Kommentar
Das Bla-bla-bla der Baufirma Implenia
Es fängt schon bei der ersten Frage an: «Herr Vollmar, Sie als Bauherr dürften wenig Freude daran haben, dass in der Schweiz zu wenig gebaut wird.» Damit schliesst sich der Interviewer stillschweigend der herrschenden Meinung an, wonach der jährliche Netto-Zuwachs von fast 100’000 Einwandern eine nicht zu hinterfragende Tatsache sei. Ist sie das wirklich? Lässt sich nichts daran ändern? Der Implenia-Chef ist natürlich nicht der richtige Adressat für diese Frage. Aber sie wird von unseren Medien auch sonst nie gestellt. Es geht immer nur darum, wie man für diese zusätzlichen Leute genügend Wohnraum zur Verfügung stellt.
Doch auch dazu fällt Vollmar wenig Konkretes oder zumindest nichts Neues ein. Beispiele: »Es gibt für Bauherren einfach zu viele Hürden, die sie von Investitionen abhalten.» Oder: «Die geplante Lockerung beim Lärmschutz würde sicher helfen.» Dann: «Unter dem Strich haben wir in der Schweiz zu viele fragwürdige Einsprachen.» Und natürlich kommt auch die übliche Klage wegen behördlichen Eingriffen in die Mietpreise: «Teils ändern gar während eines Projekts die Spielregeln. Beispielsweise, indem plötzlich ein höherer Anteil an preisgünstigen Wohnungen gefordert wird. Wir haben das bei Kunden erlebt, deren Bauvorhaben plötzlich wirtschaftlich keinen Sinn mehr machten.»
In der Tendenz waren sich der «Blick» und Vollmar einig: Verdichten! Die Frage des Journalisten: «Müsste man in Wohngebieten mit tiefer Wohndichte über die Baureglemente flächendeckend höhere Bauten ermöglichen?» Die Antwort von Vollmar: «Ja, das wäre zielführend. Die Bevölkerung hat sich mit dem Raumplanungsgesetz klar für eine Innenverdichtung ausgesprochen. Könnte man zum Beispiel in der Stadt Zürich flächendeckend eine Etage aufstocken, wäre der Gewinn an Wohnraum enorm.» Klingt einleuchtend. Doch geht es wirklich so einfach? Da hätte man vom Fachmann gerne mehr gewusst. Wie «enorm» wäre der Gewinn an Wohnraum konkret? Wie teuer ist die Aufstockung? Ab wie vielen Stockwerken braucht es einen Lift? Was bedeutet das für die Wohnungen in den unteren Stockwerken?
Könnte man mit weniger Auflagen oder Einsprachen und dank Aufstockungen nicht nur mehr, sondern auch preisgünstiger bauen und die Mieten senken? Auch dazu nimmt Vollmar den Mund voll, ohne aber konkret zu werden: «Ich kenne viele Bauherren und Investoren, die bereit wären, bei Bauprojekten prozentual deutlich mehr preisgünstige Wohnungen zu erstellen, wenn sie im Gegenzug eine bessere Planbarkeit und kürzere Prozesse erhalten.» Doch was heisst das? Wie preisgünstig könnten die Wohnungen denn sein? Um wie viel könnten die Mieten genau sinken? Dazu kommen keine Fragen und keine Antworten. Es bleibt bei der Behauptung.
Immerhin spricht der «Blick» das Problem der hohen Baulandpreise an und argumentiert, dass ein Vorkaufsrecht des Kantons dieses Problem entschärfen könnte. Vollmar ist nicht «per se» dagegen, wenn «die öffentliche Hand ein Grundstück zum Marktwert erwerben will.» Er kann aber auch nicht sagen, wie genau dies zu tieferen Mieten führen würde. Und überhaupt: «Ich glaube aber auch nicht, dass wir beim Baulandpreis ein Marktversagen haben.» Kein Marktversagen? Noch so ein Klischee, das so leicht daher gesagt und nicht hinterfragt wird.
Die Frage nach dem Dichtestress wirft Vollmar selbst auf – und wischt sie gleich wieder vom Tisch: «Wir sind auch weit weg von einem Dichtestress, wenn man uns mit grossen europäischen Städten vergleicht.» Stimmt. Es gibt immer irgendwo eine Stadt (die meisten nennen Singapur), wo der Dichtestress noch grösser ist als etwa in Zürich, aber das heisst doch nicht, dass es ihn bei uns gar nicht gibt. Auf gleichem Raum wohnen jetzt oft schon 20 bis 30 Prozent mehr Leute als noch vor wenigen Jahrzehnten und sie haben längere Arbeitswege als damals. Aber das Strassen- und Schienennetz ist im Wesentlichen dasselbe geblieben. Wir stehen alle länger im Stau, die Wegzeiten werden länger. Und auch hohe Mieten und die Angst, ausziehen zu müssen, sind Dichtestress. Vom «Blick» kommt dazu keine kritische Nachfrage.
Immerhin spricht der Interviewer das Thema der hohen Mieten kurz an: «Junge Familien können sich kaum mehr ein Eigenheim leisten. Die Mieten steigen. Verstehen Sie den Frust?» Dazu Vollmar: «Ich bin selbst Familienvater und kann das nachvollziehen. Doch es braucht auch hier Kompromisse. Ich nehme beispielsweise einen längeren Arbeitsweg in Kauf. Jede Minute Reisezeit, die man von einer Stadt entfernt wohnt, senkt die Wohnkosten. Es kann nicht jede und jeder in der Zürcher Innenstadt wohnen.»
Das ist grotesk. Vollmar kann gar nichts nachvollziehen, zumindest nicht aus eigener Erfahrung. Als frisch ernannter CEO dürfte er ab diesem Jahr wie sein Vorgänger rund 3,5 Millionen Franken oder rund 300’000 Fr. monatlich kassieren. Damit könnte man sich nach den üblichen Kriterien eine Miete von 100’000 Franken im Monat leisten. Vollmar gehört damit zur Gruppe jener, welche die Mieten hochtreiben. In Opfikon, dem Hauptsitz der Implenia, werden 3,5-Zimmer-Wohnungen zu durchschnittlich 2600 Franken angeboten. Das mittlere steuerbare Einkommen liegt bei rund 4400 Franken. Da muss man schon über die Grenzen nach Deutschland ziehen, um die Miete auf ein erträgliches Mass senken zu können. Dass auch Vollmar einen längeren Arbeitsweg in Kauf nimmt, dürfte allerdings weniger mit den hohen Mieten in Opfikon zu tun haben als mit den niedrigeren Steuerfüssen weniger lärmgeplagter Gemeinden.
An diesem Punkt hakt der «Blick» nach und sagt, was viele denken: «Trotzdem finden immer mehr, es ist genug.» Das gibt Vollmar die Gelegenheit, eine dringende Warnung auszusenden: «Halten wir am Status quo fest und tun nichts, werden wir zwangsläufig an Wohlstand verlieren. Das Kapital ist mobil und würde einfach in anderen Ländern investiert. Aus meiner Sicht ist das keine Alternative. Deshalb benötigen wir wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen. Nimmt jemand das Risiko auf sich und investiert viel Geld, muss sich das lohnen.»
Werden wir «zwangsläufig an Wohlstand verlieren»? Wessen Wohlstand? Für wen muss es sich lohnen? Viele haben durch die massiv steigenden Immobilienpreise schon viel Wohlstand verloren. Andere sind dadurch zu Multimillionären geworden.
Und einige davon haben dadurch auch schon den Kontakt zur Realität verloren und den Draht zum gemeinen Volk.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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