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Noch so viele Elektroautos retten den Planeten nicht vor der Autosucht. © smaveo

«Mit den Elektroautos gibt es ein riesiges Problem»

Christa Dettwiler /  Die E-Technologie könne den Planeten nicht vor der Sucht nach Automobilen retten, warnt Technologie-Kolumnist Farhad Manjoo.

Elektrofahrzeuge sollen die Welt vor der Klimaveränderung bewahren. Dabei bleibe das wahre Problem mit dem US-Transportsystem aussen vor. Das Problem seien nicht die Benzin-betriebenen Autos, sondern der Benzin-betriebene Lebensstil. In der Elektromobilität erkennt er eine ausgeprägt amerikanische Antwort auf die Klimaveränderung: «Kaufen wir doch einfach eine neue Version dieser teuren, gefährlichen, extrem Ressourcen verbrauchenden Maschinen, die zur Zerstörung des Planeten beigetragen haben», schreibt Farhad Manjoo in der «New York Times».  

So habe Präsident Joe Biden angekündigt, das ganze Land mit einer halben Million Ladestationen zu bestücken und die rund 650’000 Fahrzeuge der Regierungsflotte auf elektrischen Antrieb umzustellen. Dabei werde jedoch die viel akutere Gefahr auf den Strassen ausgeblendet – die Millionen von grossen, ineffizienten Pick-ups und SUVs, welche die US-Amerikaner bevorzugen, und welche die Atmosphäre noch auf Jahre hinaus vergifteten. 

Eine Zivilisation der Autoabhängigkeit

Das Problem, das die Automobilität verursacht hat, soll nun mit besseren Fahrzeugen und teurer Infrastruktur gelöst werden. Und genau das zeige auf, warum die Probleme überhaupt entstanden seien: Die Zivilisation der Autoabhängigkeit. Deshalb brauche es ein fundamentales Umdenken in der Art, wie Menschen unterwegs sind. Strassen, auf denen man zu Fuss gehen und Radfahren kann, klügere Raumplanung, um das Wohnen und Arbeiten näher zu rücken, ein massiv ausgebauter öffentlicher Verkehr und über allem die Einsicht, dass städtische Räume den Menschen gehören sollten, nicht den Fahrzeugen. Das alles wäre wesentlich wirksamer als die Umstellung von Benzin auf Batterien.

Stadt Heidelberg subventioniert autofreien Verkehr

upg. Heidelbergs Bürgermeister Eckart Würzner will den motorisierten Privatverkehr nicht nur emissionsärmer machen, sondern autoarm. Einwohner, die auf ihr bestehendes Auto verzichten, dürfen ein ganzes Jahr lang kostenlos die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen. Wer ein Auto unbedingt braucht, soll beim Car-Sharing mitmachen. Pendler sollen das Auto nur bis zum nächsten Anschluss an den öffentlichen Verkehr verwenden.
Die Stadt mit 160’000 Einwohner zählt wie die Stadt Basel zu den führenden C40-Städten (Cities Climate Leadership Group). Das ist ein globales Netzwerk von unterdessen über 80 Grossstädten, die sich für den gemeinsamen Kampf gegen den Klimawandel zusammengeschlossen haben.
Heidelbergs Bürgermeister möchte seine Stadt bis 2030 klimaneutral machen: «Es ist ein politisches Ziel, das zu schaffen.» Einige Experten halten das Ziel für unrealistisch.

Jedes zweite Auto ein SUV

Zwar habe der Benzinverbrauch zwischen 2009 und 2019 in den USA um 11 Prozent leicht abgenommen, räumt Farhad Manjoo ein. Doch es wäre sehr viel mehr möglich gewesen. Zudem hätten die Verbesserungen praktisch nichts gebracht. Während die Autos effizienter wurden, kauften die Leute einfach grössere, schwerere und stärkere Modelle. Vor zehn Jahren wurden etwa zur Hälfte Limousinen gekauft, zu einem Viertel SUVs. 2019 war nur noch jedes dritte Auto eine Limousine und jedes zweite ein SUV. 

Auch der steigende Verkauf von Elektrofahrzeugen hat diesen Trend nicht umkehren können. Die Politik hat ebenfalls nicht geholfen. 2017 begann die Trump-Regierung die Treibstoff-Regulierungen der Obama-Administration aufzuheben. Nun fürchtet die Autobranche, die neue Regierung könnte sie wieder einführen. Deshalb steht der Verdacht im Raum, dass die vollmundigen Ankündigungen der Autobranche – General Motors will bis 2035 nur noch emissionsfreie Autos verkaufen – eine Verhandlungstaktik seien, um strikteren Verbrauchsregeln vorzubeugen.

Tesla verdient bisher mit CO2-Zertifikaten

Die elektrische Zukunft ist und bleibt eine Vision, keine Gewissheit. Werden Elektrofahrzeuge billig und zweckmässig genug werden, um den durchschnittlichen Autofahrer zu überzeugen? Können Autohersteller, die sich heute noch auf grosse Pick-ups und SUVs verlassen, mit Elektroantrieben Geld verdienen? Und sollen die USA es machen wie Norwegen, das Benziner mit hohen Steuern belegt, um die Umstellung auf Elektroantrieb voranzutreiben? Selbst der Überflieger Tesla verdient sein Geld nicht mit dem Verkauf von Fahrzeugen, sondern mit dem Emissionshandel. Das Unternehmen hat einen Berg von Zertifikaten angehäuft, das es an andere Autohersteller verkauft. 2020 hat Tesla damit über 1,6 Milliarden US-Dollar verdient und nur so einen Verlust vermieden.

Farhad Manjoo kommt zum Schluss, dass die Autoabhängigkeit mit der Umstellung auf Elektroantrieb bestehen bleibt. Autos verbrauchen Unmengen Land und dominieren die Städte. Sie sind teuer und ineffizient. Es sei und bleibe eine Tatsache, dass man Jahr für Jahr Tausende von Dollars für eine Maschine ausgebe, die meistens still steht. Diese Tatsache bleibe, auch wenn die Maschine jetzt im Stillstand aufgeladen werde. Und für die weit mehr als eine Million Menschen, die jährlich bei Autounfällen sterben, spiele es keine Rolle, ob das Fahrzeug von Elektronen oder Erdöl angetrieben werde.

Am besten käme man vorwärts, wenn man das wahre Problem benennen würde: nicht Benzin, sondern Autos.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

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Auto oder Bahn: Wer zahlt Defizite?

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Die Menschen beschleunigen die Erwärmung der Erde. Doch kurzfristige Interessen verhindern griffige Massnahmen.

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9 Meinungen

  • am 8.03.2021 um 13:16 Uhr
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    Naja, süchtig nach Auto ist wohl nicht mache/r. Vielmehr führt unsere Lebensform und die Erhaltung unseres Wohlstands zu einem grossen Bedarf an Mobilität.

    Ist es nicht viel mehr so, dass es zu viele Menschen auf unserem Planeten gibt? Wenn nämlich jeder (verständlicherweise) mobil sein will/muss, dann gibt es in der Folge auch zu viele Autos.

  • am 8.03.2021 um 13:17 Uhr
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    Nein, nicht das Auto ist das Problem.
    Es hat schlicht zu wenig Planet, und niemand (von denen die haben) will kleinere Brötchen backen, und diejenigen die noch nicht haben, die wollen auch noch (grosse Brötchen) backen.

    Also:
    Holt mal her Merkur, Venus und Mars – ja, richtig gelesen – einfach den Orbit ein bisschen verschieben, und dann hübsch begrünen; hier ein Atoll, da ein Berg, ein paar (ungiftige) Tiere, jede Menge Strassen, und gut ist.
    Und wenn schon, dann bauen man einer von denen gleich zum autarken Raumschiff aus, das eine andere Sonne zu erreichen vermag, weil in 800 Millionen Jahren müssen wir von hier weg, dann beginnt sich die Sonne aufzublähen… es eilt.

  • am 8.03.2021 um 17:13 Uhr
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    Einmal mehr wird die Ansicht verbreitet, dass das Klimaproblem einem einzigen Verursacher angelastet werden könne.
    Das Problem ist jede Energieumsetzung. Die elektrische Energie für das E-Auto kommt weltweit vor allem aus kohle-, öl- oder gasbefeuerten Kraftwerken. Die tausenden von Server, welche weltweit die Flut an elektronischem Datenverkehr verarbeiten, verbrauchen mehr Energie als der gesamte Flugverkehr. Deshalb wurde schon vor Jahren das Schlagwort «Klimakiller-Internet» geschaffen.
    Schuld am Klimaproblem sind alle, welche Energie umsetzen, das heisst, wir alle.
    Ein Lösungsansatz hat nur eine Chance, wenn für jeden Energieumsatz der Preis zu bezahlen ist, der dem durch ihn verursachten Schaden entspricht. Das heisst, jede Form von Energie ist stufenweise kostenneutral zu verteuern. Die Mehreinnahmen könnten allen Steuerzahlenden zu gleichen Teilen gutgeschrieben werden.
    Importierte Güter könnten mit einem energieabhängigen Zolltarif belastet werden. Die Energiestrategie des Bundes könnte mit einem solchen Modell locker erreicht werden.
    Selbstverständlich hat der Einfluss der Schweiz auf die Welt kaum Einfluss. Ein kostenneutrales Modell zur Verteuerung der Energie würde aber zur Kenntnis genommen und Nachahmer finden.

  • am 8.03.2021 um 22:03 Uhr
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    Wenn selbst totalitäre Regime den Autoverkehr nicht abschaffen können, dann werden die «freiheitlichen» USA & EU das schon gar nicht erreichen. Ich denke, dass wir mit dem E-Auto die Haltung der Menschen bezüglich Klimawandel und Nachhaltigkeit, egal ob in USA, EU oder in China, hin zum Besseren beinflussen können.

    Joe Biden macht es schon ganz richtig, wenn er die 650.000 Dienstwagen der Regierungsflotte auf E-Autos umstellt: Wer schon mal dienstlich das sportliche Beschleunigungsverhalten von E-Autos kennengelernt hat, will das dann auch privat nicht mehr missen.

    Ich für meinen Teil bin nach 5 Jahren positiver Renault ZOE-Erfahrung inzwischen auf der Suche nach einem Elektro-Allrad-SUV mit Anhänger-Kupplung. In 5 Jahren sind nach den Verbrenner-Kleinwagen auch die Verbrenner-SUVs Geschichte.

  • am 10.03.2021 um 22:39 Uhr
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    Warum werden immer Autos als Problem der Umweltprobleme gesehen? Warum Importiert man so viele Dinge aus Allerwelt? Ich muss Herrn Feller Recht geben die Energie in jeder Form muss Besteuert werden! Auch diejenige die im Ausland anfällt! Genau das Gegenteil will die Energiestrategie 2050!

    Es soll «nur» um den Inlandanteil gehen! Hier ist der Automobil- und Flugsektor besonders stark betroffen! Der Import jeglicher Art wird nicht berücksichtigt! Wir kaufen unendlich viele Dinge aus dem Ausland ohne deren CO2 Emissionen zu kennen oder für deren Wert zu bezahlen! Die Luft die wir einatmen macht an der Grenze keinen Halt! Die Energiestrategie 2050 muss alles beinhalten ansonsten bringt diese Strategie nur Kosten ohne Nutzen und zwar für das Schweizer Volk! Wenn ich die 8,5 Mio. Einwohner der Schweiz auf die Welt spiegle sind wir da «nur» eine grosse Stadt, gemessen an den Einwohnern! Ich bin für die Energiestrategie aber nicht so!

  • am 13.03.2021 um 09:22 Uhr
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    Dem Artikel pflichte ich voll bei. Sind Sie die Christa Dettwiler, die ab 1985 für die Schweizer Illustrierte über die Tour de Sol schrieb, inklusive Sonderheft Nr. 30 «Solarmobile» (noch in der ETH-Bilbliothek)? Wenn ja, sahen wir beide (ich als Konstrukteur und Fahrer) damals eine Lösung des Transportproblems in der Elektromobilität. Aber nicht mit dem Konzept «Auto», eigentlich immer noch eine motorisierte überschwere Pferdekutsche mit zu vielen Pferden, sondern mit dem Konzept «Mobil», und zwar so leicht, dass es sich sogar direkt vom Sonnenlicht antreiben lässt.

    Heute sehen wir, dass sich aus dieser Zeit fast nur das Pedelec-Zweirad vernünftig entwickelt hat, während die meisten Elektroautos der Industrie dieselben Fehlkonstruktionen darstellen wie ihre Modelle mit Verbrennungsmotoren, oder gar schlimmer: absurd übermotorisiert und überschwer.

    Also nicht die E-Technologie ist das Problem, sondern die Masslosigkeit der Industrie, ihrer Kunden, und auch der meisten ihnen zudienenden Medien, wie heute auch Ringier, tief gefallen seit damals.

  • am 15.03.2021 um 17:58 Uhr
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    Ich habe mir 5.4 kWp Solarzellen auf das Dach machen lassen und bin 10 Monate pro Jahr sogar Stromlieferant für das EW und das obwohl mein Plugin-Hybrid auch geladen wird und alles im Haus auf Elektro umgestellt ist. Währen 2 Monaten muss ich etwa 20% der Energie vom Netz beziehen aber über das ganze Jahr gesehen «produziert» die Sonne mehr als ich verbrauche.

    In der CH sollten möglichst viele Firmen Solarzellen installieren, dass die Angestellten tagsüber wenn die Sonne scheint die Autos aufladen können.

    Das E-Auto braucht mindestens 4 mal weniger Energie als ein baugleichtes Auto mit Benzinmotor.

  • am 22.03.2021 um 07:50 Uhr
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    Als ich in den 70er Jahren von den Plänen hörte, dass man bleifreies Benzin produzieren will, war das lange ein Thema. Erst später begriff ich, dass dazu auch Katalysator fehlte und der Tank ein anderer sein muss, davon hatte man vorher nicht gesprochen bzw. die Presse nicht berichtet. Damit nicht genug, plötzlich gab es zwei Sorten Katalysatoren und noch die später sogenannten «Stinker». Das alles solle der Umwelt zugute kommen, nun, heute klagt man immer noch. Man orientierte sich auch bei Steuern an der Kubikzahl, wie macht man das denn bei Elektroautos? Nach Gewicht der Hersteller oder sind die E-Mobile sogar steuerfrei?
    Die Gletscher sind schon geschmolzen als es weder Menschen noch Autos gab und auch bei 100% E-Mobilität wird das so bleiben. Was sollen Bauern machen? Mit einem Tesla pflügen und Heu produzieren? Wie sollen LKWs fahren und Flugzeuge fliegen, wie sollen Raketen angetrieben werden die man dem Feind zugedenkt? Was ist mit den Schiffen? Wenn es nach den grün angestrichenen Parteien incl. der FDP geht würden wir wohl wieder als Jäger und Sammler fungieren und in Erdhöhlen und auf Bäumen leben.

  • am 11.05.2021 um 20:11 Uhr
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    Das Problem ist wohl eher vielschichtig. Ein Grund und Bedürfnis nach Mobilität liegt in der Natur des Menschen – und nicht nur! Selbst mein Hund langweilt sich, wenn er jeden Tag dieselben Wege laufen soll. Dann trödelt er lustlos hinterher. Fahren wir erst ein paar Kilometer (ab und zu) dann läuft er mit Freude voraus.
    Man kann das also noch nicht einmal als Flucht vor der eigenen Vergänglichkeit psychologisieren – Leben ist Bewegung.
    Das Problem der hohen Umweltbelastung durch den Verkehr ist deshalb dort anzupacken, wo es entsteht: Dass unsere Gesellschaft permanent und in fast jeder Beziehung über ihre Verhältnisse lebt. Das beginnt nicht bei der Mobilität, schliesst diese aber ein. Mobilität ermöglicht halt einen besonders exzessiven Ressourcenverbrauch mit geringstem physischem Aufwand.Beim Flugverkehr noch viel mehr als beim Autoverkehr.
    Ähnliches ist doch beim Wohnen (und Heizen), bei der Ernährung, der Kleidung… der Fall.
    Von Einstein soll die Erkenntnis stammen, dass ein Problem nicht mit den selben Mitteln gelöst werden kann, durch die es entstanden ist.
    Suffizienz, in gesellschaftlichem Massstab Budgetierung, wird unumgänglich sein. Nur ob das durchsetzbar sein wird.
    Die Nazi-Chefs hatten für den Fall des Falles eine Blausäurekapsel bei sich – meiner Einschätzung nach wird auch diese Gesellschaft einen ähnlichen Weg gehen. Feiern bis der Arzt kommt…

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