Lobbyisten Klimakonferenz.TheBreach

Lobbyisten der Erdölindustrie an der Klimakonferenz in Ägypten © TheBreach

Die 636 Lobbyisten der Fossilindustrie wurden unterschätzt

Peter Gerber /  An der Klimakonferenz COP27 bremsten neben China jene, die mit fossilen Energieträgern viel Geld verdienen.

Die neueste Klimakonferenz in Ägypten ging ohne Fortschritte für den Klimaschutz zu Ende. In seiner Spiegel-Kolumne «Im Hintergrund agieren die Saboteure» spürt Kolumnist Christian Stöcker die Verantwortlichen auf. Neben China, das pro Einwohner nach Australien, Kasachstan, Südafrika, Russland und Polen am meisten Kohle fördert, richtet Stöcker den Blick auf folgende Zahl: In Sharm el-Sheikh nahmen 636 Lobbyisten von Öl-, Gas- und Kohlekonzernen teil. Das waren 25 Prozent mehr als im Vorjahr, wie die Umweltorganisation Global Witness errechnete. Sie kritisierte, dass COP27 in diesem Jahr zu einer Lobbying-Veranstaltung wurde. Damit war die fossile Lobby mit mehr Leuten an der Klimakonferenz vertreten als die zehn am meisten vom Klimawandel betroffenen Staaten zusammen.

Einige von ihnen seien sogar Teil der offiziellen Delegationen der Staaten gewesen, hatten also Zutrittsrechte zu Räumlichkeiten, die Medien oder NGOs versperrt blieben. So war etwa der CEO des Ölkonzerns BP, Bernard Looney, als Teil der mauretanischen Delegation nach Sharm el-Sheikh gereist. Insgesamt nahmen rund 4500 Personen an der Konferenz teil.

Der Spiegel-Kolumnist zeigt auf, welche Rolle der Lobbyapparat der Fossilindustrie generell spielt: 

  • Einfluss auf Wissenschaft und Forschung: Durch die Fossilbranche finanzierte Forschungsinstitutionen erstellen bezahlte Auftragsstudien. Diese «widerlegen» in schöner Regelmässigkeit die Ergebnisse unabhängiger Institute.
  • Einfluss auf die Justiz: Als «Bürgerklagen» getarnte juristische Einsprachen gegen Grossprojekte zur Erzeugung erneuerbarer Energie. Solche Verhinderungstaktiken werden oft massgeblich durch Öl- und Gaskonzerne und deren Lobbys (mit-)finanziert und organisiert. 
  • Einfluss auf die Medien: Die Fossilindustrie bestimmt beispielsweise mittels teurer Inseratekampagnen Medieninhalte mit und manipuliert dadurch die öffentliche Meinungsbildung.
  • Drehtürphänomene: Es bestehen enge personelle Netzwerke zwischen Industrie, Behörden, Politik und Forschung.

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KOMMENTAR

Ohne dieser Auflistung von Lobbying-Strategien ihre Relevanz abzusprechen sei die Bemerkung erlaubt: All dies ist bereits seit langem bekannt und hat wenig mit dem konkreten Anlass des Klimagipfels zu tun. Wirklich interessant wäre es gewesen zu erfahren, wie die Lobbyarbeit an solchen Konferenzen im Detail abläuft. Wer spricht mit wem und welche Vereinbarungen und Partnerschaften werden geschlossen? Welche Gelder fliessen woher und wohin? Klar: Die entscheidenden Gespräche in der Politik finden mehrheitlich hinter verschlossenen Türen und unter Ausschluss der Journalist/-innen statt und selbstverständlich hat eine Kolumne keinen investigativ-journalistischen Anspruch.

Auch verwendet der Autor den Begriff «Roh-CO2» anstatt von Rohöl und Rohkohle zu reden. Mit der Förderung und dem Verkauf von «Roh-CO2» würden die erwähnten Interessensgruppen der Fossilindustrie viel Geld verdienen. Mit Verlaub: So etwas wie «Roh-CO2» gibt es nicht und kann folglich auch nicht verkauft werden. CO2 entsteht (unter anderem) bei der Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Brennstoffen. Dies gilt z.B. auch für Holz (das als nachwachsender Rohstoff als CO2-neutral gilt) und Plastik. Die Umweltschäden unterscheiden sich je nach Energieträger sehr stark. Die Fossilindustrie verdient ihr Geld mit der Förderung und dem Verkauf von fossilen Brennstoffen. CO2 hingegen wird – wenn man so will – im CO2-Zertfikathandel verkauft. Dieses Marktinstrument gilt gemeinhin als Teil der Lösung des Klimaproblems.

Sprachliche Polemik mittels Begriffsneuschöpfungen, die an Fakenews grenzen, ist im Zusammenhang mit der Zerstörung unserer Lebensgrundlage nicht hilfreich. Erst recht nicht, um eine Diskussion zu führen, die auf Lösungsfindung – und nicht auf Spaltung – ausgerichtet ist.

Dabei geht der eigentliche Skandal fast ein wenig unter: Lobbyismus wird immer noch toleriert, ja, er ist legal, obwohl er dem Gemeinwohl zutiefst schadet.

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Förderung von Kohle pro Einwohner

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Lobbyist_Hand

Macht und Einfluss von Lobbys

Für Anliegen zu lobbyieren ist legitim. Doch allzu mächtige Lobbys korrumpieren Politik und Gesellschaft.

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5 Meinungen

  • am 24.11.2022 um 14:35 Uhr
    Permalink

    Soweit ich das denn richtig verstanden hatte wurde in einer Sendung auf Arte belegt das allein die amerikanische Armee gut 25% des Co2 Ausstosses der Amerikaner ausmacht.
    Es sind also nicht allein die Förderer Fossiler Energien, die gesamte Weltwirtschaft hat ein Interesse an Warenverkehr, billig mit Schweröl, oder schnell mit Kerosin, sowie auch die Energieriesen die mit Gas, Kohle und Öl billiger Strom erzeugen als mit sogenannten regenerativen Energien.
    Fest steht aber dass das Problem nicht mit Umstellung auf Solar und Batterie getan ist. Es gibt überhaupt nicht so viele Rohstoffvorkommen um die Welt mit regenerativer Energie versorgen zu können. Es muss also ein generelle Umdenken erfolgen.
    Nur, zum Denken ist unsere Zeit abgelaufen! Die Dinosaurier wollten wohl nicht aussterben, wir schaffen uns hingegen selbstbestimmt ab.

  • am 25.11.2022 um 00:32 Uhr
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    Die Massen brauchen für die Massenproduktion Energie in grossen Massen. Die Temperaturen werden weiter steigen, Menschen- und Wassermassen werden sich immer schneller in Bewegung setzen und dann beginnt ein Massensterben. Exponentielle Wachstumssysteme werden kollabieren.

  • am 25.11.2022 um 05:18 Uhr
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    Lobbying ist legitim. Andere Interessengruppen machen das ja auch und bisher ist weder Öl- noch Gasförderung illegal. COP27 war nach dem Resultat zu urteilen, nicht ‹das CO2 wert, dass dazu ausgestoßen wurde›. Zumindest bezüglich der Ergreifung realer Maßnahmen gegen den Klimawandel.
    Außer auf einen ‹Ausgleichsfonds› konnte man sich auf nichts wesentliches einigen – und deshalb flogen hunderte von VIPs mit Privatjets nach Ägypten (hätte man auch im Zoom-Format machen können) um ihren Bürger nachher zu sagen, sie müssten weniger heizen, kalt duschen und in Zukunft für Überschwemmungen in Pakistan mit ihren Steuergeldern bezahlen. Obwohl es auch mit solchen Zahlungen nicht weniger Überschwemmungen oder Migranten geben wird – denn die Zahlungen lösen das Problem nicht. Und so geht es weiter: Jedes Jahr wird die Dringlichkeit einer angeblichen Klimakrise beschworen, aber die Maßnahmen zu deren Lösung oder Abwendungen sind fast immer nicht zielführend und des öfteren sogar kontraproduktiv

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 25.11.2022 um 18:22 Uhr
    Permalink

    Können Sie sich eine Armee mit elektro-Panzern usw vorstellen. Jetzt wo es klar ist, dass «dual-use» Infrastrukturen legitime Militärziele sind… und Stromnetze einfach zu bombardieren sind ?!
    Wenn einmal alle Armeeleute zu Fuss in den Krieg ziehen müssen, dann dürfte der Unsinn der zentralisierten Elektro-ökonomie auch dem letzten Infanteristen klar geworden sein.

    Wenn man offenen Auges neue Abhängigkeiten schafft, sollte sich irgendwer am Kopf kratzen.

    Thermische Motoren haben den Vorteil von Portabilität und individueller Unabhängigkeit. Solange Elektrizität nicht dezentral produziert und konsumiert werden kann, und individuelle Lagerhaltung ökonomisch nicht möglich ist, sollte noch etwas mehr über die Zeitenwende nachgedacht werden.

    «The grid is the problem, stupid.»

  • am 26.11.2022 um 13:14 Uhr
    Permalink

    Natürlich wird CO2 in komprimerter Form in den handel gebracht und der chemischen Industrie wird er als Ausgangsstoff verwendet

    By the way: Wer sich sein Mineralwaser selber bastelt, braucht CO2-Druckflaschen
    https://gase-kaufen.de/67-co2-kohlensaeure

    Aber was rede ich: Deutschland hat mit Qatar aktuell (ebenso wie China) einen langfristigen Liefervertrag für LNG ageschlossen! Da nützt auch ‹Klappehalten› und ‹Armbinde› nichts

    Wem es da nicht hochkommt ….

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