Karikatur von Caro zum Westast in Biel

Caro, die Karikaturistin des «Bieler Tagblatt», warnt vor den jüngsten Autobahnplänen: Die Opposition wird von den StadtpräsidentInnen von Biel und Nidau überfahren. © Caro / Bieler Tagblatt

Autobahnbau: Das Bieler Westastmonster ist zurück

Catherine Duttweiler /  Vor einem Jahr wurde die Stadtautobahn aufgegeben. Doch schon wird am nächsten Projekt gewerkelt – mit Hilfe des ehrgeizigen Stapi.

Red. – In einem Dialogprozess einigten sich Behörden, Befürworter und Gegner des Autobahnbaus in Biel auf das weitere Vorgehen. Catherine Duttweiler, die Autorin dieses Beitrags, war Sprecherin der 15 westastkritischen Organisationen. Seit Mai 2021 vertritt sie das Komitee «Westast so nicht!» in der Reflexionsgruppe, welche die Umsetzung der Empfehlungen sicher stellen soll.

Die Verkehrsampel im Entrée zur «Arena» zum Bieler Dialogprozess stand letzte Woche auf rot – besser hätten die Behörden die schleppende Umsetzung der Empfehlungen aus dem Westastdialog nicht symbolisieren können. Fast ein Jahr nach Abschluss haben sie erst eine von rund 60 Empfehlungen umgesetzt, die markante Verbesserungen für alle Mobilitätsformen in der ganzen Region bringen sollten. 

Dabei hatte der Bieler Prozess für viele Vorbildcharakter: Noch nie zuvor war eine fertig geplante Nationalstrasse in der Schweiz durch eine Bürgerbewegung verhindert worden. Die 60-köpfige Dialoggruppe hatte mit 93 Prozent Ja-Stimmen den Schlussbericht verabschiedet – und damit die zerstörerischen Autobahnpläne aus den 60er-Jahren versenkt. Das Projekt sorgte für landesweite Schlagzeilen.  

Eine lange Leidensgeschichte

Das Konzept fürs Schweizer Nationalstrassennetz stammt aus den 60er-Jahren. Eine der letzten Lücken besteht in Biel, wo die N5 aus Bern vor den Toren der Stadt endet und als Nationalstrasse dritter Klasse mitten durch die idyllischen Weindörfer am Bielersee führt. Pläne von Bund und Kanton waren in den letzten Jahren immer wieder an Geografie und regionalem Widerstand gescheitert. 2018 demonstrierten 5’000 Personen gegen den Autobahn-Westast mit den beiden offenen, je 270 Meter langen Autobahnanschlüssen im Stadtzentrum. Es kam zu Hunderten von Einsprachen gegen die Autobahn, die mitten durchs Grundwasser geführt hätte und die teuerste Nationalstrasse der Schweiz geworden wäre, mit Kosten von mindestens 2,2 Milliarden Franken und Unterhaltskosten von 43 Millionen Franken pro Jahr.

Ein viel beachteter Dialogprozess zwischen Autobahnbefürwortern, -gegnern und Behörden sorgte im Dezember 2020 für eine breit abgestützte Lösung der Kontroverse: Nach zwei Jahren einigten sich die 30 involvierten Gruppen und Gemeinden auf den Verzicht auf den Westast und verabschiedeten weitere 59 Empfehlungen zur Verbesserung von Lebensqualität und Verkehrsführung in der Stadt. Eine übergeordnete Projektorganisation unter Leitung des Bieler Stadtpräsidenten soll nun diese Empfehlungen umsetzen, hat aber im ersten Jahr kaum Fortschritte erzielt und verfolgt im stillen Kämmerlein eigene Ziele. 

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Akteneinsicht enthüllt neue Pläne

Doch jetzt zeigt sich anhand unveröffentlichter Protokolle, die Infosperber dank des Öffentlichkeitsgesetzes einsehen konnte: Politik und Behörden – allen voran der Berner Regierungsrat Christoph Neuhaus (SVP) sowie die Stapis Erich Fehr (SP, Biel) und Sandra Hess (FDP, Nidau) – sind nicht gewillt, die weiteren Empfehlungen loyal umzusetzen. Sie streiten um Kompetenzen und Finanzen und sie planen mit ihren Verwaltungen bereits eine neue Westumfahrung – samt innerstädtischem Anschluss. Ihr Vorgehen verstösst gleich mehrfach gegen die breit abgestützten Empfehlungen aus dem Dialogprozess, und damit wiederholt sich die Geschichte aus der Ära Stöckli: Es drohen erneut Leerläufe und teure Fehlplanungen, weil das Volk übergangen wird.

Dabei hatte die Dialoggruppe einen logischen und pragmatischen Plan verabschiedet. Die rund 60 Empfehlungen aus dem Dialogprozess sollten schrittweise umgesetzt werden: 

  • Zuerst dringende kurz- und mittelfristige Massnahmen wie ein Transitverbot für den Schwerverkehr, eine schnelle ÖV-Verbindung und sichere Velowege, welche die Lebensqualität und Mobilität in der Region verbessern.
  • Parallel dazu ein zeitgemässes Verkehrsmonitoring mit Wegtracking, das nicht einfach Autos an einzelnen Stellen zählt wie bisher, sondern alle Verkehrsflüsse in der ganzen Region qualitativ analysiert: Was ist hausgemacht, was ist Transit- oder Pendlerverkehr? 
  • Erst wenn die kurz- und mittelfristigen Massnahmen ausgeschöpft und durchs Verkehrsmonitoring optimiert worden sind, so die einhellige Empfehlung, sollte ein Entscheid gefällt werden, ob es längerfristig überhaupt eine weitere Autobahn rund um Biel braucht, wo diese durch führen soll – und wo allfällige Anschlüsse gebaut würden. Lediglich erste Machbarkeitsstudien sollten rasch angeschoben werden.
  • Alternativ soll die bestehende Nationalstrasse 3. Klasse so umgestaltet werden, dass sie für den Fuss- und Veloverkehr verträglicher wird. Denn der Streckenabschnitt von Ost nach West entlang dem Bielersee hat zurzeit mit rund 14’000 Fahrten pro Tag deutlich weniger Verkehr als etwa die Ortsdurchfahrt von Köniz. Nur zu Spitzenzeiten morgens, abends und bei schönem Sonntagswetter bilden sich manchmal Kolonnen mit stockendem Verkehr – während etwa einer halben Stunde. Ein Stau sieht anders aus!

Ein Blick in die 17 Protokolle der bisher geheim gehaltenen Sitzungen von Behördendelegation und Projektkommission (PKO) in diesem Jahr zeigt nun: Die Behörden halten sich nicht ans empfohlene Vorgehen und stellen dieses auf den Kopf. Noch bevor sie das neue Monitoring aufgebaut und erste Massnahmen angepackt, geschweige denn umgesetzt haben, haben sie bereits den Vorentscheid für die langfristig zu realisierende Autobahnvariante gefällt. Konkret wollen sie weder die Seelandtangente näher prüfen, welche die Stadt Biel grossräumig umfahren würde und von Fachleuten seit Jahrzehnten gefordert wird, noch wollen sie die Tunnelvariante «Westast so besser» ohne Stadtanschlüsse weiterverfolgen: Sie arbeiten derzeit einzig am Juratunnel. Von den 15 Hauptempfehlungen haben sie nur eine – den Verzicht auf den Westast – umgesetzt. 

Infosperber schafft dank des Öffentlichkeitsgesetzes Transparenz

Die Einsicht in die Protokolle im Amt für Nationalstrassen des bernischen Tiefbauamtes war nur unter erschwerten Bedingungen möglich: Unter Aufsicht und der Auflage, es sei «keine Abgabe von Kopien der Unterlagen möglich, Bildaufnahmen sind nicht gestattet». Ebenso dürften «Aussagen aus den Protokollen nicht veröffentlicht werden». Auf Empfehlung eines Spezialisten fürs Öffentlichkeitsgesetz schafft Infosperber hiermit dennoch Transparenz. Das Komitee «Westast so nicht!» hatte seit dem 10. Mai 2021 mehrfach schriftlich und mündlich Einsicht verlangt, bis Gemeindepräsident Erich Fehr Ende September endlich völlig neue, nicht aussagekräftige Dokumente erstellen und vorlegen liess, welche keine 10 Prozent der Unterlagen enthielten. Dank des Öffentlichkeitsgesetzes konnte Infosperber nun einen Teil, aber nach wie vor nicht alle geforderten Unterlagen einsehen. Hintergrundgespräche haben die Recherche dieses Artikels ergänzt.

Stadtanschluss und offene Streckenführung am See

So schreibt die PKO Mitte Mai in ihrer «Ablaufplanung 2021-2022» zuhanden der verantwortlichen Behördendelegation, de facto bleibe aus Sicht des Kantons nur der Juratunnel respektive ein Fächer von Untervarianten übrig. Sachwidrig fordert sie einen innerstädtischen Anschluss als Folge des Dialogprozess und empfiehlt «fünf Handlungsstränge». Die Behördenvertreter verabschiedeten daraufhin schon am 20. Mai 2021 auf Antrag von Erich Fehr eine entsprechende Planung, die nur eine Langfristvariante Juratunnel vorsieht – und keine drei Monate später präsentierte Verkehrsexperte Fritz Kobi bereits einen konkreten Vorgehensplan, den die Kommission aus Zeitknappheit statt mit dem ganzen Gremium nur mit Fehr bespricht.

Immerhin: Auf Antrag von Kantonsingenieur Stefan Studer soll das ganze linke Bielerseeufer in die Planung einbezogen werden, eine alte Forderung der westastkritischen Bewegung, welche von Neuhaus und Fehr stets zurückgewiesen wurde. Denn Studer sieht sich in Twann mit dem Widerstand der Bevölkerung gegen einen weiteren Autobahntunnel mit Portal mitten in der geschützten Rebenlandschaft konfrontiert: Ein Drittel der Bevölkerung hat dort innert Kürze eine Gemeindeinitiative unterschrieben. 

Allerdings werden im noch nicht verabschiedeten Vorgehensplan als einzige «denkbare langfristige Lösung» der Jura- und der Vingelztunnel visualisiert, mit einer offenen Autobahnstrecke am Seeufer von Alfermée über Tüscherz bis  Wingreis – und mit einem innerstädtischen Anschluss in der Bieler Seevorstadt. Letzteres sei ein «Ergebnis aus dem Dialogprozess» heisst es fälschlicherweise weiter. Dabei hatte Fehr persönlich an der letzten Kerngruppensitzung vom 12. November 2020 protokollieren lassen, dass es einen Konsens gebe, wonach im Kernbereich Biels «keine klassischen Anschlüsse» vorgesehen seien. Ein solcher Anschluss in einem Wohnquartier beim See wäre nämlich schlicht überflüssig. Das Komitee «Westast so nicht!» hatte schon Anfang 2019 mit einem «Städtevergleich» nachgewiesen, dass nur die Agglomeration Zürich über zehn Autobahnanschlüsse verfügt – so viele wie in der Kleinstadt Biel geplant waren (siehe unten). Jetzt planen die Behörden neuerdings mit neun Anschlüssen. Der Vorgehensplan soll im Dezember der Reflexionsgruppe vorgelegt werden. 

Besonders kurios ist die Rolle des Stadtpräsidenten. Fehr war im Dialogprozess an allen Sitzungen persönlich anwesend und hält auch jetzt alle Fäden in der Hand: Er präsidiert die Behördendelegation, hat seine obersten Kader in die Projektkommission entsandt, präsentierte deren Jahresplanung persönlich in der Behördendelegation und ist überdies Co-Leiter der «Reflexionsgruppe», die aus den am Dialogprozess beteiligten Organisationen besteht. Zwar hatten die westastkritischen Organisationen verlangt, dass wie im Schlussbericht empfohlen eine unabhängige Begleitgruppe eingesetzt wird, welche sicher stellt, dass die Empfehlungen aus dem eine Million Franken teuren Dialogprozess auch korrekt umgesetzt werden. Vergeblich. 

Stadtpräsident ignoriert Kritik und Anregungen

Das rächt sich nun. Der Stadtpräsident hat die Begleitgruppe erst zweimal zu einer Sitzung geladen, informierte dabei höchst selektiv, ignorierte Kritik wie Anregungen – und behauptete stattdessen gegenüber der Behördendelegation, er habe alles im Griff: In der Begleitgruppe seien «keine grossen Diskussionen entstanden», ist in den Protokollen nachzulesen – obwohl Fehrs Vorgehen in über einem Dutzend Punkten kritisiert und TCS-Verwaltungsrat Peter Bohnenblust mehrfach laut wurde. Als Mitglieder der Reflexionsgruppe aufgrund einer Grafik an beiden Sitzungen mehrfach die Befürchtung äusserten, man habe sich hinter den Kulissen bereits auf den Juratunnel geeinigt, beschwichtigte Fehr: Es sei noch rein gar nichts entschieden. 

Tatsächlich geht aus der jetzt publik gewordenen, offiziellen Ablaufplanung 2021-2022 zweifelsfrei hervor: Die Behörden arbeiten nur am Juratunnel und wollen die Reflexionsgruppe erst einbeziehen, nachdem sie in Expertenworkshops die Weichen gestellt und den «Variantenfächer» für den Juratunnel auf wenige Untervarianten reduziert haben; eine Zweckmässigkeitsbeurteilung soll laut den Dokumenten ausschliesslich für den Juratunnel erstellt werden, was ebenfalls im Widerspruch zu den Empfehlungen steht.

Und auch in weiteren Fragen flunkern die Behörden: Als die Begleitgruppe kritisierte, dass die ursprünglich vorgesehenen Projektteams für ein Gesamtverkehrskonzept («Koordinierte Gesamtsicht») und für den Städtebau aus dem Organigramm verschwunden seien und nur noch Strassenbauprojekte verfolgt würden, erklärte Stadtpräsident Fehr, dies sei falsch: In den Unterlagen sei nur ein Ausschnitt des Organigramms abgebildet. Die Protokolle zeigen nun, dass die beiden Projektteams gar nie eingesetzt wurden.  

Schlechte Erinnerungen an Stöcklis Königreich

Doyens, die seit 15 Jahren im Westast-Widerstand aktiv sind, erleben ein Déjà-vu. Denn Fehrs Vorgänger Hans Stöckli war in vielen Punkten ähnlich intransparent vorgegangen: 

  • Die Arbeitsgruppe Stöckli – das Pendant zur heutigen Reflexionsgruppe – fungierte nur als Alibigremium: Umfangreiche Unterlagen wurden erst kurz vor der Sitzung verschickt, Kritik und Alternativvorschläge wurden zwar protokolliert, aber nicht umgesetzt, die Protokolle waren einseitig – genau wie jetzt bei der Reflexionsgruppe.
  • Die Entscheidungen sind nicht transparent. Zu spät merkten die Westastkritiker vor über zehn Jahren, dass die Experten klammheimlich die geforderte Variante «Null+» gestrichen hatten; auch eine Variante ohne Stadtanschlüsse wurde von vornherein ausgeschlossen – genau wie jetzt die Seelandtangente und «Westast so besser». Auch für Mitglieder der Behördendelegation ist heute unklar, wer die Fäden zieht.
  • Besonders pikant: Auch Hans Stöckli war damals auf dem Sprung nach Bern, als er die Bieler Verkehrsprobleme lösen sollte; kurz bevor herauskam, dass die Anschlüsse offen gebaut werden sollten, verabschiedete er sich in den Nationalrat – und äusserte sich fortan nicht mehr zum brisanten Dossier. Jetzt kandidiert sein Nachfolger Erich Fehr für den Berner Regierungsrat – und würde einen Scherbenhaufen zurücklassen. 

Manche erklären sich Fehrs intransparenten Schleuderkurs denn auch mit seinen politischen Ambitionen. Zu Beginn des Dialogs hatten die beiden gegnerischen Lager festgestellt, dass der agile Stadtpräsident beide Seiten im Glauben liess, er sei ganz auf ihrer Seite. Vor allem die Westastbefürworter wurden auf dem falschen Fuss erwischt, als Fehr im Sommer 2020 kurz vor den städtischen Wahlen plötzlich offiziell auf die Seite der Westastgegner schwenkte, die im rotgrünen Biel besser verankert sind. Wie nun ebenfalls aus den Unterlagen der Behördendelegation hervorgeht, haben die drei regionalen Wirtschaftsverbände am 5. Februar 2021 Fehr als Präsidenten der Behördendelegation in einem Schreiben aufgefordert, «rasch die Planung einer neuen Umfahrung an die Hand zu nehmen und eine effiziente Arbeitsweise anzustreben». Dieser Forderung ist Fehr eilfertig nachgekommen – und wird dafür neu als Gastredner an TCS-Anlässen hofiert. 

Fehrs Ambitionen prägen den Slalomkurs

Das Kalkül könnte Folgendes sein: Will Fehr im Frühling in den Regierungsrat gewählt werden, braucht er auch Stimmen aus Wirtschaft und Autolobby. So setzt er sich nun nach einer neuerlichen Kehrtwende hinter den Kulissen für eine Autobahnlösung ein – und versucht zugleich, die Offenlegung der Protokolle zu verhindern, damit er für beide Lager wählbar bleibt. Ein weiterer Vorfall illustriert Fehrs lavierende Haltung: Als Christoph Neuhaus’ Tiefbauamt Anfang Jahr alle zivilgesellschaftlichen Organisationen wie «Biel wird laut», «Westast so nicht!» oder die «IG Häb Sorg zur Stadt» aus der Begleitgruppe ausschliessen wollte, setzte sich Fehr für deren Verbleib ein. Er befürchtete, dass sonst «Dolchstosslegenden» entstünden, erklärte er laut Protokoll – historisch nicht ganz sattelfest. Tatsächlich fürchtete er wohl, westastkritische Wählerinnen und Wähler zu verlieren. 

Es sei noch nichts entschieden, beteuert Fehr bei jeder Gelegenheit. Doch die Papiere sprechen eine andere Sprache, seine Leute haben die Weichen gestellt – und die westastkritischen Organisationen wollen sich nicht ein weiteres Mal ausdribbeln lassen wie während der Ära Stöckli. So haben die Mitlieder des Komitees «Westast so nicht!» letzte Woche entschieden, mit einem Monitoring die Umsetzung der Empfehlungen aus dem Dialogprozess zu überwachen. Der Vorstand tut dies mit einem transparenten Ampelsystem, das die 15 Hauptempfehlungen bewertet. Aktuell leuchten auf der Website neun rote, fünf gelbe und eine grüne Lampe – grün für die Finanzierung, welche noch bis Mitte nächsten Jahres gesichert ist.  

Übrigens: Dass die Ampel am Entrée zur «Arena»-Diskussion von letzter Woche auf Rot geschaltet war, hatten die Behörden nicht symbolisch gemeint. Die Ampel war schlicht und einfach defekt. Ob denn im Tiefbauamt niemand arbeite, der die Ampel reparieren oder ersetzen könne, fragte eine Besucherin verwundert. 

Anderntags blinkte die Lampe orange. Immerhin. In seltenen Momenten hört die Politik ein bisschen auf die Bürgerinnen. 

Diese inhaltlichen Empfehlungen werden nicht umgesetzt

  • Im offiziellen Schlussdokument zum Dialogprozess wird mehrfach eine Gesamtmobilitätsstrategie sowie eine städtebauliche Strategie für das Gebiet zwischen Bahnhof und See verlangt: Es gibt bisher keine Strategien, stattdessen werden lokale Lösungen verfolgt, welche die Probleme verlagern.
  • Die Behörden fokussieren allein auf den Strassenbau: Noch bevor die kurz- und mittelfristigen Massnahmen für alle Mobilitätsformen angepackt wurden, arbeiten die Experten bereits an der Langfristlösung – mit einer Machbarkeitsstudie für den Juratunnel. Fünf Massnahmen werden in den Empfehlungen aus dem Dialogprozess als besonders rasch realisierbar bezeichnet, darunter ein Transitverbot für den Schwerverkehr. Sie alle wurden noch nicht lanciert – ebenso wenig wie die empfohlene Projektierung des Regiotrams oder einer vergleichbaren Lösung.
  • Die anderen Varianten («Westast so besser», Seelandtangente) werden nicht weiter geprüft. Dabei hat sich die Dialoggruppe explizit gegen einen Vorentscheid für den Juratunnel ausgesprochen. Sie hat lediglich Eckwerte für Tunnelvarianten definiert und verlangt, dass mehrere Machbarkeitsstudien zu den verschiedenen Varianten erstellt werden.
  • Das geforderte neue, umfassende und präzise regionale Monitoring u.a. mit Wegtracking wurde bisher nicht erstellt. Stattdessen wird mit den veralteten und oftmals defekten Zählstellen gearbeitet.

Diese Vorgehensweisen widersprechen den Empfehlungen 

  • Es gibt keine unabhängige Begleitgruppe, die selbständig kommuniziert: Erich Fehr präsidiert in Personalunion die Behördendelegation, die übergeordnete Projektorganisation und die Reflexionsgruppe.
  • Seit Abschluss wurde die partizipative Begleitgruppe («Reflexionsgruppe»)  erst zweimal einberufen. Dabei verwechselten die Behörden Partizipation mit Information: Sie informierten lediglich über bereits gefällte Beschlüsse; Kritik an Organisation, Vorgehen und Monitoring wurde nicht berücksichtigt; die Informationen waren unvollständig und einseitig, wie erst der Blick in die Protokolle zeigte.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Themenbezogene Interessenbindung: Catherine Duttweiler war bis 2011 Chefredaktorin des Bieler Tagblatts und arbeitet als freie Autorin, Dozentin und Beraterin. Während des zweijährigen Dialogprozesses zum Bieler Westast beteiligte sie sich als Mitglied der Kern- und Dialoggruppe an der Lösungssuche und war Sprecherin der 15 westastkritischen Organisationen. Seit Mai 2021 vertritt sie das Komitee «Westast so nicht!» in der Reflexionsgruppe, welche die Umsetzung der Empfehlungen sicher stellen soll.
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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3 Meinungen

  • am 13.11.2021 um 12:16 Uhr
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    Sehr schade kann die dringend notwendige Strasse nicht gebaut werden. Dies hätte Biel aufgewertet und die Kilometerlangen Autoschlangen wären verschwunden. Der Verkehr auf Schweizer Strassen wird mit der ungebremsten Zuwanderung noch mehr zunehmen so wie es diese Links-Grünen Städte wie Biel wollen. So sollen Sie auch gefälligst nicht jammern wenn mehr Strassen gebaut werden. Die Bevölkerung hätte in der Schweiz schon längst bei 7,5 Mio. Einwohnern plafoniert werden sollen. Warum dies nicht passiert ist mir ein Rätsel! Angesichts der CO2 Diskussion, der Überbauung, die viel zu kleinen Strassen, zu hohen Immobilienpreisen und die hohen Sozialhilfekosten durch Ausländer wäre eine Reduktion wünschenswert!

  • am 13.11.2021 um 14:48 Uhr
    Permalink

    Ob West-, Ost-, Süd- oder ZentrumsAst, Biel is a Lost City. Die Bilanz des vierzigjährigen SP Regimes ist desaströs. Die ehemals lauthals verkündete „Stadt der Zukunft“ und „Stadt der Kommunikation“ ist heute ein irrer Kulturklüngel ohne Identität.
    Mein Vorschlag: keine Investition in neue Strassen. Pflanzt Bäume, baut Velo-, Rollschuh- und Wanderwege.

  • am 14.11.2021 um 10:51 Uhr
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    Da muss man gar keinen besonderen Kommentar abgeben.
    Solche Politiker verunglimpfen sich doch selbst.

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