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Wer Nachwuchs haben möchte, sollte mit Umweltchemikalien vorsichtig sein. © pexels

PFAS: Ewige Chemikalien können Frauen unfruchtbar machen

Daniela Gschweng /  Frauen, die schwanger werden wollen, sollten sich vor PFAS in Acht nehmen, fand eine Studie mit mehr als 300 Frauen.

Unfruchtbarkeit betrifft mehr Menschen als bisher angenommen, stellte die WHO erst kürzlich fest.

Jeder sechste Mensch im fortpflanzungsfähigen Alter ist laut WHO davon betroffen. Unfruchtbarkeit wird dabei definiert als fehlgeschlagene Bemühung gesunder Menschen, innerhalb eines Jahres ein Kind zu zeugen.

Frauen, die schwanger werden wollen, sollten die Chemikalienklasse der PFAS meiden, rät eine neue Studie. Die «ewigen Chemikalien» können die weibliche Fruchtbarkeit demnach um bis zu 40 Prozent einschränken.

Die Fruchbarkeit westlicher Menschen nimmt stetig ab

Dass Umweltchemikalien die Fruchtbarkeit beeinflussen, ist nicht neu. Die Reproduktionsmedizinerin Shanna Swan warnt beispielsweise davor, dass Umweltchemikalien bereits im Mutterleib so auf das heranwachsende Kind einwirken, dass es später weniger fruchtbar ist. Ihre Erkenntnisse legte sie vor zwei Jahren in dem Buch «Count Down» dar.

Swan, die für mehrere Samenbanken arbeitete, beklagt insbesondere die stetig abnehmende Spermienqualität westlicher Männer. Forschende aus den USA und Singapur haben nun dem Zusammenhang der weiblichen Fruchtbarkeit mit PFAS-Belastung von Frauen untersucht.

Dazu verwendeten sie Daten aus der Langzeitstudie S-PRESTO, die zwischen 2015 und 2017 mehr als 1000 Frauen mit Kinderwunsch begleitete. 475 der 1032 Teilnehmerinnen wurden innerhalb eines Jahres schwanger, es wurden 373 lebende Kinder geboren. Die Studie, die in Singapur durchgeführt wurde, erfasste zahlreiche begleitende Daten.

Je mehr PFAS im Blut desto geringer die Fruchtbarkeit

Die Forschenden untersuchten das Blutplasma von 382 teilnehmenden Frauen auf sieben verschiedene PFAS und stellten die Anzahl erfasster Schwangerschaften und Geburten gegenüber. Dabei zeigte sich, dass sowohl einzelne PFAS wie auch deren Kombination die Fruchtbarkeit beeinflussen. Ihre Ergebnisse legten sie im Fachmagazin «Science of the Total Environment» dar, das im Mai veröffentlicht wird.

Die Forschenden teilten die Probandinnen nach der Höhe ihrer Chemikalienbelastung in vier Gruppen ein. Dabei verringerte sich die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft mit jeder Gruppe um 5 bis 10 Prozent. Bei Frauen mit PFAS-Belastungen, die ein Viertel über dem Durchschnitt lagen, war die Wahrscheinlichkeit, innerhalb eines Jahres schwanger zu werden, um 40 Prozent geringer. Auch die Wahrscheinlichkeit einer Lebendgeburt war bei ihnen kleiner.

Zusammen schädlicher: der Cocktail-Effekt

Aus den Daten geht ausserdem hervor, dass die Kombination mehrerer PFAS die Fruchtbarkeit mehr einschränkt als einzelne PFAS. Dieser Cocktail-Effekt sei nachvollziehbar, sagt Damaskini Valvi, Assistenzprofessorin am Icahn Mount Sinai Spital in New York, und eine der Autorinnen. «Mehrere Chemikalien zusammen können einen grösseren Einfluss auf die Gesundheit haben», sagte sie zum «Guardian», der über die Studie berichtete.

Wie PFAS die die weibliche Fruchtbarkeit beeinflussen, wissen die Forschenden noch nicht. PFAS gelten jedoch als endokrine Disruptoren, das heisst, als Chemikalien, die das menschliche Hormonsystem beeinflussen können.

Die in der Umwelt quasi unzerstörbaren Chemikalien würden zum Beispiel mit einem höheren Risiko für das Auftreten von Endometriose oder des polyzystischen Ovarsyndroms in Verbindung gebracht. Beide Krankheiten könnten es erschweren, schwanger zu werden, sagt Valvi gegenüber «Euronews».

«Unsere Studie legt nahe, dass Frauen, die eine Schwangerschaft planen, sich der schädlichen Auswirkungen von PFAS bewusst sein und Vorsichtsmassnahmen ergreifen sollten, um eine Exposition gegenüber dieser Klasse von Chemikalien zu vermeiden»

Nathan Cohen, Icahn School of Medicine am Mount Sinai in New York

Den Hormonstatus der Teilnehmerinnen habe S-PRESTO aber leider nicht erfasst, erklärt Hauptautor Nathan Cohen, der ebenfalls an der Icahn School of Medicine am Mount Sinai arbeitet, an gleicher Stelle. Die Studie lege aber auf jeden Fall nahe, dass Frauen, die schwanger werden möchten, sich der schädlichen Auswirkungen von PFAS bewusst sein sollten.

Den grössten Einfluss in PFAS-Gemischen hatte die Chemikalie PFDA (Perfluordecansäure). Auch die bekannten Chemikalien PFOS (Perfluoroctansulfonsäure) und PFOA (Perfluoroctansäure) sowie Perfluoroheptansäure (PFHpA) beeinflussten die Fruchtbarkeit der Probandinnen. Eine Einschränkung bedeutet laut Cohen die Beschränkung auf nur sieben der häufigsten PFAS. Eine mögliche Belastung der Väter sei ebenfalls nicht eingeflossen.

Wie PFAS die weibliche Fruchtbarkeit stören, ist unklar

Andere Studien haben PFAS mit Krankheiten während der Schwangerschaft in Verbindung gebracht oder mit bleibenden Veränderungen des Ungeborenen wie spätere Neigung zur Fettleibigkeit und Diabetes.

Solange die genaue Wirkung von PFAS auf die reproduktive Gesundheit nicht geklärt ist, sind generelle Warnungen allerdings schwierig. Neben einigen Studien, die den Einfluss von PFAS auf die Fruchtbarkeit nahelegen, gibt es auch solche, die kaum Auswirkungen fanden. Forschende, die die Wirkung der Chemikalie PFOS auf Frauen in Norwegen untersuchte fand beispielsweise nur einen schwachen Einfluss auf deren Fruchtbarkeit. Eine andere Studie untersuchte die Follikelflüssigkeit von australischen Frauen, die sich einer künstlichen Befruchtung unterzogen, und fand gar keinen Zusammenhang.

PFAS vermeiden – leichter gesagt als getan

PFAS zu vermeiden, ist leichter gesagt als getan. Es gibt insgesamt tausende Vertreter der Chemikalienklasse, die breit verwendet werden. Nicht alle sind gleich giftig, von vielen ist die Toxizität nicht bekannt. Aufgrund ihrer wasser- und fettabweisenden Eigenschaften kommen PFAS zum Beispiel in Fast-Food-Verpackungen, in Zahnseide oder Outdoor-Kleidung vor. Die meisten Menschen sind vorbelastet und haben mehr oder weniger grosse Mengen PFAS im Blut. Eine europaweite Recherche mehrerer grosser Medien stellte vor Kurzem fest, dass noch lange nicht alle Quellen giftiger PFAS überhaupt erfasst sind.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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