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Grafik im K-Tipp: Mehrkosten von 1,9 Milliarden Franken in zwei Jahren © KI

Pharmakonzerne profitieren von einem Wucher-Kurs

Urs P. Gasche /  Infosperber hatte es im letzten August angeprangert. Jetzt zieht der K-Tipp nach: BAG gewährt Pharma weiterhin Euro-Kurs von 1.28.

«Würde der Preis der in der Schweiz verkauften kassenpflichtigen Medikamente zu einem Kurs von 1.09 berechnet, wären sie insgesamt 15 Prozent oder für die Prämienzahlenden jedes Jahr rund 900 Millionen Franken günstiger.» Das war am 16. August 2016 auf Infosperber zu lesen.
Infosperber vom 16. August 2016
Unter dem Titel «Versicherte zahlen, Pharma profitiert» greift der K-Tipp in der neusten Ausgabe die Abzockerei auf. Der Bund «brockte den Prämienzahlenden bis jetzt allein wegen überhöhter Wechselkurse Mehrkosten von fast 2 Milliarden Franken ein», schreibt das Konsumentenmagazin.
Wären die Medikamentenpreise zum tatsächlichen mittleren Euro-Kurs von 1.09 berechnet worden, hätten die Krankenkassen fast 15 Prozent weniger ausgeben müssen: Statt 6 Milliarden hätten die Arzneimittel nur 5,1 Milliarden pro Jahr gekostet. Im Jahr 2015 hätte sogar noch mehr gespart werden können, vermerkt der K-Tipp, weil der Mittelkurs des Euro – wie dieses Jahr wieder – 1.07 betrug.
Erst im Laufe dieses Jahres kommt es – allerdings nur für einen Drittel aller kassenpflichtigen Medikamente – zu Preissenkungen. Diese Preissenkungen treten erst am 1. Dezember 2017 in Kraft. Ein Jahr später kommt ein weiteres Drittel dran. Fazit im Infosperber vom letzten August: «Fast ein Drittel aller Medikamente wird noch bis Ende 2019 vom bisherigen hohen Wechselkurs (von 1.28) profitieren.»
Der K-Tipp zitiert Preisüberwacher Stefan Meierhans: «Der Bundesrat hat die Chance verpasst, seine Kompetenz zu nutzen und mehr für die gebeutelten Prämienzahler zu tun.» Den Preisüberwacher stören nicht nur die privilegierten Wechselkurse zugunsten der Pharmakonzerne, sondern auch die durchschnittlich doppelt so hohen Preise für nicht mehr patentgeschützte Medikamente sowie für Generika in der Schweiz. Das ging aus einem Preisvergleich zwischen 15 europäischen Ländern hervor, welcher der Preisüberwacher letzten August veröffentlicht hatte.
Unrühmlicher Europarekord

Das BAG und die Pharmafirmen veröffentlichen stets Vergleiche der Fabrik-Listenpreise, die im Ausland jedoch wenig zur Anwendung kommen und ein stark verzerrtes Bild der Realität wiedergeben.
Vergleicht man jedoch die Endpreise, welche die Kassen tatsächlich zahlen müssen, geben die Schweizer Krankenkassen für Arzneimittel pro Kopf insgesamt rund 50 Prozent mehr aus als die holländischen und etwa 25 Prozent mehr als die deutschen.
In keinem andern europäischen Land verschlingen Medikamente mit 23 Prozent einen so hohen Anteil an den Ausgaben der Grundversicherung. Aufgrund der jüngsten, vom BAG veröffentlichten Preisentwicklung wird sich an diesem «Europarekord» nicht so schnell etwas ändern.
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2 Meinungen

  • am 22.04.2017 um 12:06 Uhr
    Permalink

    Unser Gesundheitssystem ist neoliberal und in Oligopolen organisiert, fern von freier Marktwirtschaft. Riesige Abzockerei!!! Das müssen wir in nächster Zeit ändern. (fünf) Regionale Genossenschaften mit vernetzten Spitälern, Ärzten, Einwohnern, welche die regionalen Gesundheitsbedürfnisse abdecken. Die steigenden Krankenkassenprämien und übrigen Gesunheitskosten werden im LIKP nicht erfasst, obwohl sie einen wesentlichen Teil der Haushaltausgaben ausmachen, auch hier ein falsches Bild zur CH-Teuerung.
    Ursprünglich waren die Krankenkassen als Vereine organisiert!

  • am 24.04.2017 um 19:14 Uhr
    Permalink

    Man verlangt hier quasi eine Kopplung der Medikamentenpreise an den Eurokurs. Was passiert denn, wenn der Kurs wieder steigt? Kosten die Medikamente dann auch wieder mehr? Eine solche Festlegung von Preisen, unabhängig von der Volkswirtschaft, macht keinen Sinn. Darum gibt es solche Vergleiche auch nicht bei den Spitälern oder Ärzten – die würden sich gar nicht erst auf solche Vergleiche einlassen. Schräubeln am Preis wird auch nichts an den Gesundheitskosten ändern. Medikamente werden zu schnell, in zu grosser Zahl und unpassend für die Patienten verschrieben. Die Apotheker haben hier zahlreiche Lösungsansätze angeboten und ihre Wirkung mit Zahlen untermauert. Aber solange Santésuisse das Abgabeprivileg der Ärzteschaft (wohlweislich) nicht hinterfragt und Vergütung nicht nach Qualität durchführt, ändert sich nichts am System.

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