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Konsument:innen in Deutschland haben ab 2023 Anspruch auf Mehrweggeschirr wie diese Recup-Becher, © cc-by-sa-4 Recup/Wikimedia Commons

Fast-Food: In Deutschland gilt jetzt Mehrwegpflicht

Daniela Gschweng /  Wer im Nachbarland To-go-Lebensmittel kauft, hat jetzt Anspruch auf eine Mehrwegverpackung.

Kaffee im Mehrwegbecher, Salat in der «Rebowl» und in kleinen Geschäften tut es die mitgebrachte Plastikschüssel: In Deutschland gilt seit dem 1. Januar die Mehrwegpflicht für Lebensmittel zum Mitnehmen.

Wobei «Pflicht» die Sache nicht ganz trifft. Kund:innen können immer noch zu Papierbecher und Wegwerfschale greifen. Wer im Nachbarland einkauft, hat nun aber Anspruch auf ein Mehrweggefäss für Kaffee und Kebap.

Auch die Kleinen müssen mitmachen

Restaurants, Bistros und Cafés sowie Supermärkte, Tankstellenshops und Catering-Betriebe, die Essen zum Mitnehmen verkaufen, sind seit Anfang Jahr verpflichtet, Mehrwegverpackungen anzubieten. Darauf müssen sie die Kundschaft deutlich hinweisen. Eine Depotgebühr ist erlaubt, das Produkt selbst darf dadurch aber nicht teurer werden.

Ausnahmen gibt es für kleine Geschäfte wie Imbisse und Kioske, wenn sie weniger als 80 Quadratmeter Fläche und weniger als fünf Angestellte haben. Diese müssen Lebensmittel aber auf Wunsch in mitgebrachte Behälter abfüllen.

Wer mit der Tupper-Box am Tresen steht, bekommt den Salat also abgefüllt, wenn der Laden keine Mehrwegbehälter anbietet. Das sei zwar günstig, könne aber zur hygiene- und lebensmittelrechtlichen Herausforderung werden, warnt das Branchenportal «Hogapage». Mitgebrachte Gefässe gelten als unhygienisch und dürfen teilweise nicht mit den Arbeitsflächen in Berührung kommen.

Gar keine Mehrwegoption anzubieten, kann teuer werden. Das Verpackungsgesetz sieht Bussen bis zu 100’000 Euro vor.

Keine Ausnahme für Ketten

Für Ketten, die kleine Kioske unterhalten und insgesamt mehr als fünf Angestellte haben wie Bäckereiunternehmen, gilt die Ausnahme nicht. Deutschland macht damit einen weiteren Schritt zur Müllvermeidung im To-go-Bereich.

Für die betroffenen Betriebe bedeute die Mehrwegpflicht bisher einen überschaubaren Aufwand, berichtet der MDR. Für einen Bäckereibetrieb, der auch Salate zum Mitnehmen anbietet, sei die Umstellung kein Problem gewesen. Das gelte auch für andere Betriebe, die bereits freiwillig ein Mehrwegsystem eingeführt hatten.

Für welche Art von Mehrweggefäss sich die Anbieter entscheiden, bleibt ihnen überlassen. Ob sie in mitgebrachte Becher und Schüsseln abfüllen, eigene Verpackungen nutzen, sich an ein Verbundsystem anschliessen oder an einem Poolsystem wie Rebowl oder Relevo teilnehmen, bei dem ein Dienstleister die Gefässe zur Verfügung stellt, ist ihre Sache.

DUH kritisiert fehlende Überwachung

An der Massnahme gibt es auch Kritik. Ein freiwilliges Angebot könne auf Dauer keine Lösung sein, sagt Barbara Metz, Geschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegenüber dem MDR. Sie würde eine Einwegsteuer vorziehen. Einige Betriebe warteten noch auf Regelungen in Detailfragen, berichtet der MDR.

Viele Betriebe hätten sich nicht rechtzeitig mit der Umstellung befasst, kritisiert Metz. Sie warteten erst einmal ab, wie ernst die Behörden die Sache nähmen. Kontrollen seien keine geplant, kritisiert sie.

Das Plastikverbot, das bereits seit einem Jahr gelte, werde nicht kontrolliert und viele verbotene Produkte wie Styropor-Boxen und Plastiktrinkhalme seien noch immer in Umlauf.

Am Ende hängt es von der Kundschaft ab

Bleibt zu hoffen, dass die Neuregelung zu einem deutlichen Schrumpfen des Einweg-Müllbergs führt. 2017 wurden in Deutschland 346’419 Tonnen Müll aus Einweggeschirr produziert (NABU). Jede Stunde landen 320’000 Einwegbecher im Abfall (DUH).

Für eine Bestandaufnahme ist es eine Woche nach Einführung zu früh. Über Erfolg und Misserfolg entscheide am Ende die Kundschaft, sagt Axel Klein, Geschäftsführer des Branchenverbands Dehoga in Sachsen, zum MDR.

Auch Lukas Grieser, Geschäftsführer der Bäckerei in Leipzig, die der Sender besucht hat, sagt: «Man würde sich nur wünschen, dass die Kunden Mehrweggefässe noch mehr nachfragen.» Er befürchtet insbesondere, dass die Gäste das Mehrwegpfand nicht bezahlen wollen.

Verpackungsgesetz und Abfallvermeidung in Deutschland

Seit 2022 sind in Deutschland alle Getränkeflaschen und -dosen pfandpflichtig – mit diversen Ausnahmen wie Wein, Spirituosen, Energydrinks und Gemüsesäfte. Für Milchgetränke gilt die Pfandpflicht erst ab 2024. Seit Anfang 2023 müssen Anbieter neben Einweg- auch Mehrwegbehälter führen. Ab 2025 sollen PET-Getränkeflaschen dann zwingend zu einem Viertel aus Recyclingplastik bestehen. Mehrwegflaschen aus Plastik erfüllen diese Quote nach Angabe der deutschen Bundesregierung schon jetzt.

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Der Weg zum Mehrweg: Mit verschiedenen Massnahmen will Deutschland bis 2030 die Verpackungsflut in den Griff bekommen.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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5 Meinungen

  • am 16.01.2023 um 00:09 Uhr
    Permalink

    Als erstes sollten die Alu-Büchsen für Getränke verboten werden. Die liegen überall herum in Gärten, Wiesen, Wald. Sie sind auf lange Zeit umweltschädlich und für die Landwirte eine Plage. Wo es nicht anders geht, sollten die Verkäufer verpflichtet sein, eine hohe Pfandgebühr zu verlangen.

  • am 16.01.2023 um 20:48 Uhr
    Permalink

    Aalso: Abfalltourismus, wilde Entsorgung in Wald und Flur, überquellende Abfalleimer im öffentlichen Raum (weil jeder noch seinen privaten Kehrichtsack da reinstopft) – und nun auch die deutsche Kaffeebecherverzweiflung: All das liesse sich (vermutlich) beseitigen und lösen mit einer Regelung, die auch für Waschmaschinen gilt: Vorgezogene Recycling-Gebühr. Oder bei triefenden Salatschalen: Vorgezogene Entsorgungsgebühr. Kann man auf Keksverpackungen und Burgerschachteln gleichermassen berechnen und draufschlagen.

    Warum in der Schweiz nicht von Sackgebühr und Kehrichtmarken Abstand genommen wird? Wahrscheinlich kann man einfach nicht zugeben, dass dies eine Fehlentscheidung war (oder man macht versteckten Gewinn). Schon König Darius stolperte heftig über seine unaufhebbaren Gesetze. Auch wenn das gut gemeint war.

    • alex_nov_2014_1_3_SW(1)
      am 17.01.2023 um 09:00 Uhr
      Permalink

      Eine Art vorgezogene Abfallgebühr gibt es in Deutschland bereits – in Form von Beiträgen an das Duale System, sprich: Gelber Sack. Bisher verhindert diese Gebühr weder Littering noch lässt sie die Abfallberge schrumpfen.

    • am 17.01.2023 um 15:51 Uhr
      Permalink

      Danke Herr Fritze, bei der Sackgebühr bin ich mit Ihnen einverstanden. Die vorgezogene Abfallgebühr funktioniert bei Waschmaschinen und Computer, nicht aber bei Getränkebüchsen und Verpackungen. Wer schnell auf dem Weg einen Trink oder Sandwich konsumiert, wirft die Büchse oder Verpackung auf die Strasse oder über den Gartenzaun. Besonders dann, wenn, wie bei uns, alle Abfalleimer von der Gemeinde entfernt wurden. Es gibt nur die Möglichkeiten: Verpackungen müssen kompostierbar sein oder eine hohe Pfandgebühr damit sich das aufheben lohnt.

  • am 18.01.2023 um 08:22 Uhr
    Permalink

    Es braucht ein digitales Pfandsystem. Das ist betrugssicher, effizient und im Betrieb kostengünsteriger als herkömmliche Pfandsysteme. Ausserdem erfasst es VIELE Wertstoffe wie z.B.: PET-Flaschen, HDPE-Kunststoffbehälter, Getränkedosen, Glasflaschen, Batterien, Energiesparlampen, Elektrogeräte, (denkbar sind auch Medikamente, Behälter mit Pestiziden / Insektidiziden etc.)
    Schaut Euch das Erklärvideo an:
    http://www.boni-collect.org

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