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PET-Flaschen werden überall in Europa gesammelt, um sie wiederzuverwerten. © Mihály Köles/Unsplash

Deutschland angeblich Pet-Recycling-Weltmeister

Daniela Gschweng /  Weltmeister ohne Welt – renommierte Medien übernahmen unkritisch die Schlagzeile einer Lobby.

Deutschland sei mit einer Pet-Recycling-Quote von rund 98 Prozent weltweit Spitze bei der Verwertung des Kunststoffs Polyethylenterephthalat, kurz Pet. «Recycling und Rezyklateinsatz auf Rekordniveau» titelte der «Newsroom Kunststoffverpackungen» am 8. November. Und prahlte mit der «weltweit höchsten Recyclingquote von 97,6 Prozent in Deutschland».

Es geht um das Jahr 2023 und um Pet-Getränkeflaschen, das wird gleich in den ersten Zeilen deutlich. Auch der Rezyklat-Anteil in Pet-Preforms, einer Art Rohling des fertigen Pet-Produkts, sei gestiegen. Und Pet-Flaschen würden immer leichter, benötigen also weniger Plastik.

Mehrere Medien verbreiteten die frohe Kunde unbedarft. «Recycling von Plastikflaschen erreicht Rekordquote in Deutschland», titelte etwa «Öko-Test». Das sei «ein neuer Rekordwert und weltweit die höchste Quote», so das Magazin. Das «Recyclingmagazin» zitiert Isabell Schmidt, Geschäftsführerin Kreislaufwirtschaft der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen: «Mit einer Recyclingquote von nahezu 98 Prozent sind wir global führend.»

Keine Frage: Deutschland steht beim Pet-Recycling sehr gut da

Das hört man gerne. Auch wenn es unter Umständen gar nicht stimmt. Die rekordhohe Pet-Recycling-Quote stammt aus einer Studie der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung GVM. Die von der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V. in Auftrag gegebene Studie bezieht sich auf Getränkeflaschen für Wasser, Bier, Mischgetränke, Saft, Wein und Spirituosen, also den Grossteil des Pet-Getränke-Sortiments. Nicht enthalten sind Pet-Flaschen für Milch und Milchmischgetränke.

Für die erfassten Flaschen findet die GVM eine Sammelquote von 98,7 Prozent. Nach diversen Abzügen im Wiederverwertungsprozess errechnet sie eine Recyclingquote von 95 Prozent netto und 97,6 Prozent brutto. Aus 47,8 Prozent der recycelten Pet-Flaschen würden wieder neue Pet-Flaschen. Deutschland hat sich damit im Vergleich zu 2021 deutlich verbessert. Wie sich die Sammelquote zur Recycling-Quote verhält, kann man zum Beispiel bei Zero Waste Europe nachlesen.

Weltmeister ohne Welt

Das könnte weltweit durchaus Spitze sein. Nur: Einen Vergleich mit anderen Ländern enthält die Studie nicht. Die zuständige Werbeagentur Sputnik, bei der «Infosperber» anfragt, wo denn andere Länder beim Pet-Recycling stünden, bestätigt das. «In der GVM-Studie wurden tatsächlich keine Zahlen zu anderen Ländern erhoben», schreibt sie und schickt einen Link mit Zahlen zur Schweiz.

Woher dann der Vergleich stamme, wollen wir wissen. Sputnik schickt einige Tage später mehrere Links mit «weiteren Quellen», die «die führende Position Deutschlands bei der Pet-Sammlung und beim Pet-Recycling bestätigen». Darunter sind zwei Studien über Pet-Recycling, drei Statistiken der Online-Plattform Statista und eine Untersuchung über Pfandsysteme in Europa.

Keine Grundlage für einen Weltmeistertitel

Nur zwei der Quellen beziehen sich auf 2023, nämlich eine vergleichende Statistik über die Pet-Flaschen-Sammelquoten europäischer Länder, wo Deutschland mit 98 Prozent den Spitzenplatz einnimmt. Und der Vergleich pfandbasierter Sammelquoten in Ländern mit Pfandsystemen. Eine Sammelquote ist aber noch keine Recyclingquote. Und schon gar kein globaler Vergleich.

Da kürt sich die deutsche Recyclingwirtschaft etwas vorschnell zur Weltmeisterin. Dass sich Deutschland beim Pet-Flaschen-Recycling in einer Spitzenposition befindet, ist unbestritten. Auch in Sachen Sortier-, Reinigungs- und Wiederverwertungseinrichtungen ist das Land in Europa führend, zeigen die erwähnten Studien zum Pet-Recycling 2021 und 2022. Und auch in den vorhergehenden Jahren lagen die deutschsprachigen Länder beim Pet-Recycling vorne.


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