Nepal_Erdbeben

Zwei Jahre nach dem Erdbeben viel Hoffnung und wenig Perspektiven: Nepal © WVOe

Nepal: Maoisten, Marxisten, Leninisten

Peter G. Achten /  Parlamentswahlen in Nepal, einem der ärmsten Länder der Welt. Wäre ein siegreiches Linksbündnis Garant für politische Stabilität?

Nach drei Jahrzehnten chronischer politischer Instabilität sollen die Wahlen den Übergang von der Monarchie zur repräsentativen, föderalen Demokratie endgültig besiegeln. Für die 28 Millionen Nepalesinnen und Nepalesen steht viel auf dem Spiel. Der kleine Himalaya-Staat zwischen den Giganten Indien und China ist arm und wurde bislang von extrem korrupten Politikern jeder Couleur regiert.

Keine Zukunftsperspektiven

Nach dem Erdbeben vor zwei Jahren mit rund 10’000 Todesopfern und katastrophalen Verwüstungen verflüchtigten sich viele der internationalen Hilfsgelder in dunkeln Kanälen. Die Wirtschaft dient vor allem dazu, den wenigen Reichen und den Politikern die Taschen zu stopfen. Die Arbeitslosigkeit ist seit langen Jahren hoch. Für die Jungen – die Mehrheit der Nepalesi – gibt es keine Zukunftsperspektiven. Rund zwei Millionen arbeiten im Ausland.

«Ehrlich regieren»

Für die Wahlen auf nationaler Ebene, in den Provinzen sowie Kommunen und Dörfern haben die Parteien ihren Wählerinnen und Wählern das Blaue vom Himmel versprochen: Friede, politische Stabilität, Entwicklung, wirtschaftlicher Aufschwung, Arbeitsplätze, Kampf gegen die Korruption und vieles mehr. Als deklariertes Ziel aller Parteien wird bis ins Jahr 2022 der UNO-Status von einem der ärmsten Länder auf der Welt zum Entwicklungsland angestrebt. Die beiden grossen linken Parteien versprechen für die fünfjährige Amtszeit eine Anhebung des Brutto-Sozialprodukts pro Kopf der Bevölkerung auf 5’000 Dollar sowie «ehrliches Regieren», während die Kongress-Partei nichts weniger als eine halbe Million Arbeitsplätze in den nächsten fünf Jahren schaffen und natürlich auch «ehrlich regieren» will.

Neue Verfassung

Die letzten Wahlen wurden 1999 durchgeführt, mitten im Bürgerkrieg, den die rebellierenden Maoisten 1996 vom Zaun brachen. Rund 20’000 Menschen kamen ums Leben. Beim Waffenstillstand und Frieden 2006 einigten sich die politischen Kräfte auf die Ausarbeitung einer neuen Verfassung. 2008 und 2013 wurden verfassungsgebende Versammlungen gewählt, die gleichzeitig als Parlament agierten. Die Monarchie des 240 Jahre alten Hindu-Königreichs wurde abgeschafft. Erst 2015 konnte die Verfassung nach schwierigen Debatten verabschiedet werden. Die politische Instabilität zeigt sich beispielsweise darin, dass Nepal in den letzten 27 Jahren 25 Regierungschefs hatte. Seit 1990 brachte es keine Regierung auf eine volle Amtszeit.

Hohe Wahlbeteiligung

Die in der Tat historischen Wahlen sind in drei Phasen abgelaufen. Im Sommer bereits wurde auf lokaler Ebene gewählt. Die Wahlbeteiligung betrug hohe 75 Prozent. Von den Dutzenden von Parteien siegten jene, die in den letzten Jahrzehnten bereits fast permanent an der Macht waren: Die Kommunistische Partei Nepals Maoisten auf Rang 1, die Kongress-Partei Nepals auf Rang 2 und die Kommunistische Partei Nepals der Vereinigten Marxisten-Leninisten (UML) auf Platz 3.

Machtverschiebung

National und auf Provinzebene wurde in zwei Phasen gewählt. Am 26. November waren 3,2 Millionen Wahlberechtigte im Norden des Landes und am 7. Dezember 12,2 Millionen Wahlberechtigte in der Hauptstadt Kathmandu und im Süden des Landes aufgerufen, nach der neuen Verfassung das nationale und die sieben neuen Provinzparlamente zu wählen. Der Kernpunkt der neuen Verfassung liegt in der Verschiebung der starken zentralen Macht in die Provinzen. Mehr Autonomie also auch für ethnische Minderheiten. Ein Teil der Parlamentssitze ist überdies für Frauen, Angehörige indigener Völker sowie Mitglieder der untersten Hindu-Kaste, der Dalit, reserviert. Die in der Verfassung neu definierten Provinzen haben noch keine Namen, sondern nur Nummern. Die Namensgebung ist Aufgabe der neu gewählten Provinzparlamente. Ein schwieriges, langwieriges Unterfangen, spielen doch dabei Ethnien oder Religion eine Rolle.

Kommunistisches Linksbündnis

Die Wahlbeteiligung bei den letzten beiden Phasen betrug immer noch beachtliche 67 Prozent. Nach vorläufigen Ergebnissen haben dabei wie schon bei den Lokalwahlen die Maoisten, die UML und die Kongresspartei obenauf geschwungen. Das Parlament mit 275 Sitzen wird dann die neue Regierung bilden. Es wird vermutlich ein vom Linksbündnis aus Maoisten und den Vereinigten Marxisten-Leninisten gebildetes Kabinett sein. Wie schon die jetzige, von der Kongresspartei gebildete Regierung sind das für den grossen nördlichen Nachbarn China gute Nachrichten. Nepal will sich als Ausgleich zu den traditionell sehr engen Beziehungen zu Indien gegen Norden etwas ausbalancieren. China arbeitet bereits an einem Tunnel unter dem Himalaya, um das Eisenbahnnetz Nepals mit jenem Chinas zu verbinden.

Vollmundige Versprechen

Ob das neue Linksbündnis auch für Nepalesen und Nepalesinnen Gutes verheisst, bleibt dahingestellt. Maoisten wie Marxisten-Leninisten waren auch schon an der Macht, und die meist vollmundigen Versprechen blieben nichts als Versprechen. Überdies sind im Linksbündnis zwei machtbesessene Politiker am Ruder, zum einen der ehemalige Maoisten-Rebellenführer Pushpa Kamal Dahal – der immer noch unter seinem Nom de Guerre Prachanda (der Kämpferische) politisiert –, zum andern der Chef der Vereinigten Marxisten-Leninisten K.P. Oli.

Khas Arya

Was meist in den politischen Analysen Nepals vergessen geht, sind die Kasten. Sie spielen auch heute noch eine wichtige Rolle. So gehört der hohen Kaste Khas Arya in Nepal nur rund ein Drittel der Bevölkerung an. Seit Jahrhunderten aber sind Mitglieder dieser Kaste führend, so auch in neuester Zeit. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass auch heute viele der führenden Köpfe der Maoisten, Marxisten-Leninisten und der Kongresspartei der Khas-Arya-Kaste angehören.

Der Übergang von einem korrupten Staat, wo alles käuflich ist und zentral bestimmt wird, zu einem dezentralen föderalen und sauberen Staat wird nicht einfach sein. Die bitterarmen Nepalesinnen und Nepalesen hätten es verdient – und hoffen.


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2 Meinungen

  • am 17.12.2017 um 14:17 Uhr
    Permalink

    "China arbeitet bereits an einem Tunnel unter dem Himalaya, um das Eisenbahnnetz Nepals mit jenem Chinas zu verbinden."

    In Nepal gibt es keine Eisenbahnnetz, also gibt es auch nichts zu verbinden. Der Autor scheint mit den lokalen Begebenheiten nicht wirklich vertraut zu sein.

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