Erdbeben Christchurch Neuseeland Februar 2011

Eingestürztes Haus im neuseeländischen Christchurch nach dem Erdbeben im Februar 2011. Die Versicherungen gingen damals von Schäden von umgerechnet etwa 15 Milliarden Franken aus. © Depositphotos

Absurde Erdbebenversicherung: Kein Geld für hohe Schäden

Esther Diener-Morscher /  Weil Erdbebenschäden unberechenbar sind, sichern sich Schweizer Versicherer ab. Würde es zu teuer, zahlen sie nicht.

Ein schweres Erdbeben in einer Schweizer Stadt würde Milliarden-Schäden verursachen. Der Schweizerische Erdbebendienst (SED) hat das Risiko berechnet: Über einen Zeitraum von 100 Jahren können Erdbeben in der Schweiz Gebäudeschäden von 11 bis 44 Milliarden Franken verursachen. Ein grosses Erdbeben würde für viele Hauseigentümer den finanziellen Ruin bedeuten. Versicherungen, welche ihre Kunden für Erdbebenschäden versichert haben, müssten gigantische Summen zahlen.

Den kantonalen Gebäudeversicherungen ist dieses Risiko zu hoch und zu wenig einschätzbar. Einzig die Gebäudeversicherung des Kantons Zürich würde bei einem Erdbeben einen Teil der Schäden im Kanton bezahlen. Die anderen Kantone bieten gar keine Erdbebenversicherung an. Dafür springen private Versicherungen in die Bresche – angeblich. Wer eine solche Erdbebenversicherung abschliessen will, muss das Kleingedruckte genau lesen. Dort sichern sich viele Versicherungen ab und begrenzen den Betrag, den sie zahlen würden. Für die Mobiliar-Versicherung etwa liegt die oberste Limite bei einer Milliarde Franken pro Beben – für alle Versicherten zusammen.

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«Beben von noch nie dagewesener Zerstörungskraft»

Sind nur wenige versicherte Hausbesitzer betroffen, kann die Versicherung vermutlich alle Schäden ersetzen. Zerstört das Beben aber viele Gebäude, reicht das Geld nicht für den vollen Ersatz. Der Mediensprecher der Mobiliar, Jürg Thalmann, relativiert gegenüber Infosperber: «Dies wäre nur der Fall, wenn sich ein Beben von noch nie dagewesener Zerstörungskraft ereignen würde und dadurch die Existenz der Mobiliar gefährden könnte.»

Hausbesitzer, die sich unbegrenzt für ein solches unvorhersehbares Ereignis versichern wollen, finden auch Gebäudeversicherungen, die keine Höchstschadengrenze festlegen. Das heisst aber nicht, dass diese Versicherer bei einem grossen Beben auch tatsächlich alles zahlen würden. Ein schweres Erdbeben in dicht besiedeltem Gebiet würde wohl jede Schweizer Versicherung an ihre Grenzen bringen. Vor allem dann, wenn auch noch Häuser betroffen wären, die Teil ihres eigenen Vermögens sind.

Mehr Chancen auf einen vollen Schadenersatz haben Hauseigentümer, wenn sie die Erdbebenversicherung bei einem Unternehmen abschliessen, das international tätig ist und das Risiko deshalb besser streuen kann. Weil Erdbeben aber unvorhersehbar und die Schäden völlig unberechenbar sind, ist eine Versicherung mit Prämien, die im Voraus einbezahlt werden, grundsätzlich eine schlechte Lösung.

Früher zahlte die Brandkasse – nachträglich

Der Bund will deshalb beim Erdbeben-Risiko auf eine frühere Versicherungsform zurückgreifen, die so genannte Nachschussversicherung: Die Versicherten zahlen keine Prämien im Voraus. Erst nach einem Schaden wird von allen Mitgliedern ein festgelegter Beitrag erhoben (siehe Kasten).

In der Schweiz funktionierten früher die so genannten Brandkassen nach diesem Prinzip. Sie hatten einen Nachteil: Die Hausbesitzer wussten nicht, welche Kosten auf sie zukommen können. Die Brandkassen wurden deshalb durch die Gebäudeversicherung abgelöst. Aber bei Erdbeben könnte das alte System durchaus sinnvoll sein. Die versicherten Eigentümer wüssten zwar nicht, wie viel sie im Schadenfall in die «Erdbebenkasse» einzahlen müssten; aber wenigstens könnten sie darauf hoffen, dass der Schaden gedeckt würde, wenn sie selber betroffen wären.

So will der Bund Erdbebenschäden versichern

Derzeit sind etwa 15 Prozent der Hausbesitzer gegen Erdbebenschäden versichert. Bei den kantonalen Gebäudeversicherungen hat der Kanton Zürich einen eigenen Erdbebenfonds mit 1 Milliarde Franken. 17 weitere kantonale Gebäudeversicherer haben den Schweizerischen Pool für Erdbebendeckung gegründet, der bis 2 Milliarden Franken zahlen könnte.

Der Bundesrat findet das keine angemessene Absicherung. Er schlägt vor, dass nach einem schweren Erdbeben alle Hauseigentümer einen Beitrag von maximal 0,7 Prozent der Gebäudeversicherungssumme zur Schadendeckung leisten müssten. Damit kämen bis zu 22 Milliarden Franken zusammen. Das entspricht einem Schaden, der gemäss Modellrechnungen ungefähr innerhalb von 500 Jahren zu erwarten ist.

Je dunkler umso gefährdeter: Die Erdbebengebiete der Schweiz.

Wie hoch ist das Risiko an meinem Wohnort?

Der Schweizerische Erdbebendienst betreibt eine Website, auf welcher sich das Erdbebenrisiko an jedem Wohnort in der Schweiz ermitteln lässt.
 


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Keine
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3 Meinungen

  • am 19.05.2025 um 11:14 Uhr
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    Bei den kantonalen Gebäudeversicherungen handelt es sich um Zwangsversicherungen mit Gebietsmonopol. Das bedeutet: Diese dürfen nur versichern, wofür sie vom kantonalen Gesetzgeber beauftragt sind, und auch das nur innerhalb ihrer kantonalen Grenzen. Und dazu gehört mit guten Gründen – mit Ausnahme Zürichs – das Erdbebenrisiko nicht. Die versicherungstechnische Tragbarkeit wäre wegen des Gebietsmonopols und der Höhe des zu erwartenden Schadens nicht gegeben. Deshalb sind seit Jahren Bestrebungen im Gange, eine nationale Erdbebenversicherung – allenfalls denkbar als gemeinsame Einrichtung der kantonalen Gebäudeversicherungen – zu schaffen. Diese Bestrebungen sind bisher alle am gemeinsamen Widerstand von Hauseigentümerverband, Privatversicherern und Marktjunkies gescheitert. Dabei sind zwei Dinge klar: Das Erdbebenrisiko besteht und in dieser Sache hat eine (nationale) Monopolanstalt erwiesenermassen Vorteile gegenüber jeder privaten Lösung.

  • am 19.05.2025 um 12:41 Uhr
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    Erdbebenversicherung nur bei Loyds International abschliessen.

  • am 19.05.2025 um 19:57 Uhr
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    So ist es. Auch Brände als Elementarereignis sind oftmals nicht automatisch versichert. Bei Haushaltsversicherungen sind die «Allgemeinen Vertragsbedingungen» deshalb ganz besonders wichtig. Übrigens unterscheiden sich die Prämien für dieselbe Deckung zwischen Versicherern locker um über 100%, und selbst beim selben Versicherer können sich die Prämien zwischen klassischen Modellen und Online-Modellen schnell um 100% unterscheiden. Vergleichen ist hier Pflicht. Gilt übrigens auch für den Einschluss von E-Bikes oder den Ersatz von Schmuck und Bargeld.

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