Christian Drosten Oktober 2015 Sino-German Symposium on Infectious Diseases

Der deutsche Virologe Christian Drosten erklärte 2021 in einem Interview mit «Der Zeit»: «Ich habe keine persönliche Verbindung zu den Leuten in Wuhan.» Ganz fremd waren sie ihm aber nicht, wie dieses Foto von 2015 belegt. Es wurde am deutsch-chinesischen Symposium über Infektionskrankheiten in Berlin aufgenommen. Drosten stand auf dem Foto neben der chinesischen Coronaviren-Forscherin Shi Zhengli vom Virologischen Institut in Wuhan. Laut der Laborleck-Hypothese soll Sars-CoV-2 aus eben diesem Institut in Wuhan stammen. Am Symposium in Berlin wurden 2015 unter anderem «Perspektiven für die künftige Zusammenarbeit» erläutert. © Universität Duisburg Essen

Medien deckten während Pandemie viele Verstrickungen nicht auf

Martina Frei /  Vom Ärzte-Sponsoring bis zum Labor in Wuhan: Medien versäumten es oft, über Interessenkonflikte zu informieren.

«Wer zahlt, befiehlt», heisst eine Volksweisheit. Nun können Pharmafirmen oder Regierungen, die Universitätsinstitute, Experten oder Medien finanzieren, diesen nichts befehlen. Dennoch beeinflussen sie manchmal, was geforscht wird oder welche Studienergebnisse wann veröffentlicht werden (Infosperber berichtete). Niemand will es sich mit Geldgebern gerne verscherzen – und es locken weitere Zustüpfe, auf die man angewiesen sein kann. Neben Geldzahlungen können auch immaterielle Interessenkonflikte das Handeln beeinflussen.

Als Standard in der Wissenschaft gilt, dass mögliche Interessenkonflikte stets offengelegt werden. Es ist Aufgabe der Medien, danach zu fragen.

Einige Beispiele aus der Zeit der Corona-Pandemie illustrieren die Verstrickungen auf unterschiedlichen Ebenen.

  • Impfstoffhersteller Pfizer überwies der österreichischen Gesellschaft für Infektionskrankheiten und Tropenmedizin im Jahr 2021 rund 123’000 Euro. Deren Präsident ist Florian Thalhammer. Im «Kurier» sagte er im August 2022: «Wer sich nicht (gegen Covid-19, Anm. d. Red.) impfen lässt, wird auf der Intensivstation enden und über die Pathologie nach Hause gehen. Das muss man, glaub’ ich, klar aussprechen.»
    Diese Aussage war schon damals falsch, denn für die grosse Mehrheit der Bevölkerung war Covid kein Grund, um auf die Intensivstation zu kommen. Vom Sponsoring der Gesellschaft durch Pfizer erwähnte der «Kurier» nichts.
  • Im November 2022 lud die «Walter-Siegenthaler-Gesellschaft» zu einem Symposium ins Hotel Hilton in Köln. Rund 100’000 Euro Sponsorengelder steuerten AstraZeneca, Gilead, MSD, Janssen, GSK, Roche und Pfizer, der Hersteller des Medikaments Paxlovid, zu diesem Symposium bei. «Mit freundlicher Unterstützung der Pfizer Pharma GmbH» – so stand es in der Originaleinladung – referierte dort der Hamburger Medizinprofessor Stefan Kluge, der sowohl «federführender» Autor von ärztlichen Behandlungsempfehlungen zu Covid-19 ist als auch zum Beratungsgremium von Pfizer gehörte. Als Kritik der Anti-Korruptions-Ärzteinitiative «Mezis – Mein Essen zahl ich selbst» laut wurde, löschten die Verantwortlichen des Symposiums den Hinweis auf die «freundliche Unterstützung». 
    Das «Deutsche Ärzteblatt» informierte über die Interessenkonflikte von Kluge: Er «erhielt Forschungsunterstützung von Ambu, Daiichi Sankyo, ETView Ltd, Fisher & Paykel, Pfizer und Xenios und Cytosorbents. Er bekam Vortragshonorare und Reisekostenerstattung von Astra, C.R. Bard, Baxter, Biotest, Cytosorbents, Daiichi Sankyo, Fresenius, Medical Care, Gilead, Mitsubishi Tanabe Pharma, MSD, Pfizer, Philips, Zoll. Er erhielt Beraterhonorare (Advisory Board) von Bayer, Fresenius, Gilead, MSD und Pfizer und Honorare für Gutachtertätigkeit von Gilead und Pfizer.»
  • Von März bis Ende Juli 2020 leitete Professor Matthias Egger die «Swiss National COVID-19 Science Task Force». Egger war zugleich Präsident des Nationalen Forschungsrats beim Schweizerischen Nationalfonds (SNF), der «wichtigsten Schweizer Institution zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung». Rund eine Milliarde Franken Forschungsgelder vergab der SNF allein im Jahr 2022. Geld für die Forschung aufzutreiben, ist für die allermeisten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler harte Arbeit. Wer es sich in der Schweiz mit dem SNF verdirbt, vergibt sich einen wichtigen Fördertopf.
    Egger ist über ein Forschungsprojekt mit dem Institut NIAID verbunden, das der «Covid-Zar» Anthony Fauci bis zur Pensionierung Ende 2022 führte. Im Jahr 2021 erhielt Egger respektive das Institut für Sozial- und Präventivmedizin an der Universität Bern, wo Egger eine Forschungsgruppe leitet, die Zusage für 16 Millionen US-Dollar Forschungsgelder vom NIAID für das internationale Aids-Forschungsprojekt «IeDEA». Egger ist Projektleiter bei «IeDEA». Insgesamt bekam die Universität Bern seit 2006 über 47 Millionen Dollar für dieses internationale Forschungskonsortium, ganz überwiegend vom NIAID. Das NIAID ist Teil der US-National-Institutes-of-Health (NIH), die mit einem Budget von fast 40 Milliarden US-Dollar zu den grössten Sponsoren von Forschungseinrichtungen in aller Welt zählen.
    Laut der Universität Bern verblieb knapp ein Drittel der über 47 Millionen Dollar in Bern, der Rest sei an die beteiligten Partnerinstitutionen weitergeleitet worden. Die Unabhängigkeit der Universität werde durch Drittmittel nicht kompromittiert, sagt die Universität: «Die Freiheit von Forschung und Lehre ist uneingeschränkt gewährleistet.» Die Universität Bern weist darauf hin, dass die öffentlichen Träger in der Regel erwarteten, dass Universitäten Drittmittel erwirtschaften. Bei jeder Zusammenarbeit mit externen Geldgebern sei die Lehr- und Forschungsfreiheit vertraglich festgelegt. «Dazu gehört, dass Mitarbeitende frei sind bei der Wahl der Forschungsprojekte und in der Methodenwahl, unabhängig in der Interpretation von Forschungsergebnissen, Publikationsfreiheit besitzen und mit anderen Einrichtungen oder Unternehmen zusammenarbeiten können.»
    Matthias Egger hat als Forschungsgruppenleiter und früherer Institutsleiter auch Einfluss am Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) der Universität Bern. Das Bundesamt für Gesundheit zählt ebenfalls seit langem zu den Geldgebern des ISPM, einerseits bei der Förderung von Studien, andererseits als Auftraggeber des Kinderkrebsregisters, welches das ISPM führt. Während der Corona-Pandemie arbeiteten das ISPM und das BAG bei der Bearbeitung und Auswertung von Daten zusammen. Das BAG übernahm dabei den Lohn von zwei Mitarbeitenden des ISPM.
  • Eine der grossen Fragen ist noch immer, woher das Pandemie-Coronavirus stammte: aus der Natur oder aus einem Labor? Die sogenannte «Gain-of-function»-Forschung verändert Viren absichtlich so, dass sie ansteckender oder gefährlicher werden. Der US-«Covid-Zar» Anthony Fauci zählte zu den Befürwortern und starken Förderern dieser Forschung. Der deutsche Virologe Christian Drosten hat ebenfalls auf diesem Gebiet geforscht. Er setzte sich zu Beginn der Pandemie stark dafür ein, die Öffentlichkeit glauben zu lassen, dass das Sars-CoV-2 natürlichen Ursprungs sei (Infosperber berichtete). Drosten hat seit 2002 gemeinsam mit dem an der Universität Bern angestellten Virologen Volker Thiel 19 wissenschaftliche Artikel veröffentlicht. Beide arbeiteten beispielsweise in einem vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Forschungsprojekt zusammen. Zusammen mit dem niederländischen Virologen Ron Fouchier – einem weiteren starken Befürworter der «Gain-of-function»-Forschung – publizierten sie 2013 einen Fachartikel in «Nature». Fouchiers Team erschuf – in seinen Worten – «wahrscheinlich eines der gefährlichsten Viren, die man machen kann» (Infosperber berichtete).
    Infosperber versuchte über Wochen erfolglos, einen Auskunftspartner an der Universität Bern zu finden, der die Hypothese des deutschen Wissenschaftlers Valentin Bruttel einordnet. Bruttel ist der Ansicht, dass sowohl das ursprüngliche Sars-CoV-2 als auch die Omikron-Variante aus dem Labor stammen. Doch niemand an der Universität Bern war bereit, Auskunft zu geben.
  • Der Wissenschaftler Kristian Andersen gehörte zum Kreis der Wissenschaftler, die sich zu Beginn der Pandemie mit Anthony Fauci über den Ursprung des Virus austauschten. Faucis Institut steckte in der Klemme: Es hatte die Forschung am Wuhan-Institut für Virologie viele Jahre finanziell gefördert – auch dann noch, als es von Sicherheitsmängeln dort wusste. Andersen vollzog innerhalb weniger Tage einen Sinneswandel: Zunächst befürchtete er, das Virus könne aus einem Labor stammen, kurz darauf war er sicher, dass es nicht aus einem Labor stamme. Im August 2020 wurde bekannt, dass Andersen 8,9 Millionen Dollar Fördergelder von Faucis Institut zugesprochen erhielt (Infosperber berichtete). Andersen zufolge hatte das Beratungsgremium das Geld bereits im November 2019 – also vor der Pandemie – gesprochen. Doch das letzte OK von Fauci stand laut «The Intercept» noch aus, als Andersen seine Kehrtwende vollzog. 
  • Auf Initiative des deutschen Virologen Christian Drosten und des Vorstandsvorsitzenden der Charité, wo Drosten arbeitet, erhielten die deutschen Universitätskliniken im März 2020 von der deutschen Bundesregierung 150 Millionen Euro. Das «Manager-Magazin» berichtete im Juni 2020: «Die Berliner Charité mit ihrem Starvirologen Christian Drosten profitiert von der Regierungsnähe. Bei einem 150-Millionen-Euro-Programm des Bundes ist sie zugleich Koordinatorin, hat einen Sitz im Steuerungsgremium und bekommt nun auch noch die meisten Führungsrollen bei den geförderten Projekten.» Der «relevante Output» sei gemessen an der Geldsumme «alles andere als beeindruckend», kritisierte der deutsche Medizinstatistiker Gerd Antes im September 2021 in der «Berliner Zeitung».
  • Antes wies dort auch darauf hin, der frühere Leiter des deutschen Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, sei «ein Angestellter des Bundesgesundheitsministeriums. Er kann nicht gleichzeitig als Wissenschaftler auftreten und so tun, als würde er unabhängig forschen. Dasselbe gilt für den Infektionsmodellierer Dirk Brockmann. Er tritt oft als Wissenschaftler der Humboldt-Universität auf, diese Professur wird jedoch vom RKI finanziert. Dann sitzt er bei Lanz in der Talkshow und kommentiert die massiv falschen Vorhersagen des RKI für Mitte April 2021, ohne dass seine Rolle klar gemacht wird.»
  • Mitten in der Pandemie kündigten der «Blick» und die ETH Lausanne eine «Partnerschaft» an, um «Wissenschaftsjournalismus zu produzieren». Der «Schweizer Klub für Wissenschaftsjournalismus» kritisierte das: «Eine unabhängige Sicht auf die Forschung und ihre Themen ist damit nicht gegeben.» 
  • Wegen des Inserateverlusts aufgrund der Corona-Pandemie sprach der Schweizer Nationalrat Anfang Mai 2020 den Medien eine Soforthilfe von 45 Millionen Franken zu. Das berichtete damals der «K-Tipp», der als nicht-gewinnorientierter Verlag keinen Anspruch auf solche Gelder hatte. Im Februar 2022 nannte der «K-Tipp» weitere Zahlen: Demnach gab das Bundesamt für Gesundheit von Beginn der Pandemie bis Ende 2021 für Werbespots, Inserate und Internetanzeigen zum ­Coronavirus 20,8 Millionen Franken aus. Der «K-Tipp» weiter: «Laut Berset erhielt Ta­media mit 4,6 Millionen Franken am meisten Geld. 1,7 Millionen flossen an die SRG, 1,4 Millionen an CH-Media, 1,2 Millionen an Ringier, 500’ 000 Franken an die Westschweizer ESH Médias und 400’ 000 Franken an die NZZ. ­Diese Beträge kommen zu den 38 Millionen Franken hinzu, die der Bund den Zeitungs­verlagen seit Beginn der Pandemie bezahlte. […] Google erhielt über 1,7 Millionen Franken, 946’ 380 Franken gab es für Instagram und Facebook, 195’ 576 Franken für Snapchat und 66’ 540 Franken für Tiktok. ­Sogar auf dem Datingportal Tinder schaltete der Bund für 25’ 000 Franken Werbung.»
    In Deutschland gab allein das Bundesministerium für Gesundheit im Zusammenhang mit Corona von 2020 bis 2022 rund 300 Millionen Euro aus. Damit bezahlte das Ministerium Informationsmassnahmen, Anzeigen, Kampagnen und Werbung in verschiedenen Medien und auf Social Media.
    Über die Zustände in Österreich schrieb die «NZZ» im Herbst 2021: «Dass die Regierenden […] Einfluss auf die Medien nehmen, ist kein Geheimnis.» Es handle sich um eine «Inseratekorruption». «2020 tätigten die Ministerien allein bei Österreichs Tageszeitungen Buchungen im Wert von rekordhohen 33,5 Millionen Euro.» Die Kampagnen zur Bekämpfung von Corona hätten die Absätze angekurbelt, so die «NZZ».

Die häufige Folge von Interessenkonflikten: «Nutzen überschätzt, mögliche Schäden unterschätzt»

Definitionsgemäss handelt es sich bei Interessenkonflikten um «Situationen, die ein Risiko dafür schaffen, dass professionelles Urteilsvermögen oder Handeln […] unangemessen beeinflusst wird». Die häufige Folge sei, «dass der Nutzen medizinischer Massnahmen überschätzt und mögliche Schäden unterschätzt werden. Dies gefährdet die bestmögliche Behandlung der Patienten», legte 2011 ein Buch zum Thema dar.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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Covid-19 fordert Behörden und Medien heraus. Infosperber filtert Wichtiges heraus.

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3 Meinungen

  • am 17.03.2024 um 16:47 Uhr
    Permalink

    Danke Martina Frei, dass Sie für mehr Transparenz sorgen.

  • am 18.03.2024 um 08:54 Uhr
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    Ich erinnere mich noch gut, wie Drosten dank seines Podcasts schon sehr früh als mahnender Säulenheiliger angehimmelt wurde. Das führte zur sehr anstrengenden und letztlich fruchtlosen Diskussionen mit Lehrern meiner Kinder und Kollegen in der Arbeit, denen Drostens seriöses und honoriges Auftreten mehr zusagte als eine eigenständige Beschäftigung mit den vielen, vielen Widersprüchen der Corona-Panikmache. Noch heute schwärmen deren viele von der «Wissenschaft» und den «Studien» zu Impfstoffen, Tests und Masken. Drostens sanfte Propaganda hat Millionen denkender Menschen gründlich verdorben; sie vertrauen nicht einmal mehr ihren eigenen Beobachtungen und Erfahrungen, das seien ja keine «Studien».

  • am 19.03.2024 um 14:22 Uhr
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    Soihäfeli, Soiteckeli 😉
    In der Wissenschaftswelt geht man schon sehr locker mit Interessenkonflikten um. Sie sauber zu deklarieren wäre ja noch das mindeste. Aber eigentlich müsste ja klar sein, dass das höchstens in Bagatellfällen reicht.
    Man stelle sich einmal vor, ein Richter würde einen Fall beurteilen, welcher seinen Neffen betrifft. Anstatt in Ausstand zu gehen, würde er einfach eine Erklärung unterzeichnen, wonach er sich in seiner Urteilsfindung keinesfalls durch das Verwandtschaftsverhältnis beeinflussen lasse.
    Niemand würde sich mit einer solchen Erklärung zufriedengeben. Aber in der Wissenschaft soll es reichen, wenn einer schriftlich beteuert, er lasse sich durch Spendengelder nicht beeinflussen?

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