Foratom Bigler

Hans-Ulrich Bigler, der Präsident des Nuklearforums Schweiz, sitzt auch im Vorstand des Europäischen Atomforums Foratom. © Foratom/Parlament

Schweizer Atomlobby mischt auch in Brüssel mit

Kurt Marti /  Das Europäische Atomforum Foratom fällt mit extremen Forderungen auf. Mitglied von Foratom ist auch das Nuklearforum Schweiz.

Die EU-Kommission liess Anfang Februar verlauten, dass sie die Atomenergie als «nachhaltig» einstufen und damit bessere finanzielle Bedingungen für zukünftige Atomkraftwerke schaffen will.

Foratom: Atom ist erneuerbar wie Solar, Wind und Wasserkraft

Doch Yves Desbazeille, der Generaldirektor der europäischen Atomlobby Foratom, ist mit dieser Weisswaschung der Atomenergie noch nicht zufrieden: «Wir sind nach wie vor enttäuscht, dass Kernenergie weiterhin als Übergangstechnologie behandelt wird. Wir sind fest davon überzeugt, dass sie zu den Klimaschutzzielen beiträgt und nicht mehr Schaden anrichtet als jede andere Energieerzeugungstechnologie, die bereits als taxonomiekonform gilt.»

Konkret: Foratom verlangt in seinem Forderungskatalog unter anderem, dass die Atomenergie – deren Abfälle notabene hunderttausende von Jahren radioaktiv strahlen – «genauso behandelt werden wie erneuerbare Energien», also Solar, Wind und Wasserkraft.

Zudem will Foratom, dass die Endlager für hochradioaktive Abfälle «nicht an eine feste Frist bis 2050» gekoppelt werden sollen, also zugunsten der Atomkraftwerke möglichst weit in die Zukunft verschoben werden.

SteuerzahlerInnen und StromkundInnen sponsern indirekt die Atompropaganda

Was hat das mit der Schweiz zu tun? Das Nuklearforum Schweiz ist Mitglied von Foratom und mischt folglich auch in Brüssel mit. Hans-Ulrich Bigler (FDP), Präsident des Nuklearforums und Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes, sitzt gar im Vorstand von Foratom.

Wie Infosperber vor kurzem aufgezeigt hat, müsste das Nuklearforum aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Vorstand eigentlich gegen den Bau neuer Atomkraftwerke sein. Denn 15 von 22 Vorstands-Mitglieder sind dem Volksentscheid gegen neue Atomkraftwerke verpflichtet, wenn man ihre Herkunft (Hochschulen und Stromunternehmen) betrachtet.

Die Atompropaganda des Nuklearforums in der Schweiz und in Brüssel wird unter anderem durch Mitgliederbeiträge von Hochschulen (Universität Genf, ETH Lausanne, Paul Scherrer Institut) sowie von Stromfirmen (Axpo, Alpiq, BKW) und deren Subunternehmen (Nagra, Zwilag, AKW Gösgen, AKW Leibstadt) finanziert.

Im Klartext: Die Schweizer SteuerzahlerInnen und StromkundInnen, die sich vor viereinhalb Jahren deutlich für ein Verbot neuer Atomkraftwerke ausgesprochen haben, finanzieren indirekt die Atompropaganda des Nuklearforums in der Schweiz und in Brüssel mit.

Die FDP im Schlepptau des Nuklearforums

2017 sagte das Schweizer Volk Ja zur Energiestrategie 2050 und gleichzeitig zu einem Verbot für den Bau neuer Atomkraftwerke. Auch die FDP war dafür.

Schon zwei Jahre später kam die FDP-Spitze arg ins Zweifeln. In einer Umfrage unter Mitgliedern zeigte sich eine Ja-Mehrheit von 56% für neue Atomkraftwerke.

Prompt meldete sich der Nuklearforums-Präsident Hans-Ulrich Bigler zu Wort. Gegenüber der Online-Plattform Nau erklärte der damalige FDP-Nationalrat im April 2019: «Die Botschaft der Basis ist klar: Wir wollen saubere Energie, deshalb wollen wir auch ein Comeback der Atomkraft.» Und deshalb verlangte er, dass die FDP-Parteileitung «diesen Aspekt in ihr Positionspapier einfliessen lassen» werde.

Biglers Forderung ging in Erfüllung. In einer Resolution zur Stromversorgungssicherheit zuhanden der FDP-Delegiertenversammlung von morgen Samstag heisst es: «So sind die Voraussetzungen zu schaffen, um namentlich Kernkraftwerke der neuen Generation zuzulassen.»

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES).
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

SolaranlageBauernhof-1

Energiepolitik ohne neue Atomkraftwerke

Erstes, zweites und drittes Gebot: Der Stromverbrauch darf nicht weiter zunehmen.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

8 Meinungen

  • am 11.02.2022 um 11:13 Uhr
    Permalink

    Und? Gibt es neben der Lobby für KKWs nicht auch eine Lobby für Solar- und Windkraft? Untersucht doch auch einmal das!

  • am 11.02.2022 um 11:38 Uhr
    Permalink

    Interessant wie der neue FDP Boss aus dem Atomkanton Aargau den nuklearen Relaunch gegen den Volkswillen orchestriert. (s.a. „Republik“ von heute).
    Hauseigentümer und Gewerbler sollten sich fragen, ob das der Job ihres Chef-Lobbyisten ist und FDPler fragen sich ob das ein Wahlkampfthema oder ein Spaltpilz ist.

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 11.02.2022 um 11:40 Uhr
    Permalink

    «Erstes, zweites und drittes Gebot. Der Stromverbrauch darf nich weiter zunehmen »

    Aber trotzdem muss die ganze Energiewirtschaft auf Strom umstellen ? Das ist nur möglich, wenn die zu ersetzenden Energiequellen ersatzlos gestrichen werden !?

    Irgendwie habe ich Probleme mit dieser Mathematik.

  • am 11.02.2022 um 13:21 Uhr
    Permalink

    Das erstaunt nicht. Wenn die CO2-Konzentration als das grösste Problem der Menschheit postuliert, wenn Elektromobilität und der Verbrauch von Strom gefördert statt gebremst wird, wird es wohl zu Engpässen, bzw. für die reiche Schweiz zumindest zu einer Verteuerung des Stroms kommen. Etwas mediale Angstmache und dann können auch in der Schweiz wieder Atomkraftwerke gebaut werden – mit guten Profiten für die Betreiber; die Kosten übernimmt ja die Allgemeinheit.

  • am 11.02.2022 um 14:03 Uhr
    Permalink

    Atomkraft ist nachhaltig in Form von Fusionsreaktoren.

  • am 11.02.2022 um 22:27 Uhr
    Permalink

    Erstens ist zu sagen, dass die «radioaktiven Abfälle» keine Abfälle sind, die hunderttausende von Jahren vergraben werden dürfen, sondern wertvoller atomarer «Brennstoff» für neue Kernanlagen. Der Vergleich heutiger KKWs mit Reaktoren, wie sie in der Schweiz im Moment noch laufen, ist wie ein Vergleich heutiger Smartphones mit Telefonapparaten aus den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Es sind völlig verschiedene technische Errungenschaften.
    Zweitens: Damit ist auch klar, dass es keine Fristen für die Endlagerung braucht. Es werden keine radioaktiven Stoffe hunderttausende von Jahren vergraben.
    Die Schweiz hat den technologischen Anschluss an die neue Kerntechnologie längestens verloren. Frankreich, China, Russland und die USA werden der Welt zeigen, was heutige KKWs leisten können.
    Dass Herr Bigler vom Nuklearforum und Teile der FdP die Diskussion anstossen, ist nötiger denn je. Das hindert niemanden daran, seinen Energieverbrauch auf allen Gebieten zu reduzieren.

  • am 13.02.2022 um 09:44 Uhr
    Permalink

    Noch vor zwei Jahren wurde man geächtet wenn man pro Atomstrom sprach. Vor ca. einem Jahr war Frau Blocher-Martullo die erste schweizweit bekannte Person die es wagte, sich positiv zu dieser Energiequelle zu äussern. Seither mehren sich zum Glück die zustimmenden Medienbeiträge.
    Als Merkel in ihrer kopflosen Kurzschlusshandlung Deutschland vom Atomstrom abschnitt kippte gleich darauf auch Leuthard und mit ihr die halbe Schweiz bzw. die laute Mehrheit.

    Die gleichen Kreise die Atomstrom bekämpfen legen auch den Projekten für Wasserkraftwerke, Windturbinen und Solaranlagen Steine in den Weg. Diese Ironie ist nicht zu überbieten.

    Wer nicht von vorgestern ist, stimmt jetzt für Atomstrom. Umso mehr als rund um uns herum ohnehin solche Anlagen in grosser Zahl neu gebaut werden.

    • am 17.02.2022 um 21:42 Uhr
      Permalink

      «Die gleichen Kreise die Atomstrom bekämpfen legen auch den Projekten für Wasserkraftwerke, Windturbinen und Solaranlagen Steine in den Weg. Diese Ironie ist nicht zu überbieten.» Damit haben sie leider nicht ganz unrecht, aber man könnte es auch so sagen: «Die gleichen Kreise die mit einer zukünftigen Stromlücke den Teufel an die Wand malen, legen auch den Projekten für Windturbinen und Solaranlagen Steine in den Weg. Diese Ironie ist nicht zu überbieten.»

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...