Corona PCR Teststation Auto

«Als Ärzte haben wir gelernt, dass wir immer den kranken Patienten behandeln sollen», sagt Franz Allerberger. Während der Pandemie wurden aber reihenweise gesunde Menschen zu «Corona-Positiven». © alexraths / Depositphotos

«Die WHO könnte jährlich eine Pandemie ausrufen» (1)

Martina Frei /  Der grösste Fehler in der Pandemie war die Falldefinition der WHO, sagt der international ausgewiesene Fachmann Franz Allerberger.

Die österreichische Regierung hat letzten Mittwoch angekündigt, dass bis zum Sommer alle Corona-Regeln aufgehoben werden sollen. Ab 30. Juni wird in Österreich wieder überall «Normalbetrieb» herrschen – Zeit für einen Rückblick mit «Österreichs oberstem Virendetektiv». So wurde Franz Allerberger in den Medien bezeichnet. In einem vierteiligen Interview zieht der international anerkannte Professor für Infektiologie, Hygiene und Mikrobiologie eine Bilanz nach drei Jahren Corona-Pandemie.

Allerberger leitete bis zu seiner Pensionierung Ende August 2021 den Bereich öffentliche Gesundheit der staatlichen Agentur «AGES». Sie ist in Österreich für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung zuständig. Während der Pandemie veröffentlichte sie eine aufschlussreiche Übersicht, wo sich die Menschen mit dem Coronavirus angesteckt hatten. Früher als andere Behörden präsentierte die AGES auch ein übersichtliches Dashboard zum Infektionsgeschehen. 



Herr Professor Allerberger, Sie gehörten zur Coronavirus-Taskforce des österreichischen Gesundheitsministeriums, zur österreichischen «Ampelkommission», einem ministerienübergreifenden Beratergremium und zum Fachbeirat der Europäischen Gesundheitsbehörde ECDC. Was war aus Ihrer Sicht der grösste Fehler in dieser Pandemie?

Das war die Definition der WHO, was als «bestätigter Corona-Fall» zu gelten hatte: Jeder, der einen positiven PCR-Test hatte, wurde als Sars-CoV-2-Fall gezählt, unabhängig davon, ob Krankheitssymptome vorhanden waren oder nicht. Das war eine völlig neue, unsinnige Falldefinition, so etwas gab es früher nie.

Was war daran «unsinnig»?

Als Ärzte haben wir gelernt, dass wir immer den kranken Patienten behandeln sollen und nicht sein Laborblatt. Aber am 16. Dezember 2020 änderte die WHO die Kriterien, was als «gesicherter» Sars-CoV-2-Fall gilt. Massgebend ist seither nicht mehr, ob jemand Krankheitssymptome hat, sondern der «positive Test». Diese Vorgabe war für die Länder bindend. In Österreich beispielsweise galt noch im April 2022 die Definition, dass Covid «anhand des positiven Tests, unabhängig von der Symptomatik» diagnostiziert wird. Der springende Punkt ist, dass wir als Ärzte in diesem Fall verpflichtet sind, einen positiven Laborbefund ohne klinische Symptome als Fall, als meldepflichtige Erkrankung zu werten.

Welche Folgen hatte das?

Damit wurden all die Infektionszahlen und auch die Ländervergleiche hanebüchen. Denn Länder, die Sie sich keine PCR-Tests leisten konnten, hatten damit automatisch weniger Infektionsfälle. Nehmen Sie das Beispiel des armen indischen Bundesstaats Bihar. Er konnte sich weder einen Lockdown noch FFP2-Masken noch viele Tests leisten – also gab es dort auch kaum Covid-Fälle.

Aber auch dort erkrankten doch Menschen an Covid?

Bihar hat über 100 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Bisher gab es dort angeblich etwa 851’000 Sars-CoV-2-Infizierte. In Wien, einer Stadt mit 1,9 Millionen Menschen, hatten wir bis jetzt über 1,3 Millionen positiv Getestete – trotz Lockdown, trotz FFP2-Masken auch jetzt noch im ÖV, trotz lange geschlossener Restaurants. Kein Mensch kann mir erklären, warum die Stadt Wien mehr Corona-Fälle haben sollte als Bihar mit über 100 Millionen Einwohnern. Der springende Punkt ist der PCR-Test: Wer sich den nicht leisten kann, hat auch kein Covid – jedenfalls solange die WHO an ihrer Definition der «Fälle» festhält.

Zur Person

Professor Dr. med. Franz Allerberger
Franz Allerberger

Professor Dr. med. Franz Allerberger (66) ist ein international anerkannter Facharzt für Infektiologie, Hygiene und Mikrobiologie. Von 2003 bis 2021 leitete er den Bereich Öffentliche Gesundheit der staatlichen österreichischen Gesundheitsagentur AGES. Allerberger gehörte zum Beraterstab – der Coronavirus-Taskforce – des österreichischen Gesundheitsministeriums. Dort sprach er sich gegen Schulschliessungen aus und warnte vor den damit verbundenen Folgen. Von 2005 bis 2021 war er Mitglied des Fachbeirats der europäischen Gesundheitsbehörde ECDC. Dort zählte er zu jenem Drittel der Fachleute, die im Februar 2020 zur Überzeugung kamen, dass Sars-CoV-2 nicht so tödlich sei wie von manchen Modellierern prophezeit. Der Public-Health-Experte lehrt an der Medizinischen Universität Innsbruck und war zudem als Gutachter oder Mitherausgeber von über drei Dutzend Fachzeitschriften tätig. Er hat sich insgesamt sechs Mal gegen Covid impfen lassen, weil es Probleme mit dem Übertragen seiner Impfdaten in die App gab.

Bis einschliesslich des dritten Quartals 2022 haben die Steuerzahlerinnen und -zahler in der Schweiz rund 2,5 Milliarden Franken für diese PCR-Tests bezahlt. Anhand der Resultate wurden bei uns lange Zeit Massnahmen wie Maskenpflicht oder Einschränkungen der Bewegungsfreiheit begründet. Welches andere Kriterium wäre zweckmässiger gewesen?

Die Anzahl Erkrankter, vor allem die Anzahl von Intensivpflege-pflichtigen Krankheitsverläufen, nicht die Anzahl positiver PCR-Testergebnisse. 

Was würden Sie raten?

Wir sollten uns auf die Kranken konzentrieren, nicht auf die «PCR-Positiven». Auch jedes Virus-Isolat zu sequenzieren, um neue Varianten zu erkennen, verschlingt Unsummen und bringt keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn, gegenüber zum Beispiel der routinemässigen Sequenzierung von wenigen Sentinel-Isolaten von Intensivpatienten oder aus Kläranlagen. Da geht es auch um viel Geld, das letztlich woanders fehlt. Es gibt noch viele andere Krankheitserreger, die Sars-CoV-2 in nichts nachstehen.

Warum hat die WHO die Falldefinition geändert?

Das beruhte auf einer Fehlentscheidung im Frühjahr 2020 mit der Absicht, das angebliche «Killer-Virus» auszurotten.

Bei Sars-CoV-1 und bei den Pocken hat das doch auch geklappt. 

Bei den Pocken hat es aber fast zwei Jahrhunderte gedauert. Aus Furcht vor einem Biowaffeneinsatz im Irak-Krieg wurden im Jahr 2003 in verschiedenen Ländern insgesamt 35’000 Pockenimpfungen verabreicht. Laut Packungsbeilage stirbt dabei einer von einer Million Pocken-geimpfter Menschen. Tatsächlich kam es aber zu drei impfbedingten Todesfällen, plus einem weiteren, indirekten Todesfall durch Ansteckung eines Familienmitglieds. Bei jedem möglichen Wiederaufflackern müssten wir diesen Preis in Kauf nehmen. Das ist bei einer so gefährlichen Krankheit wie den Pocken sinnvoll, aber bei einer Krankheit wie Covid, die für grosse Teile der Bevölkerung keine Gefahr darstellt, muss man Nutzen und Risiko abwägen.

Und Sars-CoV-1?

Da vermute ich eher, dass es von selbst wieder von der Bildfläche verschwand, wie viele andere Krankheiten zum Beispiel der «Englische Schweiss», von dem wir heute noch nicht wissen, wodurch diese schwere Erkrankung verursacht wurde. Wir haben oft keine Erklärung dafür, warum manche Krankheiten aufs Mal weniger Probleme bereiten. Nehmen Sie das Beispiel von Archibald Cochrane, den Vater der evidenz-basierten Medizin.

Der Arzt, nach dem die bekannte wissenschaftliche Cochrane-Vereinigung benannt ist?

Genau. Im Zweiten Weltkrieg geriet Cochrane in deutsche Gefangenschaft. In dem Gefangenenlager auf Kreta brach die Diphtherie aus. Cochrane hielt die Diphtherie aufgrund seiner Studienzeit in England für eine höchst gefährliche Erkrankung. Er erwartete, dass hunderte von Gefangenen in dem Lager daran sterben würden. Tatsächlich starben vier – drei davon durch Schussverletzungen. Das Beispiel zeigt: Wie schlimm Krankheiten sind und unsere Vorstellungen davon – das stimmt 100 Jahre später oft nicht mehr mit der Erstansicht überein.

Vor 2005 beschrieb die WHO eine Pandemie als mehrere gleichzeitige Ausbrüche weltweit mit vielen Todesfällen und schweren Erkrankungen in mindestens einer Bevölkerungsgruppe. Später spielte es zum Ausrufen einer Pandemie keine Rolle mehr, ob es zu vielen schweren Erkrankungen kommt. Welche Folgen hatte diese Änderung der Definition?

Seit 2005 kann jedes neue Virus zur Pandemie erklärt werden, weil die Definition so gewählt wurde. Die WHO definiert eine Pandemie als eine Situation, in der die gesamte Weltbevölkerung potenziell einem Erreger ausgesetzt ist und das Risiko besteht, dass «ein Teil von ihr erkrankt». Die Allgemeinbevölkerung versteht unter einer Pandemie aber etwas anderes, nämlich, dass viele Menschen sterben. Solche Widersprüche tragen zur babylonischen Sprachverwirrung bei.

Also könnte die WHO mit ihrer Definition jährlich eine Pandemie ausrufen?

Ja. Die WHO-Epidemiologin Maria van Kerkhove sagte 2021: «Wir arbeiten daran, bis es vorbei ist» – damit meinte sie diese Pandemie. Und dann hat sie angefügt: «Und dann kommt unglücklicherweise wahrscheinlich etwas anderes».

China hat kürzlich erklärt, dass dort nur Personen, die an den typischen Covid-Lungenentzündungen sterben, als «Covid-Tote» gezählt werden. Beschönigt das Land so seine Covid-Statistik?

Solange die Definition der WHO gilt, der zufolge allein der positive PCR-Test als Nachweis genügt, ist es schwierig zu sagen, was genau als Covid-Todesfall gilt und was nicht. Das, was am Ende einer Pandemie zählt, ist nicht die Anzahl der positiven Tests, sondern wie viele Menschen mehr gestorben sind als sonst.

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Teil 2 dieses Interviews hier klicken, Teil 3 hier klicken, Teil 4 hier klicken.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

Coronavirus_1

Coronavirus: Information statt Panik

Covid-19 fordert Behörden und Medien heraus. Infosperber filtert Wichtiges heraus.

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9 Meinungen

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 4.02.2023 um 14:01 Uhr
    Permalink

    Besten Dank für diese Klarstellung. Perzeption ist oft wichtiger als die betroffene Realität. Das dürfte wohl auf allen Administrationsstufen zutreffen.

  • am 4.02.2023 um 14:43 Uhr
    Permalink

    Die Neudefinition der WHO, gemäss welcher schon die grosse Verbreitung eines Erregers zur Ausrufung einer Pandemie führen kann, auch wenn dieser Erreger eher harmlos ist, zeugt von grosser Inkompetenz. Gerade in Kombination mit modernen Analyseverfahren wie PCR könnte das zu grotesken Situationen führen. Denn bei harmloseren Erregern hat man ja bisher (mit gutem Grund) keine breit angelegten Untersuchungen gemacht. Wer weiss, was da noch alles zutage treten könnte, wenn man bloss genügend genau hinschauen würde!

  • am 5.02.2023 um 09:12 Uhr
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    Entscheidend ist doch, wie die Staaten mit der von der WHO ausgerufenen Pandemie umgehen. Das Beispiel von Schweden zeigt, dass es auch anderst geht.
    Die Politik hat versagt unter den Druck der Medien. Ja sogar die Medien benutz, absichtlich das Volk zu täuschen. (Corona-Leaks).

    • Portrait Martina Frei 2023
      am 5.02.2023 um 11:10 Uhr
      Permalink

      @Hrn Luongo: Die Frage ist, ob das Beispiel Schweden unter dem geplanten WHO-Vertrag zur Pandemieprävention und ‑vorsorge weiterhin möglich wäre. Kritiker des Vertrags befürchten, dass er rechtlich so bindend wird, dass dann die WHO bestimmen könnte, welche Massnahmen die Länder zu ergreifen hätten.

      • am 5.02.2023 um 16:51 Uhr
        Permalink

        Vielen Dank für diesen Link dazu. Sehr interessant zu lesen.

  • am 6.02.2023 um 10:21 Uhr
    Permalink

    Was können wir, was kann die Schweiz tun, wenn die WHO unangebrachte/unbrauchbare Definitionen aufstellt?
    Bleibt nur austreten?

  • am 6.02.2023 um 10:40 Uhr
    Permalink

    Auf dieses Interview habe ich lange gewartet – ich hatte die feste Hoffnung, dass Allerberger sich irgendwann wieder melden würde. Er war neben Martin Sprenger und Andreas Sönnichsen einer der ersten, die sich gegen die Eigenartigkeiten bei der Ausrufung der Pandemie ausgesprochen hatten. Es stand schon ganz zu Beginn auf der Website der AGES, dass ein «Fall» = «pos. Testergebnis» (ungeachtet des ct-Wertes) sei und als solche in der Statistik geführt würde, während ein «Genesener» einen «neg. Test» mit einem ct-Wert über 30 benötige – das irritierte mich sofort: wieso wird jmd. ohne weitere Diagnostik den Kranken zugeschlagen, während ein «Fall» einen Schwellenwert braucht, um als gesund zu gelten?

  • am 6.02.2023 um 11:54 Uhr
    Permalink

    Das ist nun wirklich nichts neues. Vor Corona war ein Fall eine Erkrankung, mit Corona wurde eine Virusmenge welche die technische Nachweisgrenze erreichte zum «Fall». Weite wurde vor Corona ein Krebskranker der mit Gripoe starb als Krebstoter gezählt. Mit Corona wurde es umgekehrt gehandhabt. Aufzählen weiterer systematischer Verfälschungen würden den Kommentarraum sprengen.

  • am 6.02.2023 um 16:22 Uhr
    Permalink

    Der Gedanke, dass die WHO jährlich eine Pandemie ausrufen könnte, ist mir schon nach einigen Wochen Corona-Massnahmen gekommen.
    Schnell mutierende Viren sind ein unerschöpflicher Quell für Panikmache und den Befehl zum weltweiten Gleichschritt. Und natürlich eine Lizenz zum Gelddrucken für die Pharma.
    Demokratie gekreuzt mit Gesundheitsdiktatur, mal was Neues auf dem Erdenrund.

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