsextremen-Szene.
Die rot durchgestrichenen sind in Deutschland
absolut verboten, darunter nicht zuletzt das
leicht stilisierte SS, das bei «Cotosen» einfach
auf zwei Ärmel verteilt gezeigt wird.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Zum Autor Christian Müller deutsch und englisch.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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Menschenrechte

Genügend zu essen. Gut schlafen. Gesundheit. Grundschule. Keine Diskriminierung. Bewegungsfreiheit. Bürgerrechte

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Rechtsextreme in Europa

Arbeitslosigkeit, Immigration und zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich sind Nährboden für Extremismus.

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10 Meinungen

  • am 26.06.2021 um 11:17 Uhr
    Permalink

    «Der neue Faschismus wird nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Er wird sagen: Ich bin der Antifaschismus»
    sah der von den Faschisten verfolgte Emigrant Ignazio Silone unser Heute voraus.

  • am 26.06.2021 um 11:27 Uhr
    Permalink

    Provoziert durch diesen Beitrag, habe ich eine Mini-Internetrecherche gestartet. cotosen.com ist offenbar kein Produzent, sondern ein Verkäufer von Outdoor-Männerbekleidung. «Mehr als 140.000 Artikel auf Lager. Über 500 der besten Outdoor-Marken», sagt die Website. Zur «8». Wahrscheinlich bedeutet das «eightball» (urbandictionary.com: eighth of an ounce (3.5 grams) most commonly referring to coke) – cotosen.com vertreibt auch eine Art Siegelring mit dem gleichen Logo wie auf Hosen und Shirts https://www.cotosen.com/search/?words=8 (man vergleiche Bildersuche bei Google mit Suchbegriff «eightball») Es gibt auch eine Billardvariante Eightball. Das ist alles Macho und nicht besonders schlau. Aber man muss sich wirklich wahnsinnig anstrengen, will man Neonazitruppen dahinter sehen. Interessant der Schlenker zu den Neonazis, die offenbar die Ukraine beherrschen, und zu Protasewitsch. Beide haben mit dem Hauptthema des Beitrags eigentlich nichts zu tun.

  • am 26.06.2021 um 16:07 Uhr
    Permalink

    Wäre schön, wenn der Autor Ch. M. bei den Putin-Trolls auch so genau hinschauen würde wie bei seinen Entdeckungsrecherchen über mikroskopische Nazi-Symbole.

    • Christian Müller farbig x
      am 27.06.2021 um 12:30 Uhr
      Permalink

      @ Reinhard Meier: Über die negativen und problematischen Verhältnisse in Russland schreiben und reden Hunderte von Zeitungen und andere Medien noch so gerne und jeden Tag. «Infosperber sieht, was andere übersehen»: Um diesem Anspruch unserer Info-Plattform gerecht zu werden, schreibe ich eben über Männerbrust-grosse Neonazi-Embleme, die von der Öffentlichkeit – weil «mikroskopisch» klein – eben übersehen werden. Ch.M.

  • am 26.06.2021 um 20:59 Uhr
    Permalink

    Dass die NZZ auf dem rechten Auge blind ist, wissen wir eigentlich spätestens, seit René Scheu das Feuilleton zum rechten Propagandakanal umfunktioniert hat, wo jetzt Gesinnungsgenossen auf Kosten der seriösen Kulturberichterstattung den zehntausendsten Artikel gegen eine «linke Korrektheit» schreiben.

  • Portrait_Gnther_Wassenaar
    am 27.06.2021 um 12:14 Uhr
    Permalink

    Zu diesem Problem ist insbesondere eine Frage von besonderer Bedeutung. WAS ist Nationalsozialismus ? Da gab es eine «Bewegung» unter einem Herrn Hitler, der zur Macht kommen wollte. Er bediente sich dazu vieler Lügen und politischer Tricks. So nannte er seine Partei NSDAP – Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei !
    Kann mal Jemand wissenschaftlich untersuchen, was an diesen Worten Tatsache ist und was Lüge. Fakt ist, dass die deutschen Faschisten weder NATIONAL waren – sonst hätten sie ihr Land nicht total der Vernichtung hingegegeben – sie waren in keiner Phase SOZIALISTISCH – denn die ökonomische Macht hatte zu jeder Zeit das Großkapital und war auch Nutznießer des Krieges – und erst Recht, waren sie keine ARBEITERPARTEI !
    Welchen Grund soll es haben, diese LÜGEN von Verbrechern weiter zu verwenden? Da wird immer von NS-System, vom Nationalsozialismus etc. geredet – aber real waren es perfiede, perverse, verbrecherische Faschisten – und nichts anderes. Dass dieser Staat BRD, so wie die westliche «WERTE»-Gesellschaft, «NS» verwendet, ist mehrfach erklärbar. Zum Einen lenkt es davon ab, dass das Großkapital und auch viele aus dem Ausland, einschließlich den USA, mit Faschisten zusammen gearbeitet haben, sie finanziert und Groß gemacht haben. Es waren ja nur Nationalsozialisten – keine Faschisten. Zum Anderen stützt es den perfieden Trick, dem Sozialismus eine Nähe zum Faschismus zuzuweisen — und JEDER der dieses WORT «NS» weiter verwendet, stützt diese Politik!

  • am 27.06.2021 um 14:48 Uhr
    Permalink

    Man beachte übrigens die Ornamente der Einfassung der Beschriftungstafel «Bellevue» beim gleichnamigen Schloss in Berlin, dem Sitz des Bundespräsidenten. Auch ohne Lupe erkennt man dort 14 Hakenkreuze. Und in der Buchstabensuppe gibt es auch so manches zu entdecken …
    https://ais.rtl.de/masters/947968/1686×0/TG3JJHXRHJBAXMLAZTOTR6ZIDE.jpg

  • am 4.07.2021 um 18:31 Uhr
    Permalink

    Ich sehe das Problem nicht so krass, scheint mir alles etwas an den Haaren herbeigezogen. Dumm ja, aber gefährlich eher nicht.

  • am 5.07.2021 um 10:14 Uhr
    Permalink

    Bei den Kommentaren sehe ich viel Verharmlosen des. Das zeigt mir fehlende Geschichtskenntnis. Diese Verharmlosung führte auch zum. dritten Reich.

  • am 7.07.2021 um 08:58 Uhr
    Permalink

    @ Bernd Bartoll (Antwortbutton funktioniert leider nicht) – Es war nicht die «Verharmlosung», die zum Dritten Reich führte, sondern eine schreckliche Wirtschaftskrise. Die heutigen Rechtsextremen zeichnen sich vor allem aus durch Abwehrhaltung und Vergangenheitsnostalgie – sie repräsentieren keinesfalls einen «Aufbruch in eine neue Zeit», wie es damals wohl wahrgenommen wurde. Auf diese Unterschiede wird bei historischen Vergleichen nach meiner Auffassung zu wenig hingewiesen.

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