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Die Sexologin und ihre Doktortitel

Beni Frenkel /  Die bekannte Sexpsychologin gibt Sextipps für lustvolle Orgasmen. Für ihr Geschäft wirbt sie mit verschiedenen Doktor-Versionen.

upg. Dieser Artikel erschien erstmals am 27.11.2019. Aufgrund einer Abmahnung des Anwalts von Dania Schiftan haben wir den Titel und einzelne Textpassagen geändert, die Informationen jedoch auch ergänzt.
Die Zürcherin Dania Schiftan berät im angesagten Zürcher Hochschulquartier über «alle Fragen rund um das Thema Sex», wie sie auf ihrer Homepage schreibt. Der Allgemeinheit bekannt ist sie aber vor allem dank ihren vielen Engagements in den Medien.
Unbefangen schreibt sie über Vaginismus, Masturbieren, Orgasmusprobleme. Alleine dieses Jahr erschienen ihre Sextipps in Zeitungen wie «Blick», «Schweizer Illustrierte», «Cosmopolitan», «Luzerner Zeitung», «nau», «Tagblatt der Stadt Zürich» oder «Gesundheit heute». Schiftan war zu sehen in «Tele Züri», SRF und zu hören auf SRF Virus und SRF Radio3. Seit November ist sie «Parship-Expertin». In den Medien tritt Schiftan abwechselnd als «Dr. phil.», «Dr. phil. Clinical Sexology» oder «Dr. phil. in Sexologie» auf. Die verschiedenen Bezeichnungen lassen Zweifel aufkommen.


So stellte das Schweizer Fernsehen Dania Schiftan vor (Quelle: srf)

 


2008 trat sie an einem Kongress sogar als «Dr. med.» der medizinischen Fakultät der Universität Bern auf. [Nachtrag vom 31.12.2019: Ihr Anwalt erklärt dazu sinngemäss, die Kongressveranstalter hätten diesen Titel frei erfunden. Schiftan habe auf diese Vorstellung als «Dr. med.» keinen Einfluss gehabt und in ihrem Vortrag gesagt, dass sie keinen solchen Doktortitel führe.]
Hinter einem «Dr. phil.» stecken drei bis fünf Jahre Arbeit

Ein Doktortitel ist ein langer Hürdenlauf. Nebst Ausdauer, Fleiss und Intelligenz benötigen die Akademiker vor allem Zeit. Drei bis fünf Jahre Forschung dauert es üblicherweise bis zur Promotion. Und dann kommt noch die Doktorarbeit hinzu, eine mehr als hundert Seiten umfassende Dissertation. Laut einer Umfrage der Uni Bern klagen Doktorierende über zu wenig Forschungszeit, zu viel Arbeit, zu niedrigen Lohn. Dafür winkt am Ende der Plackerei die Auszeichnung «Dr. phil.»


Als «Dr. phil.» trat Dania Schiftan als Expertin in der Schweizer Illustrierten auf (Quelle: SI 21.9.2018)

In ihrem LinkedIn-Auftritt bescheinigt sich Schiftan einen «Dr. phil., Sexologie».

 

Einen «Dr. phil.» hat Dania Schiftan nie erhalten, weder in der Schweiz noch im Ausland. Was sie erhielt, war ein sogenannter «Doctor of Philosophy in Clinical Sexology». Nach Angaben auf ihrer Homepage erwarb sie diesen Doktortitel an der privaten «American Academy of Clinical Sexology». An dieser Universität im sonnigen Florida dauert der Doktortitel nur 60 Semesterstunden. Durchschnittlich finden an der Uni nur an zwei Tagen im Monat Vorlesungen statt – jedes Jahr fast immer die genau gleichen Vorträge. Wie umfangreich eine Doktorarbeit sein muss, sucht man auf der Homepage der Uni vergeblich, dafür eine skurril anmutende Bedingung: «Die Buchstaben auf Buchdeckel- und -rücken müssen in Gold sein.»
Schiftan musste für ihre Doktorarbeit mit Goldbuchstaben nicht bei Null beginnen. An der Uni Bern schrieb sie einst eine «Studie zum Sexualverhalten der deutschsprachigen Schweizer». Ihre Doktorarbeit an der Sex-Uni in Florida trägt fast den gleichen Titel: «Sexual Behavior in German Speaking Switzerland».
Noch vor kurzem war Schiftan unter den Doktoranden der amerikanischen Privatuniversität nicht aufgeführt, obwohl Schiftan die Doktorarbeit nach eigenen Angaben bereits vor sechs Jahren abgegeben hatte. Die Uni aus Florida schreibt auf Anfrage: «Dr. Schiftan wird aufgelistet, sobald der externe Webmaster unseren Internetauftritt aktualisiert.» Unterdessen ist Schiftan unter den «PhD Graduates» aufgeführt.

Swissuniversities, die Rektorenkonferenz der schweizerischen Hochschulen, schreibt auf Anfrage: «Die American Academy of Clinical Sexology ist in den USA nicht akkreditiert.» Tatsächlich schreibt auch die Sex-Universität über sich selber: «The American Academy of Clinical Sexology is not an accredited institution».

Seit diesem Aufenthalt in den USA stellt sich Schiftan in der Schweiz abwechslungsweise als «Dr. phil. in Clinical Sexology» oder «Dr. phil. in Sexologie» vor oder lässt sich kurz als «Dr. phil.» oder in Deutschland sogar «Dr. med.» vorstellen.
Eine genaue Bezeichnung bei solchen Titeln ist aber entscheidend. Denn in der Schweiz darf sich jede und jeder mit «Dr.» im Telefonbuch eintragen lassen. «Der Bund kann nur die Titel seiner Schulen – also ETH und Fachhochschulen – schützen, die Universitätskantone jeweils die Titel von ihren Universitäten», erklärt das Staatssekretariat für Bildung und Forschung. Der Titel «Dr. phil.» beispielsweise ist geschützt. In den USA wird dieser Titel gar nicht verwendet. Swissuniversities empfiehlt bei ausländischen Titeln, zusätzlich den Namen der Universität anzugeben, welche den Titel verliehen hat.

Zu ihren teuer anmutenden Honoraransätzen nahm Dania Schiftan keine Stellung: Sie schrieb dazu: «Ich teile Ihnen mit, dass ich mich gegen das Gespräch und gegen die Beantwortung Ihrer Fragen entschieden habe, da ich aufgrund Ihrer E-Mails und Fragen von einer unausgewogenen Berichterstattung ausgehen muss.» Eine einmalige Anfrage per Mail kostet 110 Franken. Und für ein einstündiges Erstgespräch am Telefon oder via Skype müssen Paare 270 Franken zahlen.

Vertrauen und Fachwissen
Das höchste Gut eines Therapeuten ist Vertrauen und Fachwissen. Die «Vorläuferin» von Schiftan ist Ruth Westheimer. Die 91-jährige Jüdin wurde als Kind mit einem Kindertransport in die Schweiz geschickt. In Heiden verbrachte sie die Zeit des Zweiten Weltkriegs.
Später zog sie in die USA, wo sie an der Columbia University studierte und den Doktortitel in Soziologie erhielt. Mit Fernsehshows wie «The Dr. Ruth Show», «Ask Dr. Ruth» oder «What’s Up, Dr. Ruth?» wurde sie in den USA zur Legende. Nie zuvor hat jemand in den USA so offen und frei über Sex geredet wie Dr. Ruth Westheimer. Ohne ordentlichen Doktortitel und dem damit verbundenen Vertrauen wäre ihre Karriere in dieser Form kaum möglich gewesen.
Dania Schiftan macht in der Schweiz eine fast ebenso steile Karriere – ohne das, was das Publikum in der Schweiz unter einem Doktortitel versteht.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessen (-bindung) der Autorin/des Autors

Keine. Beni Frenkel ist Journalist und Autor in Zürich.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Beni Frenkel ist Journalist und Autor in Zürich.

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2 Meinungen

  • am 28.12.2019 um 13:44 Uhr
    Permalink

    Vermutlich könnte die Frage ihrer Kompetenz und des Zusammenhangs von Sex und Doktortitel nur im Bett geklärt werden. Theorien können in der Naturwissenschaft bekanntlich nur durch Experimente verifiziert werden. Sex ist doch eine Naturwissenschaft, oder?

  • am 28.12.2019 um 15:12 Uhr
    Permalink

    @ Dr. Dania Schiften,
    Pardon Madam!
    Früher war es so geregelt,dass jeder seine Alte v…… Heute ist alles so verquickt dass alles Durcheinander F….. Ein Gesundes Neues Jahr
    Werner Kämtner

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