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Ein Smartphone sollte im Idealfall bis zu zehn Jahre verwendet werden. Viele Modelle lassen sich aber gar nicht reparieren. © Depositphotos

Recht auf Reparatur: EU will nachhaltige Smartphones

Daniela Gschweng /  Weniger Elektromüll, dafür Geräte, die man reparieren kann - was sich einfach anhört, ist in der Praxis harzig.

Umwelt- und Konsumentenorganisationen weltweit fordern seit längerem ein Recht auf Reparatur, denn Elektroschrott macht einen grossen Teil der globalen Müllströme aus. In der Schweiz ist er die am stärksten wachsende Müllkategorie. Elektrogeräte sollten deutlich länger benutzt werden.

Besonders gilt das für Smartphones und Tablets. Obwohl sie hochwertige Elektronik und viele Rohstoffe enthalten, sind sie Wegwerfartikel. In Europa werden jedes Jahr 211 Millionen neue Smartphones verkauft, die dann etwa drei Jahre benutzt werden. Die Recyclingquote in der EU liegt bei rund 40 Prozent. In der Schweiz ist sie deutlich höher, die Zahl pro Kopf verkaufter Handys aber auch.

Ein Jahr länger würde einen Unterschied machen

Besser wäre es, ein Smartphone mindestens doppelt so lange zu nutzen, ideal wären zehn Jahre. Ein Jahr länger macht für die Umwelt bereits einen deutlichen Unterschied. Aber wie, wenn nach drei Jahren die Buchsen wackeln und der Akku so schwach ist, dass er ersetzt werden muss, das Gerät sich aber gar nicht öffnen lässt?

Elektrogeräte sollen langlebiger, stabiler und vor allem reparierbar werden. Frankreich führte 2021 den Reparierbarkeits-Index ein, der auf der Verpackung angibt, wie gut ein Elektrogerät zu flicken ist (Infosperber berichtete). In der Schweiz gibt es die Ökodesign-Richtlinie, die das Land von der EU übernommen hat. Darin ist zum Beispiel festgelegt, dass Ersatzteile für Waschmaschinen sieben Jahre lang verfügbar sein müssen. Selbst in den USA wächst der Druck, langsam bewegen sich nun auch Unternehmen wie Apple, das dem Recht auf Reparierbarkeit zunächst ablehnend gegenüberstand

Gegner argumentieren: Handys seien keine Toaster

Mit Spannung erwartet wurde deshalb der Entwurf der Design-Richtlinie für Smartphones und Tablets, den die EU Ende August vorgelegt hat. Der Entwurf ist auch interessant für die Schweiz, die solche Richtlinien in der Regel übernimmt.

Ein Handy oder Tablet sollte so gebaut sein, dass es sich reparieren lässt, steht unter anderem darin. Komplett selbst auseinandernehmen lässt sich bisher aber fast nur das Fairphone, das zwar in jedem Nachhaltigkeits-Ranking auf den ersten Plätzen landet, aber ein Nischenprodukt ist.

Dem Branchenverband Bitkom geht der EU-Vorschlag zu weit. Ein Handy sei kein Toaster, argumentiert die Organisation. Vielen Nachhaltigkeitsorganisationen geht er nicht weit genug.

Für die Reparatur eines Smartphones nehme man…

Um zu verstehen, woran sich die Kritik fest macht, muss man sich klarmachen, was es alles braucht, um ein kaputtes Handy wieder flott zu mache: Zu einem Gerät, das der Nutzende öffnen und zerlegen kann, braucht er zum Beispiel ein Ersatzteil zu einem vernünftigen Preis, Werkzeug und eine Reparaturanleitung.

Im besten Fall sollten Nutzerinnen sich schon vor dem Kauf informieren können, ob bei diesem Gerätetyp oft Reparaturen anfallen und welche. Es geht also nicht nur um das Gerät selbst, sondern auch um Ersatzteile, Transparenz, Dokumentation, Reparatur- und Zugangsrechte. «Design» heisst mehr als austauschbare Akkus, Buchsen und Kameras. Die Initiative «Repair EU» hat die wichtigsten Punkte des EU-Entwurfs zusammengefasst:

Akkus und Display in Zukunft selbst wechseln

Der wichtigste Punkt: Nutzerinnen und Nutzer sollen Akku und Display in Zukunft selbst auswechseln können. Dafür sollen sie frei verkäufliches Werkzeug verwenden können.

Einschränkungen sind erlaubt, falls die Konsumentinnen und Konsumenten freiwillig darauf verzichten – etwa zugunsten von Robustheit und Spritzwassserschutz. Damit liessen sich die Regeln aushebeln, kritisiert die Initiative, die sich auf europäischer Ebene für ein Recht auf Reparatur einsetzt.

EU-Reparierbarkeitsindex und mehr Transparenz bei Ersatzteilpreisen

Der Entwurf sieht einen EU-weit gültigen Reparierbarkeits-Index vor. Ersatzteilpreise gehen darin nicht ein, dabei seien sie ein wesentlicher Teil der Kaufentscheidung, kritisiert «Repair EU». Hersteller müssten in Zukunft auch den Höchstpreis für gängige Ersatzteile nennen.

Nur wenige Ersatzteile für Endkunden garantiert

Alle Ersatzeile müssen aber nur Profis und Wiederverwertern zur Verfügung stehen. Für Endnutzer ist der geforderte Zugang auf Akku, Gehäuse, Display, Ladegerät sowie das SIM- und Speicherkartenfach beschränkt.

Zugang zu Reparatur-Manuals für Werkstätten für sieben Jahre

Werkstätten sollen für sieben Jahre Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen bekommen. Dafür müssen sie sich unter Umständen qualifizieren und Gebühren bezahlen.

Transparenz zu Leistungsfähigkeit und Zustand der Akkus

Hersteller sollen Informationen zu Lebensdauer, Zustand und Wartung der Akkus zur Verfügung stellen, auch bei gebrauchten Geräten. Apple-User dürften sich über diese neue Transparenz freuen. Von iPhones ist bekannt, dass die Akkus oftmals nach ein bis zwei Jahren an Leistungsfähigkeit verlieren. 

«Repair EU»: zu wenig Nachhaltigkeit

Insgesamt, findet «Repair EU», kommt die Nachhaltigkeit im Entwurf deutlich zu kurz. Würde der Entwurf so umgesetzt, reduziere er den Klimagasausstoss nur um 33 Prozent bis 2030 und nicht wie angestrebt um 55 Prozent. Auch enthalte er zu viele Schlupflöcher für die Hersteller.

Drei Jahre lang Updates

Nach dem Entwurf müssten die Hersteller auch nur drei Jahre lang Software-Updates liefern. Ohne diese ist ein Gerät aber schnell nutzlos. Die Hersteller wären auch nicht gezwungen, langlebige Akkus zu verbauen, stattdessen können sie Austauschteile zur Verfügung stellen. Das Nachhaltigkeitsziel werde damit verfehlt.

Der deutsche Interessenverband Bitkom warnte bereits Anfang des Jahres davor, «Ersatzteile auf Halde» zu produzieren. Das verkehre den Umwelteffekt schnell ins Gegenteil und lasse die Preise steigen. Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder hält wenig davon, den Fokus auf Reparierbarkeit zu legen. Entscheidend seien Qualität und Zuverlässigkeit, sagte er dem deutschen «Handelsblatt»

Das Reparaturgesetz könnte schon 2024 in Kraft treten

Wenn der EU-Entwurf wie geplant bis Ende 2022 verabschiedet wird, könnte er 2024 in Kraft treten. Ob er Konsumentinnen und Konsumenten dazu bringen wird, sich für nachhaltigere Geräte zu entscheiden, wird kontrovers diskutiert. Vieles hängt von den Preisen ab – sowohl denen von Neugeräten wie auch der Reparaturen, die bei günstigen Handys einen Grossteil des Kaufpreises verschlingen können. Gegensteuern könnten die EU-Länder mit einem Reparaturbonus, mit dem das deutsche Bundesland Thüringen und auch Österreich bereits gute Erfahrungen gemacht haben.

In der Schweiz ist man sich noch nicht schlüssig

In der Schweiz gab und gibt es mehrere Bemühungen, die Kreislaufwirtschaft für elektronische Geräte voranzubringen. Die jüngste ist eine Motion zum Reparierbarkeitsindex, die vom Bundesrat zur Ablehnung vorgeschlagen wurde. Zur Einführung eines Reparaturindexes sei es zu früh, begründete er.

Eine Motion zum Recht auf Reparatur wurde 2020 ebenfalls abgelehnt, es lägen noch zu wenig Informationen darüber vor, wie gut sich Geräte reparieren lassen. Eine Mehrwertsteuersenkung auf Reparaturen hielt der Bundesrat auch nicht für sinnvoll. Im April 2022 reichte Greenpeace eine Petition zum Recht auf Reparatur beim Parlament ein.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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4 Meinungen

  • am 27.09.2022 um 11:57 Uhr
    Permalink

    Eine gute Richtung endlich! Tatsächlich ist dies jetzt schon möglich: So sind wir sehr zufrieden mit unseren Shiftphones 6mq, die genau dieses erfüllen. Es gab leichte Startschwierigkeiten, aber nun läuft ein phone mit Google Android und ein Google freies Android Betriebssystem, die von der deutschen Firma nachhaltig gepflegt werden mit Sicherheitsupdates. Besonders lobenswert: Akkus können easy rausgenommen werden, Display konnte ich leicht wechseln nach Schaden und die Firma bietet beide Betriebssysteme und Garantie gejht nicht verloren bei Rooten der Phones. Aktuell arbeiten die wohl an einem Tablet bzw ner Kombination ausTablet und Handy.
    Danaben gibt es ja noch das Fairphone mit wohl ähnlichem Konzept.
    Es tut sich was….

  • am 28.09.2022 um 00:29 Uhr
    Permalink

    Die Reparierbarkeit von Handys wird nicht viel nützen wenn wichtige Apps für ältere Geräte nicht mehr verfügbar sind. Z.B musste ich schlechte Erfahrungen bei der «Genossenschaftsbank» Raiffeisen machen, weil die neue PhotoTAN App für mein altes Handy nicht mehr verfügbar war.
    Nicht viel besser bei der SBB, wo die Fahrplan App für ältere Geräte auch nicht mehr einsetzbar war. Aber immerhin kann man noch den Browser für den Fahrplan einsetzen.
    Abschaltung von Analog Radio / TV und nicht kompatible Standards sind weitere Beispiele. Ebenso Festnetztelefonie Umstellung auf VoIP.

    • alex_nov_2014_1_3_SW(1)
      am 28.09.2022 um 09:39 Uhr
      Permalink

      Berechtigter Einwand, was aber lösbar wäre. Ich befürchte eher einen anderen Fallstrick: die technologische Entwicklung. Bisher sind Anwendungen der Kapazität der Geräte immer gefolgt. Das heisst, sobald ein Gerät mehr Speicher und eine höhere Geschwindigkeit hatte oder neue Fähigkeiten, wurden Anwendungen entwickelt, die diese auch ausnützten. Wenn jemand dann ein neues Smartphone kauft, weil er die neueste App auch haben und nutzen will, hilft Reparatur wenig. Oder wir sind da, wo wir mit den ersten PC-Towers waren und tauschen regelmässig Memory-Chips aus. ;*)

      • am 28.09.2022 um 17:54 Uhr
        Permalink

        «Bisher sind Anwendungen der Kapazität der Geräte immer gefolgt.»
        Das trifft zu, und ist in einem gewissen Mass auch verständlich.
        Unverständlich ist jedoch, wenn dies auch Updates von Apps betrifft, welche überhaupt keine besonders anspruchsvollen Rechenleistungen erfordern.
        Wenn eine Fahrplan-App plötzlich mit der Rechenleistung eines älteren Handys nicht mehr läuft, so ist das in meinen Augen «Rückschritt durch Fortschritt». Es ist schlicht minderwertige Programmierung, wenn für die gleiche Funktion (ergänzt vielleicht mit einigen Features, die man nicht wirklich braucht, und die auch nicht so ungeheuer kompliziert sind) plötzlich im Hintergrund ein Mehrfaches an Rechenleistung erbringen muss. Oder aber es ist Absicht, weil die Software-Industrie der Hardware-Industrie etwas Gutes tun will, indem sie die Nutzere zu Neuanschaffungen zwingt…

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