Kommentar

BAG und Pharma sollen Karten auf den Tisch legen

Urs P. Gasche © Peter Mosimann

upg /  Einige Pharmakonzerne haben Gerichtsbeschwerden eingereicht und dürfen ihre Preise weiter zum hohen Kurs von 1.56 Euro berechnen.

Doch niemand darf wissen, welche Pharmakonzerne gegen das Bundesamt für Gesundheit BAG vor Gericht gegangen sind und was sie dort genau verlangen. Der «Blick» hatte am Freitag aufgedeckt, dass Roche und Novartis für einige umsatzstarke Medikamente die Preissenkungen anfechten. Der Krankenkassenverband Santésuisse hatte keine Ahnung davon. Weder die Santésuisse noch einzelne Kassen dürfen wegen zu hohen Preisen Beschwerde erheben. Das Beschwerderecht ist ein Privileg der Pharmaindustrie.
Faule Ausrede des BAG
Das BAG verweigert zu den Gerichtsbeschwerden jede Auskunft, weil es sich um «laufende Verfahren» handle. Das ist eine faule Ausrede: Jede Partei eines Gerichtsverfahrens darf so viel Auskunft geben wie sie möchte. Und die Preise von Medikamenten, welche die Krankenkassen und Prämienzahler zwangsweise zahlen müssen, sind von grossem öffentlichen Interesse.
Schlimmer noch: Das BAG gibt nicht einmal bekannt, welche Firmen gegen welche Preissenkung Beschwerde eingereicht haben. Das ist erstens ein Bückling vor den Pharmakonzernen, denen es lieber ist, das Ganze spiele sich im Dunkeln ab. Denn die Pharmaindustrie weiss genau, dass ihre Beschwerden alles andere als populär sind.
Dummer und unnötiger Bückling
Und es ist ein dummer und unnötiger Bückling: Denn wer etwas nachforscht, kann leicht herausfinden, welche Preise von welchen Medikamenten hätten gesenkt werden sollen. Es genügt, die bereits im Juli vom BAG angekündigte Preisliste, die ab 1. November hätte gültig sein sollen, mit der neusten Preisliste zu vergleichen: Weil zum Beispiel der Preis des Roche-Präparats Cellcept nicht gesenkt wurde, musste BAG-Sprecher Daniel Dauwalder gegenüber dem «Blick» zugeben, dass «die angekündigte Preissenkung von Cellcept nicht durchgeführt werden konnte». Das kann nur heissen, dass dies Roche mit einer Beschwerde verhindert hat.
Roche und Novartis sparen 25 Millionen pro Jahr
Einen Blick in die neuste Liste* hat Krankenkassen-Experte Josef Hunkeler geworfen, der sich bei der Preisüberwachung jahrelang mit den Kassen beschäftigt hat. Er hat entdeckt, dass die vorgesehenen Preissenkungen der umsatzstarken Medikamente Glivec und Myfortis von Novartis sowie Cellcept und Pegasys von Roche fehlen. Wegen der verhinderten Preissenkungen allein dieser vier Medikamente müssen die Prämienzahler im nächsten Jahr 25 Millionen Franken mehr in die Taschen der Pharmafirmen zahlen.

Offensichtlich hat das BAG den Beschwerden eine aufschiebende Wirkung erteilt, was Roche und Novartis erlaubt, sich jahrelang um die Preissenkungen zu drücken. Sie müssen ihre Beschwerde nur lange genug an höhere Instanzen weiter ziehen. Warum das BAG aufschiebende Wirkung erteilt hat, ist unbekannt.
Der Hintergrund
1. Für die Fabrikabgabepreise von Medikamenten in der Schweiz berechnet das BAG in der Regel den Durchschnitt der Fabrikabgabepreise in Deutschland, Österreich, Frankreich, England, Niederlande und Dänemark. Dazu gewährt das BAG noch einen generellen Aufschlag von mehreren Prozenten sowie in manchen Fällen einen «Innovationszuschlag», obwohl dieser in den Preisen des Auslands schon inbegriffen ist.
2. Bis zum 31. Oktober 2012 wurden diese Durchschnittspreise zu einem Wechselkurs von 1.56 CHF berechnet, obwohl der tatsächliche Wechselkurs schon längst bei 1.20 liegt. Weil das BAG die Preise nur alle drei Jahre anpasst, wurden per 1. November 2012 bei einem Drittel aller Medikamente die Preise neu zu einem Wechselkurs von 1.29 berechnet – ein Entgegenkommen an die Pharmaindustrie –, was zu Preissenkungen führt.
3. Für ein zweites Drittel aller Medikamente gilt noch bis zum 31.10.2013 der Wechselkurs von 1.56 CHF. Und für das dritte Drittel aller Medikamente gilt dieser Phantasie-Wechselkurs sogar noch bis zum 31.10.2014.
4. Zwei Drittel aller kassenpflichtigen Medikamente importiert die Schweiz aus dem Ausland, so dass vor allem ausländische Pharmafirmen vom Wechselkurs von 1.56 CHF enorm profitieren – auf Kosten der Prämienzahlenden.

Mit Schlagzeilen hatten die Medien über den Streit berichtet, zu welchem Wechselkurs das BAG den Auslandpreisvergleich der Medikamente berechnet soll, und wie die Pharmaindustrie im Parlament für einen höheren Wechselkurs lobbyiert hat. Doch bis heute Sonntag, 25. November, haben weder Fernsehen, noch Radio noch die Zeitungen – mit Ausnahme des «Blick» – über die Gerichtsbeschwerden von Roche und Novartis informiert.

*NACHTRAG
Am Samstag 24. November hat das BAG die Liste mit den Preiskorrekturen aus ihrer Homepage entfernt. Die Öffentlichkeit kann sie jetzt nicht mehr mit der vorherigen vergleichen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Der Autor vertritt die Patientinnen und Patienten sowie die Prämienzahlenden in der Eidgenössischen Arzneimittelkommisson.

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3 Meinungen

  • am 26.11.2012 um 10:47 Uhr
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    Diese Kungelei des BAG mit der Pharma ist unerträglich. Ebenso bedenklich ist der grosse Einfluss der Pharma auf die Lehre (Unis), die Ärzteausbildung!
    Und die Krankenkassen haben ja auch kein wirkliches Interesse an Kostensenkungen, ihnen ist es wurscht.
    Bestürzend, dass sich das Zahlvolk das alles gefallen lässt.

    Ergänzend zum Thema Gesundheitskosten der Infosperber-Artikel: «Organtransplantationen sind auch ein gutes Geschäft". Danke für solche Hintergrund-Artikel!

  • am 26.11.2012 um 14:11 Uhr
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    Es ist eine Frechheit von dem BAG dass sie sich vor den Pharmafirmen kuschen, ich schlage vor die gesamte BAG-Leitung durch integre Leute zu ersetzen die sich nicht vor den Pharmafirmen beugen und die Verordnung müsste geändert werden dass es nicht 3 Jahre dauern darf dass die Preise erst nach dieser Zeit geändert werden können.
    Dieses Thema wäre auch etwas für die Parteien aber diese bekämpfen sich lieber als dass sie besser zusammen arbeiten würden.

  • am 27.11.2012 um 14:49 Uhr
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    Dieses BAG ist ja eigentlichüberflüssig. Entweder steht es auf der Seite der Milliardäre oder es «findet sich kein handlungsbedarf", auch wenn die Gesundheitsämter ganz Europas schon Alarm geschlagen haben. Das Amt steht auf der seite des Kapitals, nicht auf der Seite des Volkes.
    Heiri Elmer

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