BAG und BLW arbeiten gegeneinander
Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) veröffentlichte kürzlich eine bemerkenswerte Medienmitteilung. Es schrieb von einem «besorgniserregenden Trend im Weinbau». Denn: «In der Schweiz wird immer weniger Alkohol und insbesondere viel weniger Wein konsumiert. Vor allem junge Menschen wenden sich vom Wein ab, obschon diese Kultur in den hiesigen Sprachregionen fest verankert ist.»
Rückgang um acht Prozent
In Zahlen: Der Weinkonsum ging letztes Jahr um fast acht Prozent zurück – etwas stärker beim Rotwein (minus neun Prozent), etwas weniger stark beim Weisswein (minus sechs Prozent).
Die Haltung ist erstaunlich – dass es «besorgniserregend» sein soll, wenn die Jugendlichen «weniger Alkohol und insbesondere viel weniger Wein» trinken. Die «Berner Zeitung» titelte denn auch ironisch: «Plötzlich trinken sie weniger – wo ist die kaputte Jugend hin?»
Ein «Missverständnis»
Dem BLW ist die Sache mit der Medienmitteilung inzwischen auch nicht mehr geheuer. Gegenüber Infosperber wollte die Mediensprecherin nur mündlich Auskunft geben. Sie erklärte, es handle sich um ein «Missverständnis». Die Medienmitteilung sei ursprünglich auf Französisch verfasst gewesen. Dort heisst es: «Cette tendance préoccupante pour la viticulture …» Im Deutschen sei daraus «Dieser besorgniserregende Trend im Weinbau …» geworden – statt «für den Weinbau».
Das ist allerdings Wortklauberei. Und die Medienmitteilung dürften vor der Veröffentlichung etliche Personen angeschaut haben. Allein in der Abteilung «Kommunikation und Sprachdienste» beschäftigt das BLW sechs Personen. Hinzu kommen die Leute, die für die Statistik verantwortlich sind, sowie die BLW-Chefetage.
Neun Millionen Franken für die Weinwerbung
Der Inhalt der Medienmitteilung ist insofern interessant, als das BLW für die Weinwerbung Millionenbeträge ausgibt. Im März vorigen Jahres stimmte der Ständerat einer Verdreifachung des Betrags zu. Nun sind es neun Millionen Franken, die der Bund jährlich allein für die Weinwerbung ausgibt. Und dann kommen natürlich noch all die Subventionen hinzu, von denen auch die Weinbauern profitieren.
2,4 Millionen Franken für die Alkoholprävention
Gleichzeitig kämpft ein anderes Bundesamt, jenes für Gesundheit (BAG), gegen den Alkoholkonsum. Dieses Amt hat allerdings nur 2,4 Millionen Franken für die gesamte Alkoholprävention zur Verfügung. Das ist weniger als in vergleichbaren Staaten.
Im BAG betrachtet man den Rückgang des Alkoholkonsums denn auch nicht als «besorgniserregend». Denn das BAG schreibt: «Alkohol verursacht zahlreiche gesundheitliche Probleme (Krebs, Zirrhose, Herz-Kreislauf-Probleme usw.) und wirkt sich auch negativ auf die Gesellschaft aus (Gewalt, Gefährdung im Strassenverkehr und am Arbeitsplatz usw.).»
Zunahme bei 15- bis 24-Jährigen
Was die Jugendlichen angeht, zeigt sich das BAG genau wie das BLW besorgt – allerdings wegen eines anderen Trends: «In der Schweiz ist der Alkoholkonsum bei Jugendlichen unter 15 Jahren zurückgegangen, während er bei den 15- bis 24-Jährigen zugenommen hat, insbesondere in Form von exzessivem Gelegenheits-Trinken.»
«Warum raufen Sie sich nicht zusammen?»
Es ist offensichtlich: BAG und BLW arbeiten gegeneinander. Deshalb wollte Infosperber von den beiden Bundesämtern wissen: «Warum raufen Sie sich nicht zusammen?»
Das BAG antwortete nichtssagend: «BAG und BLW sind laufend im Austausch zu verschiedenen Themen.»
Das BLW beeilte sich, zu betonen, dass es die Kampagnen des BAG zur Alkoholprävention begrüsse und unterstütze. Infosperber wollte wissen, wie denn das BLW das BAG unterstütze. Die Antwort: «Unterstützen» sei vielleicht das falsche Wort.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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