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Nach Ansicht des Presserats «nicht als Werbung erkennbar»: Gesundheits-Beilage der Sonntags-Zeitung. © tamedia.ch

Presserat bestätigt Infosperber-Kritik

Marco Diener /  Mitte März hatte Infosperber die Sonntags-Zeitung kritisiert, weil sie Werbung nicht deklariert. Der Presserat sieht es auch so.

mdb./upg. «Eine korrupte Zeitung schadet ihren Journalisten und ihren Lesern.» So lautete der Titel über einem Artikel auf Infosperber. Was war passiert? In der Sonntags-Zeitung hatte eine Gesundheits-Beilage mit wichtigen Themen gesteckt:

  • Korrekturen von Lippen mit chirurgischen Eingriffen und einer neuen Lasermethode;
  • Infusionen für Menschen, die an Hämophilie leiden;
  • verbreitete Hüftbeschwerden;
  • Tabletten gegen Magenbrennen, das viele Menschen beschäftigt;
  • HPV-Impfungen, -Nachholimpfungen und -Ergänzungsimpfungen für Jugendliche;
  • «Bioidentische» Hormone gegen Beschwerden während der Wechseljahre;
  • Allergiechecks bei Heuschnupfen;
  • Und schliesslich etwas für Männer: «Schütteres Haar? Muss nicht sein!»

Die Beilage sah aus wie der Rest der Zeitung. Doch wer gut recherchierte Beiträge erwartete, wurde enttäuscht. Denn unter den Artikeln stand in kleiner Schrift: «Eine Zusammenarbeit mit der Clinic Utoquai» oder «Eine Zusammenarbeit mit ibsw Winterthur» oder «Eine Zusammenarbeit mit Anova».

Über den Artikeln standen sogar die Namen der Autoren. Wer sich die Mühe nahm, stellte allerdings fest, dass es sich dabei nicht um Redaktionsmitglieder der Sonntags-Zeitung handelte, sondern um PR-Journalisten.

Und: Offensichtlich waren einige Artikel eine Gegenleistung für das Platzieren bezahlter Inserate. Gleich unterhalb des Artikels über «schmerzende Füsse, die weit verbreitet sind» («in Zusammenarbeit mit Anova») ist ein Inserat vom Schuhhersteller Anova platziert mit dem Titel «Alle wollen diesen Schuh».

Oder unterhalb des Artikels «Wenn der Magen wie Feuer brennt» über das Magenbrennen («Eine Zusammenarbeit mit Refluctan») prangt ein Inserat, das Refluctan bewirbt:

240317 SoZ Magenbrennen
Oben der redaktionell aufgemachte Artikel, der Refluctan empfiehlt. Gleich darunter das Inserat, das für Refluctan wirbt.

«Eine Deklaration fehlt»

Nachdem der Infosperber-Artikel erschienen war, gelangte die Konsumentenzeitschrift Saldo an den Presserat. Der Presserat wacht darüber, dass Medien journalistische Grundsätze einhalten. Sein Urteil: Für Leser sei «nicht klar, ob für Inhalte Geld geflossen ist. Eine Deklaration fehlt.» Die Richtlinien des Presserats verlangen eine klare Trennung von redaktionellem Inhalt und von Werbung. Dies sei bei der Sonntags-Zeitung nicht der Fall.

Wie Saldo berichtet, habe Tamedia die Beilage «versehentlich nicht als Verlagsbeilage gekennzeichnet». Doch auch das hätte dem Presserat nicht genügt: «Eine «Verlagsbeilage» sei «für Durchschnittsleser nicht als Werbung erkennbar».

Die Sonntags-Zeitung berichtete nicht über die Kritik des Presserats an ihrer Gesundheits-Beilage. Der Verlag Tamedia teilt dem Infosperber dazu mit: Der Presserat habe nichts auf seiner Website publiziert, sondern lediglich ein Statement an Saldo abgegeben. «Daraus ergibt sich keine Publikationspflicht.»

Auch die NZZ am Sonntag

Saldo legte dem Presserat auch eine Seite aus der NZZ am Sonntag mit der Überschrift «Verlagsserie: Zeit fürs Klima» und dem «Rolex»-Logo vor. Im Artikel ging es um ein «klimaneutrales Modelabel», das den «Rolex-Preis für Unternehmensgeist» bekommen hat.

Der Presserat findet auch hier: «Für Durchschnittsleser wird nicht klar, dass Rolex für diesen Beitrag bezahlt hat.» Wie viel Geld floss, ist unklar. Ein seitengrosses Inserat in der NZZ kostet um die 30’000 Franken.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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Eine Meinung zu

  • am 27.04.2024 um 20:28 Uhr
    Permalink

    Ich beschwerte mich an Redaktion Beobachter (15.12.2020) mailend:
    Beo 25/2020 Heftausgabe auf fünf Seiten 54-58 «Der Feuer-Apéro»
    1) finde ich PR/Werbung, erscheint aber wie ein Redaktioneller Artikel
    für
    1.1) kommerzielle Events/Bar/Kochkurse vor Ort.
    1.2) Verkauf des Buches der zwei Protagonisten im Artikel: Chris Bay, Monika Di Muro.
    1.3) Privatfirma-Website chillfood.ch (der zwei Inhaber Chris Bay, Monika Di Muro) am Artikel-Schluss.
    2) Ich sehe im Beobachter noch nicht einmal den (eh verhüllenden) Begriff «Publireportage».
    Feuerungs-/Grillier-Promotion finde ich schädlich:
    Ötzi (Gletschermumie, die 1991 im Südtiroler Anteil der Ötztaler Alpen gefunden wurde) war Nichtraucher, hatte aber «Raucherlunge» wegen offener Feuerstellen.
    Holzfeuer – gemäss meiner Quellen (…) – NICHT klimaneutral bzw. -freundlich.
    Link für Redaktion Infosperber:
    Beobachter Jubelbericht bereits am 8. Juni 2017:
    https://www.beobachter.ch/ernahrung/ernahrungsformen/cervelats-und-steaks-waren-gestern-40375

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