Kommentar

Bananenrepublik: Autokriminelle lässt man laufen

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des AutorsKeine. Der pensionierte Autor war viele Jahre lang ARD-Journalist. Er betreibt heute den Blog sonnenseite.com. ©

Franz Alt /  Der Dieselskandal führt am 2. August in Deutschland zu einem Dieselgipfel. Ein Einschreiten wie am G20-Gipfel ist nicht geplant.

Die Auto-Länder Bayern (BMW und Audi) und Niedersachsen (VW) wollen tatsächlich noch mehr Steuergelder für Diesel-Autos und der oberste deutsche Auto-Lobbyist Matthias Wissmann nennt selbst harmlose Forderungen der Politik an die Autohersteller «untauglich».

Vergleichen wir mal zwei Gipfel miteinander. Beim G20-Gipfel in Hamburg hiess die politische Parole «Hart einschreiten gegen die Gewalt auf der Strasse». Aber wo ist diese Härte bei Manipulationen an Autos auf tausenden Strassen mit Zehntausenden Toten pro Jahr? In der Europäischen Union sterben jedes Jahr 180’000 Menschen durch Luftschadstoffe, in Deutschland 32’000.

In Hamburg gab es Demonstrationsverbote in der Innenstadt, weil einige Dutzend Politiker geschützt werden mussten. Aber wo bleiben die Diesel-Fahrverbote auf den Strassen unserer Innenstädte, wenn die Gesundheit von Millionen Menschen geschützt werden müsste?

Der Kabarettist Dietrich Kraus fragt: «Die Strasse darf kein rechtsfreier Raum sein? Tatsächlich ist sie das in Deutschland jeden Tag, denn hier darf jeder nach Belieben gegen Umweltrecht verstossen». Für potentielle Autoanzünder gibt es ein Vermummungsverbot, aber leider kein Verdummungsverbot für verbrecherische Autohersteller. Da kann der Kabarettist nur noch fragen: Warum zweierlei Mass – eines für die Auto-nomen und eines für die Auto-Namen in Deutschland?

Bürgerinnen und Bürger sollen sich an alle staatlichen Regeln und Gesetze halten, aber wann endlich werden die Autohersteller, die alle Regeln gegen Würde und Anstand verletzen, vor Gericht gestellt? Warum dürfen regierende Politiker gemeinsame Sache mit der kriminellen Auto-Lobby machen, ohne dass wir sie bei der nächsten Wahl abstrafen? Im Kanzleramt, im Wirtschafts- und Verkehrsministerium wird bisher Auto-Kriminalität nicht bekämpft, sondern organisiert.

Deutschland ist angeblich das Öko-Musterland der Welt. Aber die deutsche Autoindustrie wird von Ökokriminellen geführt – nach dem Motto verschweigen, vertuschen und verdrängen. Braunkohle vergiftet in Deutschland die Atmosphäre mehr als in jedem anderen Land der Welt und die deutsche Fleischindustrie quält Tiere, Menschen und die Umwelt.

Der frühere FDP-Chef und Aussenminister Guido Westerwelle hat 2013 gesagt: «Wir verstehen uns ausdrücklich als Dienstleister der deutschen Unternehmer.» Derselbe Politiker hat wie alle Regierenden zuvor einen Eid geschworen, in dem es ausdrücklich heisst, er wolle «Schaden vom deutschen Volk» abwenden. Aber die FDP steigt derzeit wieder in der Wählergunst. Wie heisst dazu das passende deutsche Sprichwort: «Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber.» Wie lange wollen wir uns noch erpressen lassen?

Damals hat sich VW-Chef Winterkorn ausdrücklich bei Minister Westerwelle bedankt. Derselbe Herr Winterkorn hat den VW-Dieselskandal mit zu verantworten und wurde mit 16 Millionen Euro Abfindung in Rente geschickt. Je grösser die Gauner, desto höher die Gehälter. Alles klar?

Anderswo nennt man so ein Staatswesen Bananenrepublik. Aber doch nicht in Deutschland.


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2 Meinungen

  • am 13.01.2018 um 13:22 Uhr
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    Ganz hahnebuechene Bezeichnung. Genau das waren die Autohersteller nicht. Zumindest in Europa haben sie die Bedingungen eingehalten. Die ihnen gegeben worden waren. Dass wir so unreflektiert amerikanisches Rechtsdenken, mach was Du willst, aber pass auf, uebernehmen, statt die Unterschiede der Rechtskulturen wahrzunehmen, hier Umweltschutz im Rahmen des praktisch Vernuenftigen, dort eher puritanisch im Sinne eines Himmelsreichs auf Erden, laesst tief bliocken. Wir haetten auch sagen koennen, wenn die Amerikaner europaeische Auos wollen, dann muessen sie sie auch so nehmen, wie sie sind. Ein Betrug soll es gewesen sein, Kaufvertraege sollen rueckabgewickelt werden, fuer wie bloed wird der Kaeufer gehalten? Die Amerikaner hatten lediglich kurz zuvor schon bei LKWs «cheating devices» moniert, so dass Volkswagen es haette wissen koennen und sie der Firma eine gewisse Frechheit vorwerfen konnten. Es ging aber nur um amerikanische Spezialitaeten. Wir Europaeer regeln eben anders.

  • am 13.01.2018 um 13:27 Uhr
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    Und man kann auch die Antifa nicht so einfach kleinreden. Will er den heiligen Krieg?

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