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Jede sechste Erwachsene schluckt Blutdruck senkende Medikamente © cc

Was Swissmedic und das Bundesamt für Gesundheit verschwiegen

Urs P. Gasche /  Der Wirkstoff Valsartanum von Blutdrucksenkern enthielt die krebserregenden Substanzen schon seit vielen Jahren. Niemand merkte es.

Am 12. Juli hatte Infosperber darüber informiert: «Krebserreger in Blutdrucksenkern Valsartan». Den Wirkstoff Valsartanum liessen Pharmafirmen in China günstig herstellen. Mehrere Chargen des Blutdrucksenkers wurden zurückgezogen.
Weder die Medikamenten-Zulassungsstelle Swissmedic noch das Bundesamt für Gesundheit hatten damals Klartext gesprochen. Sie verschwiegen,

  • dass in der Schweiz noch Anfang Juli über 140’000 Erwachsene Blutdruck senkende Medikamente schluckten, die mit dem krebserregenden Nitrosamin Valsartan verseucht waren. Deren Wirkstoff stammte vom chinesischen Zulieferer «Zhejiang Huahai Pharmaceuticals». (Quelle: NZZ am Sonntag);
  • dass die in den Valsartan-Tabletten gefundenen Dosen an Krebserregern ein Mehrfaches der täglichen Nitrosamin-Aufnahme durch Lebensmittel betragen und etwa der Aufnahme beim Rauchen eines Zigaretten-Päckchens pro Tag entsprechen (Quelle: Die Zeit);
  • dass die Medikamente mit dem Wirkstoff aus China bereits seit 2012 mit Nitrosaminen verseucht waren. Damals hatte die Herstellerin auf einen neuen Produktionsprozess umgestellt, der von den europäischen Behörden genehmigt worden war;
  • dass die Schweizer und die EU-Behörden die Verunreinigung dieser Medikamente sechs Jahre lang nicht bemerkt hatten. Es war ein Käufer dieser chinesischen Wirkstoffe in Spanien, der diese auf Nitrosamine hin untersuchte und die spanischen Gesundheitsbehörden informierte.

Gemäss Redaktorin Birgit Voigt von der NZZ am Sonntag gab ein ehemaliger Produktionschef eines Generika-Herstellers zum neuen Verfahren, das seit 2012 zur Anwendung kam, folgendes zu Protokoll:
«Ein guter Chemiker hätte durch die Art der eingesetzten Ausgangsstoffe und den gewählten Syntheseweg antizipieren können, dass unerwünschte Fremdstoffe entstehen könnten, und eine breite Stoffanalyse durchgeführt.»

Alternativen zu den betroffenen Blutdrucksenkern gibt es genügend:

  • Die Novartis-Tochter Sandoz produziert die Valsartan-Medikamente noch nach dem alten Rezept. Allerdings vertrieb auch Sandoz Blutdrucksenker mit dem Wirkstoff aus China.
  • Ärztinnen und Ärzte können ihren Patientinnen und Patienten auch Blutdrucksenker mit andern Wirkstoffen verschreiben.

Swissmedic schreibt keine Herkunftsdeklaration vor

Was Pharmakonzerne auf ihren Medikamentenpackungen nicht deklarieren: Viele Wirkstoffe und Hilfsstoffe in Schweizer Arzneimitteln lassen sie in Billigländern produzieren. Trotzdem steht auf den Packungen «Sandoz, Steinhausen», «Novartis, Bern» oder «Roche Pharma, Reinach».

Swissmedic sagt, sie sei laut dem vom Parlament beschlossenen Heilmittelgesetz für die Aufklärung der Konsumenten über die Herkunft der Wirk- und Zusatzstoffe nicht zuständig, sondern nur für die Sicherheit der Arzneimittel. Diese sei auch in China oder Indien gewährleistet, weil «alle Medikamente nach gleichen internationalen GMP-Richtlinien hergestellt werden müssen».
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NACHTRAG
Die unabhängige Zeitschrift GPSP kommentierte im September 2018:
«Die Missstände schreien nach einer gut ausgestatteten zentralen Aufsichtsbehörde. Das ist auch zwingend, weil inzwischen die Wirkstoffe von 80 Prozent unserer Medikamente in Indien und China produziert werden – also in Billiglohnländern, wo unzureichend kontrolliert wird. Stärkere Überwachungen sind notwendig.»
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Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

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Die Politik der Pharmakonzerne

Sie gehören zu den mächtigsten Konzernen der Welt und haben einen grossen Einfluss auf die Gesundheitspolitik.

Swissmedic

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Diese BAG-Behörde erlaubt alle Medikamente, deren Nutzen grösser ist als der Schaden. Zu viel läuft geheim.

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6 Meinungen

  • am 3.08.2018 um 09:33 Uhr
    Permalink

    Warum die Medikamente nach einem neuen Produktionsprozess mit viel Geld untersuchen lassen? Das widerspricht doch dem Geschäftsmodell, dass nur mit kranken Menschen der Umsatz Jahr für Jahr gesteigert werden kann, mit Gewinnmargen um die 30%. Swissmedic scheint von China und Indien keine Ahnung zu haben. Warum sollten Angestellte, die knapp an der Armutsgrenze leben, dasselbe Qualitätsbewusstsein an den Tag legen, wie gut verdienende Europäer in der Pharmabranche? Wie vor wenigen Monaten ein ZDF-Team aufdeckte, sind rund um die indischen Billigfabriken (die für unsere Pharma-Riesen produzieren), die Flüsse und Tümpel voller multiresistenter Keime. Eine Erbschaft, die nur darauf wartet, in die Welt getragen zu werden. Billig kann auch langfristig sehr teuer werden, insbesondere für die betroffenen Patienten.

  • am 5.08.2018 um 16:26 Uhr
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    Was auch noch verschwiegen wird! Politiker, Medienleute, Konsumentenschützer setzten sich für Parallelimporte ein , damit wir sehr reichen Schweizer den gleichen Preis für Medikamente bezahlen können wie die Kranken in der 3.Welt. Ein Irrsinn! Unsere Produktionsstätten für Generika sind deshalb längst in diese Länder verlegt worden, wo die Qualitätssicherung eben auch eine andere ist. Europäische Arbeitsplätze gingen verloren und mit ihnen die Qualität gewisser Medikamente. Diese kurzsichtige Fokussierung auf den Endpreis der Medikamente, ohne die dahinteliegenden Prozesse zu hinterfragen, ist eine unbedarfte Politik, die Folgekosten mit sich bringt, die wir nun alle und leider nicht die Hersteller bezahlen müssen. Schade! Silvio Ballinari

  • am 5.08.2018 um 21:10 Uhr
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    Vielen Dank Herr Gasche für den aufschlussreichen Artikel. Wissen Sie, wie herauszufinden ist, ob eine Valsartanpackung den Wirkstoff aus China oder aus der Schweiz beinhaltet? (fand dazu keinen schlüssigen Hinweis im Text) – Besten Dank.

  • am 5.08.2018 um 21:49 Uhr
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    @Hörnlimann. Infosperber hatte die Listen am 12. Juli 2018 veröffentlicht (https://bit.ly/2LVUK1m). Das BAG hat unterdessen die Valsartan-Tabletten selber untersuchen lassen, das Resultat jedoch unseres Wissens noch nicht auf der BAG-Webseite veröffentlicht. Fragen Sie beim BAG nach.

  • am 6.08.2018 um 08:58 Uhr
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    Ein Beispiel unter vielen. Tatsache ist doch, dass der Patient immer wieder feststellen muss, dass der Arzt wenig Ahnung hat von der chemischen Zusammensetzung seiner – giftigen – Medikamente, geschweige denn von den vielseitigen Reaktionen mit weiteren einzunehmenden – giftigen – Medikamenten. Von den dazu eingenommenen täglichen Stoffen aus unserer Ernährung und deren Reaktionen mit den medikamentösen Inhalten muss gar nicht erst geredet werden. Jegliche Übersicht darüber fehlte seit je her. Es gab sie nie und wird sie nie geben, schon gar nicht mehr mit all dem chemischen Gebräu aus den Laboren rund um die Welt. Auf die Behörden und Konzerne ist diesbezüglich auch kein Verlass, sieht man ja wieder hier. Schliesslich geht es ums Geld und den Gewinn. Dabei wird unübersehbar: Die alternative Medizin, die u.a. schwergewichtig mit pflanzlichen und mineralischen Stoffen aus der Natur arbeitet, wird immer wichtiger.

  • am 6.08.2018 um 15:31 Uhr
    Permalink

    @Hörnlimann: Eine detaillierte Liste der betroffenen und der nicht betroffenen Mittel finden Sie unter http://www.swissmedic.ch.

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