Wie die Alpiq 1,7 Milliarden in den Sand setzte

Hanspeter Guggenbühl /  Der Stromüberfluss beutelt die Alpiq. Ihre fossilen Kraftwerke verursachen einen Milliardenverlust. Jetzt wird abgebaut.

Mit Expansion und Fusionen hat sich der Stromkonzern Alpiq zum Schweizer Marktleader im internationalen Stromgeschäft aufgebaut. Er profitierte bis 2008 von steigenden Marktpreisen und tiefen Produktionskosten in eigenen Kraftwerken. Doch mit der Rezession 2009 kam für Alpiq und andere Stromproduzenten die Wende: Überkapazität an Kraftwerken drückte die Preise auf dem Strommarkt und machte vor allem die Gaskraftwerke unrentabel. Exportorientierte Schweizer Stromfirmen litten zusätzlich unter dem sinkenden Eurokurs. Resultat: 2011 verbuchte die Alpiq einen Konzernverlust von 1,3 Milliarden Franken.

1,7 Milliarden ¨für Wertberichtigungen

An der Medienkonferenz am Dienstag in Zürich, die Klimaschützer mit einer Demonstration umrahmten, informierten die Alpiq-Manager darüber, wie dieser Verlust entstanden ist. Hauptgrund: Die Alpiq hat mit ihren Investitionen in – vorwiegend fossile – Kraftwerke und Beteiligungen insgesamt 1,7 Milliarden Franken in den Sand gesetzt.

In der Buchhaltersprache heisst das: Sie musste 2011 «ausserordentliche Wertberichtigungen und Rückstellungen» vornehmen. Davon entfielen 510 Millionen auf eigene Kraftwerkanlagen im In- und Ausland, 435 Millionen auf die inzwischen verkaufte Beteiligung an der italienischen Edipower, die über Gas-, Öl- und Kohlekraftwerke verfügt, und 387 Millionen auf weitere Beteiligungen. Für «Restrukturierungsmassnahmen» hat sie 378 Millionen zurück gestellt. Vergleichsweise bescheiden ist die Abschreibung von 35 Millionen Franken, die Alpiq in die Planung eines neuen Atomkraftwerks in Gösgen steckte, und die mit dem vom Parlament verfügten Neubauverbot jetzt verloren sind.

Dem Ausbau folgt der Abbau

Schlechter als in früheren Jahren lief auch das Tagesgeschäft: Bei einem Nettoumsatz von 14 Milliarden Franken blieb ein operativer Gewinn von 258 Millionen (Vorjahr: 645 Mio.). Viel Geld investierte die Alpiq 2011 in den Bau oder Kauf von neuen Kraftwerken, die schon früher vorgespurt wurden. Dazu gehören Gaskraftwerke in Frankreich, Italien und Spanien, ein Ersatz-Kohlekraftwerk in Tschechien, Windkraftwerke im Ausland sowie Pumpspeicherkraftwerke im Inland.

Auf der andern Seite baut Alpiq ab: Nach der Edi-Power-Beteiligung will sie auch ihre Anlagetechnik-Firma AAT verkaufen, Vertriebsorganisationen im Ausland schliessen und weitere geplante Kraftwerke stoppen. Mit interner Restrukturierung werden 450 Arbeitsplätze abgebaut. Künftig konzentriert sich Alpiq auf ihr Kerngeschäft. Dazu gehören die Produktion von Bandstrom vorwiegend im Ausland und die Veredelung zu Spitzenstrom in inländischen Wasser- und Pumpspeicher-Kraftwerken. Neu steigt Alpiq mit Tochterfirmen in die Elektromobilität ein sowie ins Geschäft zur Steigerung der Energieeffizienz.

Alpiq kann auch ohne EU-Vertrag leben

Seit Jahren verhandelt die Schweiz mit der EU über ein Abkommen, das Schweizer Stromfirmen den Zugang zum europäischen Strommarkt sichern soll. In seinem politischen Ausblick markierte Alpiq-Chef Hans E. Schweickardt dazu eine harte Position: «Wir sind an einem Abkommen interessiert, das den gegenseitigen Marktzugang regelt, unsere Langfristverträge schützt und die Versorgungssicherheit in der Schweiz und in Europa stärkt.»

Eine Verknüpfung des Stromabkommens mit andern «institutionellen Fragen» (automatische Rechtsübernahme, etc.), die der Bundesrat vorsieht, lehnt Schweickardt ab. Damit nimmt er ein Scheitern in Kauf mit den Worten: «Sollte es wegen institutionellen Fragen zu keiner Einigung kommen, dann ist das zu akzeptieren. Demokratie und Selbstbestimmung haben Vorrang. Der Strom fliesst nach physikalischen Gesetzen und auch ohne Abkommen, wohl einfach etwas komplizierter.»

Im Klartext heisst das: Die EU sei von der europäischen Stromdrehscheibe Schweiz stärker abhängig als die Schweiz von einem Abkommen mit der EU. Mit dieser Position unterscheidet sich die Alpiq vom Bundesrat. Dieser scheint eher zu Konzessionen bereit, weil er fürchtet, die EU könne die Schweiz, falls sie nicht einlenkt, künftig mit neuen Stromautobahnen umfahren.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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