hrs_200203115d_hr

Reparatur des Pentagon-Gebäudes, Sitz des US-Verteidigungsministeriums, nach den 9/11-Anschlägen. © U.S. Dep. of Defense

So viel kostet die USA der Anti-Terror-Krieg – mindestens

D. Gschweng /  Das US-Verteidigungsministerium weiss nicht, wo sein Geld hingeht, ein Forschungsinstitut aber, was der Anti-Terror-Krieg kostet.

Das US-Verteidigungsministerium hat sich ein Audit verordnet. Und ist krachend gescheitert. «Wir haben nie erwartet, dass wir die Prüfung bestehen», sagte der stellvertretende Verteidigungsminister Patrick Shanahan Reportern im Pentagon über das Audit, das fast ein Jahr gedauert hat. Die gesetzliche Anforderung dafür gab es seit 1990, ein umfassendes Audit des gesamten «Department of Defense» (DoD) wurde jedoch immer wieder verschoben – nicht zuletzt mit dem Argument, eine solche Überprüfung sei wegen der Grösse und Komplexität des Ministeriums gar nicht möglich.

Die jetzt beanstandeten Punkte hören sich dafür recht banal an. Bemängelt wurde zum Beispiel Inventar, das nur im Computer existiert, Prozesse, die nicht eingehalten wurden und vor allem die IT-Sicherheit, sagt das Verteidigungsministerium selbst.

140 Milliarden verbummelt – im Jahr

Hunderte Millionen Dollar seien in sinnlose oder unerklärbare Projekte geflossen, schreibt dagegen der republikanische Abgeordnete Chuck Grassley in einem Meinungsbeitrag in «The Hill». Dass 80 Prozent aller Überprüfungen mit dem Status «erfüllt die Anforderungen weitestgehend» abgeschlossen worden seien, bedeute in Wirklichkeit nichts anderes, als dass die Behörde von jedem fünften Steuerdollar nicht wisse, wo er geblieben sei. Der Begriff «Inventar» bezeichnet im Verteidigungsministerium denn auch nicht nur Bürostühle und PCs. Von den grösseren «Inventar»-Stücken wie Panzern und Schiffen sei immerhin keines verloren gegangen, gab das DoD bekannt.

Das Audit selbst kostete 413 Millionen Dollar. Das sei nur ein geringer Teil des 700-Milliarden-Dollar-Budgets, die das US-Verteidigungsministerium jedes Jahr vom Kongress zugesprochen bekommt, sagt die Politikwissenschaftlerin Lindsay Koshgarian in einem Interview mit «The Real News». Diese 700 Milliarden seien aber mehr als die Hälfte der Billion (1’000 Milliarden), über die der Kongress überhaupt entscheiden kann. Koshgarian ist Programmdirektorin des «National Priorities Project», das sich damit beschäftigt, das US-Budget und seine Verwendung für die Öffentlichkeit transparent zu machen. Sie kommentiert das Resultat des Audits mit recht verständlichen Worten: «Was das bedeutet, ist, dass das Verteidigungsministerium nicht weiß, wo es sein Geld ausgibt». Oder in Zahlen: das Ministerium weiss von jährlich 140 Milliarden Dollar schlicht nicht, wo sie geblieben sind.

Die Kosten des Krieges I: Fast sechs Billionen Dollar

Was Krieg die USA kostet, hat eine andere, fast gleichzeitig veröffentlichte Untersuchung ergeben. In den Jahren seit dem 11. September 2001 hat allein der «War on Terror» 5’900 Milliarden Dollar verschlungen, stellte das Watson Institute Mitte November fest. Das Institut der Brown University auf Rhode Island monitort seit 2011 dessen direkte und indirekte Kosten für die USA. In dieser Zahl inbegriffen sind die laufenden Kosten des Verteidigungsministeriums, Ausgaben des Aussenministeriums, kriegsbedingte Erhöhungen des Militärbudgets, gegenwärtige und zukünftige Gesundheitskosten für Veteranen, die Aufwendungen des Heimatministeriums für Terrorprävention im Inland sowie Zinszahlungen für Kriegskredite.

Ob er in diesen Zahlen ebenfalls enthalten ist, wissen wir nicht, aber ein kleiner Teil des US-Verteidigungsetats landet nebenbei auch in der Schweiz. Denn die ETH Zürich und Lausanne forschen ebenfalls für Air Force und Pentagon, berichtet die «Aargauer Zeitung». Keine direkte Förderung des Krieges, nur Grundlagenforschung, lassen die Hochschulen verlauten. Dabei sollte man zumindest in Betracht ziehen, dass ein guter Teil des «War on Terror» wie zum Beispiel der Drohnenkrieg nur durch einen technischen Entwicklungsschub möglich wurde.

Die Kosten des Krieges II: eine dreiviertel Million Leben

Die Obama-Administration verkaufte das kontaktlose Töten per Drohne als sauberen Krieg – der sich in der Folge als gar nicht so sauber herausstellte und viele Unschuldige das Leben kostete (siehe Infosperber-Dossier Angriffe mit unbemannten Drohnen). Auch diese Art «Kosten» listet das Watson Institute auf: Seit den Kriegen in Irak, Pakistan und Afghanistan haben die Anti-Terror-Kriege etwa eine halbe Million Menschen das Leben gekostet, die Hälfte davon waren Zivilisten. Mehr als 370’000 sind gemäss den Watson-Zahlen zusätzlich an den indirekten Folgen des Krieges gestorben.

Das allein sei Grund genug, zu fragen, wann das Pentagon plane, diese endlosen Kriege endlich zu beenden, sagt Neta C. Crawford, Hauptautorin des Watson-Reports im selben Interview auf «The Real News». Nach Aussagen des Pentagons planten die USA noch mindestens fünf Jahre in Afghanistan und im Irak aktiv zu sein. Von einer Absicht, dem ein Ende zu setzen, sei nicht die Rede. Zudem sei das Land in nicht weniger als 76 Ländern weltweit im Anti-Terror-Kampf aktiv.

Die Kosten des Krieges III: Gesundheitsfürsorge und Bildung

Welche langfristigen Auswirkungen der «War on Terror» habe, ob die Militärausgaben die USA wirklich zu einem sichereren Ort gemacht hätten und was sich mit den riesigen Summen, die das Land dafür ausgebe, stattdessen finanzieren liesse – solche Fragen müsse und dürfe man im nationalen Interesse stellen, findet Crawford. Das sei weder unpatriotisch noch sei das Verteidigungsministerium sakrosankt. Der Klimawandel beispielsweise, das habe das Pentagon wenigstens vor Trumps Legislatur anerkannt, stelle ein wachsendes Sicherheitsrisiko dar. Er befördere politische Instabilität in vielen Regionen.

Im zivilen Bereich wären Teile des US-Militärbudgets ebenfalls sehr willkommen, führt Crawford an. Beispielsweise, um US-Studenten zu finanzieren, die sich für ihr Studium in der Regel hoch verschulden müssen, oder das spätestens seit Trump umstrittene Medicare-Programm. Das US-Militärbudget sei weder zwingend so hoch noch sei dessen ständige Erhöhung unumgänglich. «Es ist nicht so, dass wir uns diese Dinge nicht leisten können. Wir entscheiden uns nur dafür, Krieg zu führen, statt unser Leben besser zu machen» fasst die Politikwissenschaftlerin zusammen.

Die Kosten des Krieges IV: Die Freiheit, zu hinterfragen

Die Frage, die der Kongress nun stellen müsse, sei «Was schützt uns wirklich?». Bisher herrsche die Vorstellung vor, dass man sowas einfach nicht fragen dürfe, sagt Crawford und verwendet im Interview dafür ein deutsches Wort: verboten. Es gebe durchaus Alternativen zum jetzigen Zustand.

Historisch gesehen habe die Vorstellung, dass die USA kurze, effektive und aus Kostensicht beherrschbare Kriege führe, selten zugetroffen. Weder der Zweite Weltkrieg noch die Kriege in Korea und Vietnam seien so sauber, schnell und effizient geführt worden wie angekündigt. Und bei allen habe es öffentliche Kritik gegeben, daran müssten sich Amerikaner einfach nur erinnern. Es sei möglich, weit weniger für Verteidigung auszugeben, als es die USA derzeit tue. Unmittelbar nach dem Kalten Krieg beispielsweise oder vor 9/11 sei das US-Militärbudget nur halb so hoch gewesen wie jetzt.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

3 Meinungen

  • am 11.12.2018 um 17:59 Uhr
    Permalink

    Immer wieder das gleiche zu versuchen während man ein anderes Ergebnis erwartet, trotzdem aber immer das gleiche Ergebnis bekommt ist doch die Definition von Wahnsinn.

    Wie lange geht der War on Terror schon ? Bald 18 Jahre und man ist keinen einzigen Milimeter weiter, im Gegenteil der Terror ist nur noch schlimmer geworden. Hauptsache man hat mehr Geld ins Militär investiert als für Bildung, Soziales, Kultur ZUSAMMEN! Die Folgen dieser Kriege werden wir in Jahrzenten noch spüren. Der ganze Hass der sich teils zurecht gegen den Westen entwickelt hat…. Man möchte jedoch immernoch nicht lernen und ich kann mir das nur erklären indem die Entscheidungsträger entweder vollkommen verblödet sind oder einfach nur Korrupt. Ich tippe auf letzteres. Die Gier und Korruption wird dazu führen dass sich die Menschen immer mehr gegen den Kapitalismus wehren und ich möchte ja nicht wissen wo dieser Weg hin führt…. Kommunismus ?Nationalsozialismus ? Statt Hierarchie aufgebaut auf Kompetenz, eine totalitäre Hierarchie…..

  • am 12.12.2018 um 09:26 Uhr
    Permalink

    Dieser grösste Wahnsinn aller Zeiten ist nur möglich wegen dem von den Bank-Eliten geschaffenen Geldsystem mit Geldschöpfung aus dem Nichts verbunden mit Bretton Woods und der Petrodollar-Leitwährung. Das schaffte die Voraussetzung für diesen Irrsinn inkl. des Wachstumswahns, der unser Überleben heute reell bedroht.

    Dabei gäbe es mit dem seit Bretton Woods bekannten und durch John M. Keynes vertretenen Bancorplan durchaus eine bessere Alternative als Grundlage für eine multipolare Welt des gegenseitigen Respekts und Dialogs.
    Nach geltenden buchhalterischen Kriterien ist dieses System Bankrott und im Selbstzerstörungsmodus.

    Was es deshalb heute braucht ist eine gewaltose Zivilgesellschaft, die sich mutig, ruhig und geordnet für einen Neuanfang entscheidet – mit einem besseren Geld- und Finanzsystem. Es gibt bereits sehr viele Menschen, welche dies erkannt haben.
    Ziehen Sie ihr Geld aus diesem System ab. Investieren Sie es lokal und für Energiewende und Kreislaufwirtschaft.

    Krieg oder Frieden – Nichtsein oder Sein. Das ist die entscheidende Frage.

    https://www.inwo.de/fairconomy/#c139
    http://www.ippnw.ch/
    http://www.uranmunition.org/

    https://www.friedenskraft.ch/

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...