Krisenzeiten sind gut für Spekulationsgewinne foodwatch

Krisenzeiten sind offenbar gut fürs Geschäft im Agrarhandel © Montage foodwatch

Je mehr Krise, umso mehr Profit für Agrarhandelsunternehmen

Markus Mugglin /  Bauern protestieren gegen vieles, nicht aber gegen die Agrarhändler, obwohl diese in Krisenzeiten die Gewinner sind.

In Brüssel, Paris, Berlin, in Polen an der Grenze zur Ukraine und selbst in der Schweiz – europaweit riefen die Bauern zum Protest auf, blockierten Strassen, setzten die Regierungen unter Druck. Mal richtete sich ihr Protest gegen die Bürokratie der EU und der Regierungen, gegen den Green Deal der EU, gegen hohe Diesel- und Düngemittelpreise, gegen die Konkurrenz durch Billigimporte oder die zu hohen Margen des Gross- und Detailhandels. Doch die grossen Profiteure im globalen Agrar-Business blieben von den Protesten verschont – die vier global tätigen Grosskonzerne Archer Daniels Midland, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus, die rund 70 Prozent des Welthandels der Agrarrohstoffe Weizen, Reis und Soja kontrollieren und alle von Genf und Umgebung aus ihr lukratives Geschäft tätigen.

Rekordgewinne ab 2020

Die vier grossen Agrarhändler, kurz als Gruppe ABCD genannt, sind zusammen mit der chinesischen Cofco die grossen Profiteure der jüngsten Unruhen und Schwankungen im globalen Geschäft mit Nahrungsmitteln. Der «Trade and Development Report 2023» der Uno-Organisation für Handel und Entwicklung UNCTAD hat bereits im letzten Jahr darauf aufmerksam gemacht. Die Preissprünge während der Corona-Krise und nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine brachten ihnen Rekordgewinne ein. Lag der Gewinn für die ABCD-Gruppe 2019 erst bei etwa vier Milliarden US-Dollar, stieg er im Corona-Jahr 2020 auf sechs und 2021 auf rund zehn Milliarden. Im Jahr des Angriffskriegs gegen die Ukraine erhöhte er sich sogar auf annähernd 14 Milliarden US-Dollar.

Den grössten Gewinnzuwachs erzielte mit Cargill der weitaus grösste Agrarhandelskonzern. Einen ebenso grossen Gewinnsprung erzielte die umsatzsmässige Nummer zwei Archer Daniels Midland.

Es geht nach der Formel, je mehr Unsicherheit, umso mehr Profit. Oder wie die UNCTAD feststellte: «Unregulierte Finanzaktivitäten tragen erheblich zu den Gewinnen der globalen Lebensmittelhändler bei.» Die Gewinne sind dann am stärksten gestiegen, als sich die Spekulationsumsätze auf den Rohstoffmärkten und die Umsätze im unregulierten Schattenbanken-System stark erhöht hatten. Die UNCTAD spricht deshalb von exzessiver Spekulation. Sie findet ausserbörslich statt und übertrifft bei weitem die auf den Rohstoffmärkten üblichen Terminkontrakte, bei denen sich Anbieter und Käufer seit jeher gegen Preisrisiken absichern.

Die grossen Agrarkonzerne sind in den letzten Jahren selber zu grossen Akteuren in der Spekulation aufgestiegen. Sie nutzen nicht nur ihr Wissen über Ernteaussichten, Preisentwicklungen, Wetterdaten und politische Entwicklungen in den verschiedensten Weltregionen aus, sondern haben viel in Lagerkapazitäten investiert, halten Vorräte, sind aber nicht verpflichtet, ihre Informationen offenzulegen. Sie haben mit Hunderten von Niederlassungen ein weit verzweigtes Netz über die Welt ausgespannt und verstehen es, von unterschiedlichen nationalen Regulierungen zu profitieren. Sie sind inzwischen – so die UNCTAD – auch wichtige Akteure im weltweiten intransparenten Schattenbankensystem.

Finanzsegen auch für öffentliche Haushalte

All das hat viel mit der Schweiz zu tun. Cargill und Dreyfuss sind längst in Genf präsent. Bunge ist es auch schon seit geraumer Zeit und hat neulich auch seinen Hauptsitz von den Bahamas nach Genf verlegt. Auch Archer Daniels Midland hat in der Region eine Niederlassung.

Dem Kanton Genf sind die Krisenjahre gut bekommen. Seine Einnahmen sind 2022 um 20 Prozent höher ausgefallen, als sie budgetiert waren, stellte Avenir Suisse in einer Studie über die kantonalen Finanzhaushalte fest. Statt des budgetierten Defizits von 820 Millionen Franken resultierte ein Überschuss von 1,45 Mrd. Franken. Mit einem Plus von 49 Prozent gegenüber dem Budget sind laut Avenir Suisse insbesondere die Steuererträge der Unternehmen massiv gestiegen. Und aus Genf war zu erfahren, dass ein grosser Teil der Steuereinnahmen von einigen wenigen Grossunternehmen stammen (La Liberté, 17.11,2023). Dazu zählen bestimmt die Agrarhändler, aber zweifellos auch andere Rohstoffhandelsunternehmen.

Die Tendenz zu höheren Einnahmen aus den Steuerabgaben von Unternehmen halte schon seit ein paar Jahren an, wurde berichtet. Warum der Geldsegen ausgerechnet in die Krisenjahre mit Covid und dem Krieg in der Ukraine fiel, darüber schwieg man sich hingegen aus. Es wäre dem Ruf der Schweiz und insbesonders Genfs abträglich, plötzlich als Kriegsgewinner öffentlich blossgestellt zu werden.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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3 Meinungen

  • am 7.04.2024 um 20:13 Uhr
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    Nicht von ungefähr baumelten früher bei spontanen Entladungen des Volkszorns die Spekulanten zuerst an der Laterne. Schon zur Zeit der französischen Revolution und der Koalitionskriege machten sich Spekulanten auf Kosten des hungernden Volkes die Taschen voll und wurden zu den ersten Neureichen der neuen Ära. Das setzte sich in den napoleonischen Kriegen fort. Diesen Leuten kommt nichts mehr zupass als Krieg und Krise; sie leben von Knappheit und Hunger und während sich die kleine feine Schweiz über honorige Steuerzahler freuen darf, verrecken woanders die Leute. Und natürlich protestieren die Bauern nicht gegen Spekulanten; das wäre ja ein sehr unerwünschtes antikapitalistisches Statement, genausowenig wie sich Klimakleber vor Tankstellen oder vor den Hauptquartieren der Ölkonzerne ankleben oder Feministinnen heute noch gegen Prostitution, Leihmutterschaft oder Pflegeausbeutung auf die Straße gehen. Stattdessen werden wir mit Schattenfechtereien abgelenkt. Danke für diesen Artikel.

  • am 8.04.2024 um 10:35 Uhr
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    Seit ich die Privilegien-Liste für die Bauern durcharbeitete sage ich : Kein Bauer soll mir noch etwas sagen. Diese Liste ist riesig, die 21 Milliarden Subventionen sind dabei nur ein Teil.

  • am 9.04.2024 um 07:12 Uhr
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    Bei uns in Appenzell Innerrholden sagten alle Bauern, denen ich vor der 13.AHV-Renten-Abstimmung begegnete, sie bräuchten diese Rente nicht und stimmten wohl dann auch entsprechend NEIN zur Initiative.
    Nach diesen Voten dachte ich schon damals, dass man die 13.AHV-Rente aus den vielen überflüssigen Subventionen der Bauern finanzieren könnte.
    Ihr Artikel Herr Mugglin zeigt mir, dass diese Idee gar nicht so abwegig war. Vielen Dank dafür.

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