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Müllsammler sichten den Abfall im Bezirk 11 des Shwepyitar Townships in Yangon. © Frontier Myanmar/Lighthouse Reports

Müllberge aus dem Ausland stapeln sich in Myanmar

Daniela Gschweng /  Industrieländer exportieren noch immer Plastikmüll in ärmere Gegenden. In Myanmar entstehen Deponien mitten in Wohngebieten.

In Shwepyithar, einem Stadtteil von Yangon, Myanmar, ist die Welt zu Besuch. Oder besser: deren Abfälle. Stinkender Plastikmüll aus aller Welt liege buchstäblich vor den Türen, berichtet das Magazin «Frontier Myanmar» in seiner englischsprachigen Ausgabe.

Die Anwohner leiden unter dem Gestank und den Gesundheitsgefahren. Der Müll fange gelegentlich Feuer und verstopfe die Abwasserkanäle, sagen sie. Das führe zu Überschwemmungen und giftigem Rauch. Besonders schlimm sei es bei Ostwind, sagt Zeya Kyaw Moe, der neben einem der Müllberge wohnt, die im vergangenen Jahr entstanden sind.

Der Müll, der die Strassen säumt, stammt grösstenteils von Produkten, die in Myanmars Supermärkten gar nicht verkauft werden. In Zusammenarbeit mit dem investigativen Kollektiv «Lighthouse Reports» und mehreren anderen Medien hat «Frontier Myanmar» Plastikmüll aus Polen, Kanada und Grossbritannien dokumentiert. 

Der Weg des geringsten Widerstands – die Müllkarawane zieht weiter 

Nach Myanmar gelangte das Altplastik unter fragwürdigen Umständen. Ausländische Unternehmen suchen seit Jahren nach Wegen, Altplastik loszuwerden.

Vor 2018 wurden die Plastikabfälle der Welt noch vor allem nach China verschifft. Dann verbot die chinesische Regierung die Einfuhr (Infosperber berichtete). Nur wenige Jahre später wehrten sich auch die südostasiatischen Länder, in die sich der Müllstrom stattdessen ergoss.

Malaysia schickte mehrmals ganze Schiffsladungen mit Abfällen an Industrieländer zurück und schränkte die Einfuhr 2021 ein. Auch in Indonesien gab es Rücksendeaktionen. Diese seien aber eher Show als substanzielle Veränderung, berichten Kritiker. Thailand will die Einfuhr von gebrauchtem Plastik dieses Jahr auf die Hälfte reduzieren und ab 2025 grösstenteils verbieten. Und auch Vietnam hat für 2025 ein Einfuhrverbot angekündigt.

In Myanmar ist der Import der meisten Plastikabfälle zwar verboten, sie gelangen aber über die thailändische Grenze dorthin. Das ist legal – der Transit von Müll ist in Thailand erlaubt. Damit fliesse der globale Abfall weiter dorthin, wo die Menschen am ärmsten sind und sich am wenigsten wehren können, schreibt «Lighthouse Reports», das die Warenflüsse in die Region analysiert hat.

Grünanlagen «wie geschaffen» für Plastikmüll

Shwepyithar sei wie geschaffen für die Müllberge aus dem Ausland, beschreibt «Frontier Myanmar». Das 1986 fertiggestellte Stadtviertel sieht grosszügige Grünanlagen vor. Für jeweils 100 Haushalte gibt es eine Grünfläche. Auf der sich jetzt der Müll türmt.

Viel dagegen tun können die Einwohnerinnen und Einwohner des Townships nicht. Myanmar wird seit einem Militärputsch im Februar 2021 von einer repressiven Militärjunta regiert. Keine Obrigkeit, bei der man Aufmerksamkeit erregen will. Die Angst vor Repressalien des Militärregimes verhindert Beschwerden bei den Behörden. «In meinem Alter ertrage ich Folter oder Schläge nicht mehr», sagt ein Anwohner zu «Lighthouse Reports». Er hoffe, bald wegziehen zu können.

Die weitgereisten Plastikabfälle stammen laut «Frontier» von Ketten wie Lidl UK, Unico Penne Rigate und Foremost (Kanada), Kasztelan, Spomlek (beides Polen) und Oikos. Keines dieser Unternehmen liefert Produkte nach Myanmar.

Ein Kunststoffrecycler und Abfallimporteur aus der weiter nördlich gelegenen Stadt Mandalay sagt, er wisse auch von Abfällen aus den USA, Japan, Malaysia, Südkorea, Australien und einigen afrikanischen Ländern.

Lidl streitet jede Verantwortung ab

Die von den Recherchepartnern kontaktierten Unternehmen stritten entweder ab, Plastikabfälle nach Myanmar zu exportieren oder sie antworteten nicht auf die Fragen der Journalist:innen.

Lidl UK erklärte gegenüber «Frontier», der gesamte Kunststoffabfall des Unternehmens werde in Grossbritannien verarbeitet, und verwies auf seine Unternehmensrichtlinien. Lidl verfolge einen strikten Kurs, der den Export von Abfällen oder Wertstoffen in asiatische Länder verbiete.

Ein Sprecher von Lidl Polen erklärte, dass auch Drittunternehmen vertraglich verpflichtet seien, Verpackungsabfälle innerhalb der EU zu recyceln.

Das scheint nicht überall gut zu funktionieren. Handelsdaten zeigen, dass zwischen 2017 und 2022 um die 143’000 Tonnen Plastikmüll aus anderen Ländern nach Myanmar exportiert wurden. 114’000 Tonnen stammten aus Thailand.

Staaten wissen angeblich nichts von Müllexporten

Kanada beispielsweise erfasst seit 2021 Zahlen zu Abfallexporten. Seither hat das Land 24 Tonnen Plastikmüll direkt nach Myanmar exportiert und 5900 Tonnen nach Thailand. Eine Genehmigung dafür hat das Umweltministerium nie ausgestellt. Spanien exportierte 2022 mehr als 470 Tonnen in das südostasiatische Land.

Nach dem Basler Übereinkommen, einem internationalen Abkommen, das den internationalen Handel mit schädlichen Abfällen regelt, dürfte das gar nicht passieren. Den entsprechenden seit 2021 gültigen Zusatz zu Plastikabfällen haben fast alle UN-Mitglieder unterschrieben. Nicht zu den Unterzeichnern gehören die USA, Osttimor, Fidschi und Südsudan. Die Plastikberge in Myanmar zeigen deutlich, dass es ein internationales Abkommen braucht. Sonst wird die Müllkarawane so lange weiterziehen, bis auch das ärmste Land sich wehrt.

Am Ende einfach übrig

Die Haltung zu Plastikimporten in Myanmar selbst sei uneinheitlich, berichtet «Frontiers Myanmar». Nicht alle wollen sie verbieten. Ausländischer Plastikmüll ist beliebt bei lokalen Recyclingbetrieben. Sie nutzen ihn für die Herstellung von Waren, da er oft günstiger ist. Er sei leichter zu reinigen und qualitativ besser als der einheimische Plastikabfall, der oft schon mehrmals benutzt worden sei, sagen mehrere Befragte.

Das Problem daran: Die Händler und Wiederverwerter sortieren den für sie brauchbaren, hochwertigeren Teil des Importplastiks aus. Was übrig bleibt, können sie aber nicht einfach zurückschicken. Für die Entsorgung auf einheimischen Mülldeponien müssen sie bezahlen.

Eine scheinbar einfache Lösung ist es, einen Teil des unbrauchbaren Mülls zu verbrennen, was in Myanmar nicht unüblich ist. Unkontrollierte Verbrennung verursacht giftigen Rauch und noch giftigere Asche. Krebserregende Dioxine und Furane können entstehen. Auch persistente «Ewigkeitschemikalien» werden durch Verbrennen bei niedrigen Temperaturen nicht zerstört und gelangen die Nahrungskette.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

goldstein

Plastik-Abfälle für die Ewigkeit

Kunststoffmüll wird zum Problem künftiger Generationen. Weltweit gelangen fast 80% in Umwelt und Deponien.

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Eine Meinung zu

  • am 21.01.2024 um 15:02 Uhr
    Permalink

    Korrupte Regierung machts möglich….

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