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Die britische Ärztin Victoria Rose kam im Westschweizer Radio und Fernsehen zu Wort. © rts

«Kinder kamen mit fehlenden Knien, Füssen und Händen herein»

upg. /  Eine britische Ärztin operierte in Gaza. Sie alarmierte live auf Instagram und gab Interviews. Medien interessierten sich wenig.

Die 53-jährige Chirurgin Victoria Rose gehört zu den wenigen westlichen Augenzeugen vor Ort, denn Israel verbietet westlichen Medienvertretern die Einreise in den Gazastreifen. Rose war seit dem 7. Oktober 2023 bereits zum dritten Mal in Gaza, diesmal bis Anfang Juni 2025 in der Notaufnahme des Nasser-Spitals, dem letzten grösseren Krankenhaus im Süden von Gaza.

Auf Instagram berichtete sie: «Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem die Menschen bereit sind, für eine Tüte Reis und ein bisschen Nudeln zu sterben.»

Zu ihren fast täglichen Instagram-Videos sagte sie: «Ich dachte einfach, die Menschen müssen sehen, was ich sehe.» Die vielen Opfer und ihre Angehörigen in Gaza kämen in den Medien fast nie zu Wort. 

Verbranntes Kind
Der dreijährige Hatem leidet an 35 Prozent Verbrennungen

In einem Beitrag vom 23. Mai stellte sie einen 3-jährigen Jungen namens Hatem vor. Er ist fast vollständig mit Verbänden umwickelt. «Er hat 35 Prozent Verbrennungen», sagt sie im Video. 

Ihren ersten Tag ihres dreiwöchigen Aufenthalts schilderte sie wie folgt: «Zuerst kamen Krankenwagen, die nur Tote brachten. Dann kamen Eselskarren, die Tote brachten. Gegen 10 Uhr hatten wir etwa zwanzig Leichen und über hundert Verletzte mit Schusswunden.» 

Im Vergleich zu ihren beiden vorherigen Einsätzen während des Krieges als Chirurgin in Gaza hätten viel mehr Patienten lebensbedrohende Verbrennungen oder schwere Explosionsverletzungen durch israelische Bomben erlitten: «Es waren keine Splitterwunden mehr – Teile ihrer Körper waren weggerissen. Kinder kamen mit fehlenden Knien, Füssen und Händen herein.»

Rose berichtete von Amputationen und Hauttransplantationen. Doch die verbreitete Unterernährung würde die Wundheilung beeinträchtigen und schwäche das Immunsystem, sagte Rose. Wegen fehlender Antibiotika in Gaza könne das Gesundheitspersonal «Infektionen weder verhindern noch anschliessend behandeln». Viele behandelte Patientinnen und Patienten könnten deshalb nicht gerettet werden.

Allein seit dem 1. Juni wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza bei fast täglichen Schiessereien in der Nähe von Lebensmittelverteilungsstellen, die im Rahmen eines neuen, von Israel und den USA unterstützten Hilfssystems betrieben werden, mehr als 700 Palästinenser getötet und etwa 5000 verletzt.

Anfang Juli gab das IKRK bekannt, dass sein Feldlazarett in Rafah über 2200 verwundete Patienten behandelt habe. Die meisten von ihnen seien im Rahmen der Lebensmittelverteilung angeschossen worden. das Ausmass und die Häufigkeit dieser Vorfälle seien beispiellos.

Die Ärztin Victoria Rose arbeitete erstmals 2019 in Gaza. Als leitende Chirurgin für plastische Chirurgie und Traumatologie am King’s College Hospital in London lernte sie Graeme Groom kennen, einen britischen orthopädischen Unfallchirurgen. Er inspirierte sie, sich für die Wohltätigkeitsorganisation Ideals zu engagieren, die in Kriegsgebieten Chirurgen ausbildet.

Wenig Echo

Die Zeitung «Le Temps» übernahm am 11. Juli Aussagen von Victoria Rose aus der «New York Times». Während die Deutschschweizer Medien die Berichte der britischen Ärztin ignorierten, hatte auch das Westschweizer Radio und Fernsehen bereits am 6. Juni 2025 über ihre Zeugenaussagen informiert:

Bericht des Westschweizer Radios und Fernsehens vom 6. Juni 2025


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Keine
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5 Meinungen

  • am 13.07.2025 um 11:22 Uhr
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    Beim Lesen heule ich Rotz und Wasser; es ist nicht zu fassen. Was könnten wir von hier aus noch tun?

    Klitzekleine Korr «anschliessend»: «Infektionen weder verhindern noch anschiessend behandeln».

  • am 13.07.2025 um 12:19 Uhr
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    Danke für diesen Bericht. Ihn zu lesen, fällt schwer. Was Israel den Menschen im Gazastreifen antut, ist nicht zu begreifen. Dass die meisten unserer westlichen Regierungen nicht nur nicht intervenieren, sondern das Vorgehen Israels sogar militärisch und politisch unterstützen, sekundiert von unseren Mainstream-Medien, die das alles unkritisch oder mit Wegschauen begleiten, ist unerträglich. Es wird für immer die grosse Schuld und Schande des Westens sein, wie wir uns hier verhalten haben.

  • am 13.07.2025 um 12:53 Uhr
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    Merci für diesen Bericht.
    Wir wissen eigentlich alle was in Gaza abgeht, wie Krieg ausschaut.
    Doch es ist wichtig, solche Augenzeugenberichte zu hören. Auch wenn darob die Tränen in Strömen fliessen.

  • am 13.07.2025 um 14:17 Uhr
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    Jüdische Allgemeine Sabine Brandes 14.11.2024 10:06: «Warum es für Israel problematisch werden kann, wenn beide Schwiegersöhne Trumps in der Nahostpolitik mitmischen..»Married to the Middle East.« Dieser Satz könnte im Amerika unter Donald Trumps zweiter Präsidentschaft zum Mantra werden. »Verheiratet mit dem Nahen Osten.« Das bezieht sich nicht nur auf die Brisanz der aktuellen Lage in der Region, sondern auch auf Trumps Familienbande. Ivanka heiratete den jüdischen New Yorker Jared Kushner und trat zum Judentum über. Tochter Tiffany, aus Trumps zweiter Ehe, ist seit 2022 mit dem libanesisch-stämmigen Michael Boulos verheiratet.»

    Wikipedia: «Jared Kushner und seine Familie pflegen eine langjährige persönliche Freundschaft mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, der während eines USA-Besuchs im Hause der Kushners in Jareds Schlafzimmer übernachtete.»

    Man sollte Präsident Trump informieren, was die Ärztin Victoria Rose erleben musste.
    Gunther Kropp, Basel

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