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So wie an der Landsgemeinde in Glarus wird die direkte Demokratie in der EU wohl nie funktionieren. © swissgoldeneagle / flickr

Die Schweiz als Vorbild für eine reformierte EU

Christian Müller /  Die EU gerät der zunehmenden Zentralisierung in Brüssel wegen immer mehr in die Kritik. Nicht zuletzt in der EU selbst.

Er war schon in den 1968er Jahren politisch aktiv, aber nicht etwa als Revoluzzer, sondern auf der Gegenseite, als Mitglied des RCDS, des Rings Christlich-Demokratischer Studenten, der sogenannten «Contras» also. Später war er bayerischer Staatsminister und galt als Hardliner: der heutige CSU-Bundestagsabgeordnete Dr. Peter Gauweiler. Doch wer von ihm in Anbetracht der immer heftiger werdenden Gross-Demonstrationen im arabischen Raum und zunehmend auch in Europa nun den Ruf nach einer starken Hand erwartet hat, sieht sich getäuscht.

»Kompetenzen nach unten verlagern»

»Ich sehe eine Hauptgefahr für unsere Demokratie in einem dirigistischen und zentralisierten europäischen Super-Staat, sozusagen dem Entstehen eines Zentralkomitees in Brüssel. Je grösser dieses Erdteil-Gebilde mit zentralistischen legislativen und exekutiven Funktionen wird, das uns staatlicherseits überwölbt, umso geringer sind die Mitwirkungsmöglichkeiten der einzelnen Menschen. In dieser – polemisch gesprochen – ‹Verameisung des Individuums› sehe ich, erst recht im Gefolge der Globalisierung, eine grosse Gefahr der Entfremdung, der Entdemokratisierung und der Politikverdrossenheit. Die Unifizierung Europas darf nicht auf Kosten vor allem der Mitwirkungsmöglichkeiten seiner Bürger passieren.» So lässt sich Peter Gauweiler in einem Interview in der neusten Ausgabe der deutschen Vierteljahres-Zeitschrift «Die Gazette» zitieren. Und weiter: «Entscheidend muss sein, dass wir überall in Europa eine lebendige Demokratie brauchen. Das Wichtigste – für Linke wie für Konservative – ist, Kompetenzen nach unten zu verlagern. Plebiszitäre Demokratie ist Selbstschutz.»

»Ich halte es mit Friedrich Dürrenmatt…»

Und was gibt es denn für Szenarien, um der Schreckensvision eines total zentralistisch dirigierten Europas zu entgehen? Der CSU-Politiker gibt sich belesen: «Ich persönlich halte es mit dem Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt, der sein Leben lang gegen Spiessertum und Provinzialisierung in seiner schweizerischen Heimat polemisiert hat. Aber am Ende seines Lebens hat er den Satz geschrieben: ‹Die Welt wird entweder untergehen – oder verschweizern. Ich bin für Letzteres.’»

Was wäre denn eine «verschweizerte» EU?

Damit sich die deutschen Leser der «Gazette» unter einer «Verschweizerung» auch etwas vorstellen können, bringt die Zeitschrift in der gleichen Ausgabe einen längeren Text über Vor- und Nachteile der direkten Demokratie in der Schweiz. Der Autor des Beitrags darf für sich beanspruchen, die Verhältnisse in der Schweiz aus nächster Nähe zu kennen, war er doch von 1995 bis 2010 Bundesrat. Und dass Moritz Leuenberger gut formulieren kann, ja, daran hat noch kaum je jemand gezweifelt.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

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Eine Meinung zu

  • am 24.06.2011 um 20:24 Uhr
    Permalink

    Die Schweiz ist Modell, sie hat in ihrer politischen und kulturellen Ausprägung Zukunft. Wir wollen kulturell und politisch Schweizerinnen und Schweizer bleiben, uns selbst bestimmen. Aber warum sollten wir deshalb schlechte Europäer und Weltbürger sein? Wir sollten diese Chance nutzen und auch als Pioniere die ökonomische, soziale und ökologische Dimension unserer Gesellschaft nachhaltig gestalten. Andere Staaten bieten ihren Bürgerinnen und Bürgern diese Chance zu einem grossen Aufbruch, zu einer herausragenden Pionierleistung, nicht. Ich träume von einer breit angelegten Grundsatzdiskussion über alle (Partei-) Grenzen hinweg: eine tiefschürfende Grundsatzdiskussion über eine zukunftsfähige, weltoffene und direktdemokratische Schweiz, wieder ein Pionierland, das ähnliche hervorragende Leistungen erbringen wird, wie dies die Gründerväter unserer Eidgenossenschaft anno 1848 getan haben.

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