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Giftige Chemikalien, die sich im Wasser schon lange finden, fanden sich nun auch in Lebensmitteln. © Eric Peacock, CC

Wie giftige Chemikalien ewig im Nahrungszyklus bleiben

D. Gschweng /  Die US-Behörde EPA fand giftige Stoffe in Fisch, Fleisch und Schokoladenkuchen. Aus der Welt werden diese Chemikalien nie sein.

Das US-Magazin «Mother Jones» nennt sie «Forever Chemicals», ewige Chemikalien. Biologen sagen «persistent». Gemeint sind menschengemachte Stoffe, die in der Natur erst nach sehr langer Zeit zerfallen. Viele davon sind krebserregend. Die US-Lebensmittelbehörde FDA hat hohe Mengen der Stoffklasse PFAS in einigen zufällig ausgewählten Lebensmitteln gefunden.

Verschmutzt waren nur 15 Prozent der Proben und nach Angabe der FDA besteht «wahrscheinlich keine Gesundheitsgefahr», aber dennoch: Die Konzentration der Chemikalien lag teilweise weit über den von der Gesundheitsbehörde EPA empfohlenen Richtwerte für Wasser.

PFAS werden vielfältig verwendet

Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, so ihre ausführliche Bezeichnung, sind wasser-, fett- und schmutzabweisend sowie chemisch und thermisch stabil. PFAS finden oder fanden sich in wasserabweisender Outdoor-Kleidung, in Brandschutzdämmung, auf beschichteten Pfannen, in Verpackungen, Teppichen und vielem mehr.

Seit längerem weiss man, dass viele der seit den 1940-er Jahren eingesetzten Chemikalien krebserregend sind und sich im Körper anreichern. Rund um viele ehemalige Produktionsstätten sind Boden und Wasser mit hohen Konzentrationen an gefährlichen Stoffen verseucht. Anwohner liefern sich teilweise erbitterte Kämpfe um Sanierungen oder Kompensation. (Siehe dazu auch Infosperber: «Der Mann, der DuPont das Fürchten lehrte»). In den Schlagzeilen fand sich in den letzten Jahren vor allem die Chemikalie PFOA (Perfluoroctansäure).

Was im Wasser ist, findet sich irgendwann auch im Essen

Etwa 5‘000 verschiedene PFAS gibt es. Sie sind chemisch so stabil, dass sie quasi ewig in Umlauf sein werden. Von Natur aus kommen sie nicht vor. Und was im Wasser ist, findet sich irgendwann auch im Essen. Dennoch hatte die FDA bisher vorwiegend in Fluss- und Grundwasser danach gesucht. Lebensmittel wie Fleisch und Milchprodukte wurden allenfalls in der Nähe kontaminierter Gebiete überprüft. So berichtet die Behörde in ihrer Pressemeldung vom 11. Juni etwa von einem Bauern in New Mexico, dessen Milch die FDA aus dem Verkehr gezogen hatte.

Die nun getesteten Lebensmittel stammen aus tiefgefrorenen Proben einer Studie von 2017, in der untersucht wurde, was US-Amerikaner typischerweise essen. In Truthahn, Tilapia, gebackenem Kabeljau, Lachs, Steak, Lammkotelett, Garnelen, Hühnerschenkeln und Wels wurde die bestehende Empfehlung von 70 ppb (Teile pro Milliarde) an PFAS im Wasser überschritten. Ein Schokoladenkuchen überstieg die Bundesrichtlinie der US-Umweltbehörde EPA sogar um das 250-fache. Insgesamt wurde die FDA in 14 von 91 Proben fündig.

Einen wenigstens empfohlenen Grenzwert für Lebensmittel gibt es in den USA nicht. Selbst die empfohlenen Richtwerte für Wasser sind eben nur Empfehlungen. Was daran liegt, dass die US-Umweltbehörde unter dem Einfluss von Lobby-Organisationen seit Jahren dringend nötige Regulierungen verschleppt (Infosperber: «Gift im Untergrund: Wie US-Lobbys Sanierungen verschleppen»). Im US-Parlament sind jedoch mehr als 20 Eingaben beider Parteien hängig, schreibt das US-Polit-Medium «The Hill».

Stockholmer Übereinkommen (Stockholm Convention)

Das Stockholmer Übereinkommen oder auch POP-Convention ist eine Übereinkunft über völkerrechtlich bindende Verbots- und Beschränkungsmassnahmen für langlebige organische Schadstoffe (persistent organic pollutants, POP).
Darin werden Herstellung und Gebrauch von Chemikalien eingeschränkt oder verboten. Die Stockholmer Übereinkunft führt drei Gruppen von Chemikalen auf, Annex A (Beseitigung), Annex B (Beschränkung) und Annex C (Unbeabsichtigte Produktion). In Annex A finden sich zum Beispiel Stoffe wie DDT und Lindan.
Alle zwei Jahre entscheidet eine Nationalstaatenkonferenz über die Aufnahme neuer Stoffe. Die jüngste Konferenz Anfang Mai 2019 führte unter anderem zur Aufnahme von PFOA in den Annex A. Für einen Zeitraum von fünf Jahren gibt es jedoch zahlreiche Ausnahmen, in denen die Verwendung weiter erlaubt ist. Bis heute wurde die POP-Convention von 152 Staaten unterzeichnet und weitere rund 30 Staaten sind ohne formelle Unterzeichnung dazugekommen. In der Schweiz und der EU wurde sie in nationales Recht übernommen.

Weiteren Druck auf die US-Behörde aufbauen dürfte, dass PFOA, ein verbreitetes PFAS, Anfang Mai in den Annex A der Stockholmer Übereinkunft aufgenommen wurde. Für einen Zeitraum von fünf Jahren gibt es jedoch zahlreiche Ausnahmen, in denen die Verwendung weiter erlaubt ist.

In der Schweiz und der EU, die Chemikalien der Stockholmer Convention in geltendes Recht übernommen haben, sind zumindest die bekanntesten PFAS reguliert oder verboten. Die bisher produzierten oder verwendeten Mengen sind jedoch weiterhin in Umlauf und finden sich in Boden und Wasser.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Gift_Symbol

Gifte und Schadstoffe in der Umwelt

Sie machen wenig Schlagzeilen, weil keine «akute» Gefahr droht. Doch die schleichende Belastung rächt sich.

PFAS.Dossier.M&P

PFAS-Chemikalien verursachen Krebs und können Erbgut schaden

Die «ewigen Chemikalien» PFAS bauen sich in der Natur so gut wie gar nicht ab. Fast alle Menschen haben PFAS bereits im Blut.

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3 Meinungen

  • am 13.07.2019 um 17:03 Uhr
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    PFAS kommen reichlich in Feuerlöschschäumen vor.
    Da die Feuerwehren, zivil und an öffentlichen sowie militärischen Flugplätzen viel damit üben wird so viel Boden vergiftet.
    Die Verbindungen werden in der ‹Textilindustrie› zur Herstellung wasserabweisender, atmungsaktiver Textilien und in der Papierindustrie zur Herstellung von schmutz-, fett- und wasserabweisenden Papieren verwendet. Da freut sich doch die Hait, wenn noch vermehrte UV-Strahlung dazu kommt.
    In der ‹Luft› werden immer häufiger Fluortelomeralkohole nachgewiesen. Diese sind besonders bedeutsam für die Bildung von Perfluorcarbonsäuren, wie z. B. PFOA.

    Bei allermeisten Stoffen, die nicht natürlich vorkommen, kommt es mit hoher Sicherheit zu Kollateralschäden und externen Kosten.
    Grenzwerte werden über die tödliche Dosis ermittelt. Der Wert wird durch 1000 dividiert und ergibt den Grenzwert. Ausserdem ist seit 2-3 Jahren gerade ganz geringe Konzentrationen gefährlich sind, weil die Zellen künstliche Stoffe nicht erkennen oder dafür zusätzliche Rezeptoren ausbilden, wenn die guten natürlichen Stoffen ähneln.

    Nicht nur in diesem Sachverhalt steht die Würde gewaltigen Kapital-Eigentums immer höher über der Menschenwürde.

  • am 15.07.2019 um 20:10 Uhr
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    Da solche Stoffe ja auch seit längerem in der Muttermilch nachgewiesen werden, brauchen wir uns als Gesellschaft über die zukünftigen Gesundheitskosten keinesfalls mehr wundern. In diesem Sinne hat Paul Meyer das Wesentliche in seinem letzten Satz auf den Punkt gebracht. Leider.

  • am 2.08.2019 um 16:53 Uhr
    Permalink

    Folgendes erhielt ich vor 2 Tagen von SUmoFuS (sie sammln)
    Donald Trump attackiert die europäische Lebensmittelsicherheit. Er will die EU dazu zwingen, genmanipuliertes Getreide aus den USA zu kaufen — gespritzt mit giftigen Pestiziden, die bei uns verboten sind.
    Öffentlich drohte Trump mit Einfuhrzöllen auf europäische Autos, falls die EU ihre Lebensmittel-Standards nicht senkt. Doch wir lassen uns nicht erpressen — und stellen uns Donald Trump entgegen.
    Gemeinsam können wir unsere Politiker*innen dazu bringen, die Gesundheit der europäischen Bürger*innen und unserer Kinder gegen Donald Trump zu verteidigen.
    Fordern Sie die EU-Abgeordneten jetzt auf, keine pestizid-verseuchten Lebensmittel in der EU zuzulassen und unsere Gesundheit zu schützen!
    Trump wird ein «Nein» nicht einfach akzeptieren. Im großen Stil vertritt er Konzerninteressen — und greift unsere Gesetze an, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und Europa vor giftigen Pestiziden schützen sollen. Gemeinsam müssen wir deshalb unsere Politiker*innen in die Verantwortung nehmen und sicherstellen, dass sie Trumps gefährliche Pläne verhindern.
    2017 hat der europaweite Aufschrei der Öffentlichkeit — u.a. gegen «Chlorhühner» und andere minderwertige Lebensmittel — die Verhandlungen zum Handelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA zum Erliegen gebracht. Deshalb wissen wir: Öffentlicher Druck funktioniert.
    Fordern Sie die EU-Abgeordneten auf, keine pestizid-verseuchten Lebensmittel in der EU zuzulassen!

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