Sperberauge

Rivella rot bleibt Rivella süss

Marco Diener © zvg

Marco Diener /  Weniger Zucker in Süssgetränken – das hat Bundesrat Alain Berset kürzlich angekündigt. Schon jetzt ist klar, dass es nicht klappt.

Die Bevölkerung in der Schweiz konsumiere doppelt so viel Zucker wie die Weltgesundheitsorganisation empfehle, teilt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit (BLV) mit – nämlich durchschnittlich 100 Gramm oder 25 Würfelzucker pro Tag. Mehr als ein Drittel stammt dabei aus Getränken.

«Gute Nachrichten»

Das soll sich ändern. Sichtlich stolz verkündete Bundesrat Alain Berset deshalb Mitte Februar: «Immer mehr Lebensmittelhersteller und Detailhändler sind bereit, freiwillig den Zucker in ihren Lebensmitteln zu reduzieren. Das sind gute Nachrichten.»

Auch Rivella und Coca-Cola

16 Firmen hatten eben die «Erklärung von Mailand» betreffend «Erfrischungsgetränken» unterzeichnet – darunter Coca-Cola, Nestlé, Ramseier, Rivella, Aldi, Coop, Migros und Volg. Sie verpflichten sich damit, den Zuckergehalt ihrer Produkte bis Ende 2024 um zehn Prozent zu senken.

Doch schon am Tag der Unterzeichnung folgte die Ernüchterung. Rivella-Chef Erland Brügger teilte mit: «Das Rezept von Rivella rot zu ändern, ist nicht vorgesehen.»

Drei Ziele

Was nun? Ist es eine «gute Nachricht», wie Alain Berset sagt? Oder bleibt alles beim Alten, wie Erland Brügger ankündigt? Infosperber hat sich den «Anhang zur Zuckerreduktion in Erfrischungsgetränken», der die «Erklärung von Mailand» präzisiert, genau angeschaut. Definiert sind drei Ziele:

  1. Die Firmen senken den Zuckergehalt über die ganze Produktpalette um zehn Prozent.
  2. Sie senken den Zuckergehalt von bestehenden Produkten, die über dem Mittelwert von 8,3 Gramm pro 100 Milliliter liegen.
  3. Sie stellen nur neue Getränke her, die weniger als 8,3 Gramm Zucker enthalten.

Über 8,3 Gramm

Über dem Mittelwert von 8,3 Gramm liegen auch populäre Getränke wie Rivella rot oder das Original-Coca-Cola. Coca-Cola enthält 10,6 Gramm Zucker, Rivella rot 9,0 Gramm. Das heisst: Um das zweite Ziel zu erfüllen, müssten Coca-Cola und Rivella den Zuckergehalt senken.

Rivella rot Chronik Zucker Gehalt Erklärung von Mailand
Das Design hat Rivella geändert, der Zuckergehalt bleibt.

Rivella rot bleibt, wie es ist

Am Fernsehen SRF sagte Rivella-Chef Erland Brügger: «Wir könnten das, wenn wir möchten.» Aber die Kundschaft möge Rivella rot, so wie es sei. Und: «Wir sagen ja niemandem: Du musst das täglich trinken. Das ist im Prinzip eine freiwillige Geschichte.»

Nichts zu befürchten

Die Medienstelle von Rivella teilt auf Anfrage von Infosperber mit, die Firma habe den Zuckergehalt dank «der Einführung leichter Rivella-Sorten wie Rivella Refresh, Grapefruit und Schweizer Minze» gesenkt. Und: «Die ‹Erklärung von Mailand› ist auf das Gesamtsortiment ausgelegt und nicht auf einzelne Produkte.»

Das ist eine eigenwillige Interpretation des zweiten Punktes. Aber Rivella hat sowieso nichts zu befürchten. Der Bund behält sich lediglich vor, Firmen, «die keine glaubwürdigen Bestrebungen zur Reduktion von Zucker vorweisen können, von der ‹Erklärung von Mailand› auszuschliessen». Und auch die Firmen «können die Zusammenarbeit jederzeit ohne Angaben von Gründen beenden».

Und Coca-Cola? Der Süssgetränke-Hersteller lässt sich nicht in die Karten blicken. Er schreibt: «Aus wettbewerbstechnischen Gründen können wir zu den Rezepturen der einzelnen Produkte keine Angaben machen.»

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Keine
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6 Meinungen

  • am 10.03.2023 um 12:40 Uhr
    Permalink

    Gut so, dass Rivella und Coca Cola bei dieser staatlichen Bevormundung von uns Bürgern und Bürgerinnen nicht mitmacht. Ich entscheide immer noch gerne selber, was ich trinke und esse, dazu brauche ich keinen Berset.

    • Portrait Marco Diener.1 Kopie
      am 10.03.2023 um 19:14 Uhr
      Permalink

      Es geht hier nicht um staatliche Bevormundung. Es geht darum, dass Rivella die Erklärung von Mailand unterschreibt und gleichzeitig ankündigt, sich nicht daran zu halten.

  • am 10.03.2023 um 13:50 Uhr
    Permalink

    Die WHO ist auf Grund ihrer Corona-Strategie nicht wirklich glaubwürdig. Warum soll das bei Zuckergetränken besser sein. Ich trinke Coca-Cola gerade auch wegen des hohen Zuckergehaltes. Allerdings sollten Getränkehersteller nicht «Erklärungen von …» unterschreiben, wenn sie diese nicht einhalten wollen.

  • am 10.03.2023 um 13:53 Uhr
    Permalink

    Diskussion um Spitzenwerte Zucker und Salz in «Fertignahrung» seit Jahrzehnten. Vergeblich? Wenn die WHO täglich 50 Gramm Zucker (zusätzlich zu komplexen Kohlehydraten) empfiehlt, wenn nicht wenige sogar ein Mehrfaches konsumieren, wie nennt man das? Schwarmintelligenz? Ein Liter Biotta-Cassis 140 Gramm Kohlenhydrate (davon 130 Gramm reiner Zucker).
    https://www.ktipp.ch/artikel/artikeldetail/suessgetraenke-staatlich-verordneter-zuckerschock/
    Ich konsumiere einzig Wasser und Tee pur. Und – frische – Früchte. Leider sind viele Früchte gezüchtet für widernatürlich hohen Zuckergehalt.
    Vergleiche: Caloric Restriction with Optimal Nutrition (CRON) https://www.youtube.com/watch?v=MkuWE4QNuo0
    https://www.spektrum.de/magazin/laenger-leben-bei-karger-kost/822887
    Salz (Migros/Coop) etwa 14 bis 18 Gramm pro Kilo Brot. Wer salzfreies Brot in der Schweiz möchte, muss es selbst backen? In Deutschland ein Drittel Gramm Salz pro Kilo Brot: https://www.bahde.de/backwaren/nullprozent/nullprozent-kruste/

  • am 10.03.2023 um 16:52 Uhr
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    Rivella rot ist uns klar zu süss und für uns kaum trinkbar.
    Rivella Refresh (40% weniger Zucker = 5.2g) hingegen mundet uns sehr und wir staunen, dass es in vielen Restaurants immer noch nicht erhältlich ist.
    Doch mit kontinuierlichem Nachfragen wird das – so hoffen wir – bald ändern.

  • am 11.03.2023 um 13:10 Uhr
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    Ich trinke auswärts seit Jahren Rivella blau. Leider hält das nicht jede Gaststätte vor.
    Der Kernpunkt hier ist: Das Angebot fördert die Nachfrage. Deshalb müssten die Hersteller (von Auto bis Getränken) staatlich in die Pflicht genommen werden. Nachfrage entsteht dann, wenn etwas angeboten wird (Ausnahmen: Wohnung, Grundnahrungsmittel, Energie).

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