Geschäftsmann Michael Spavor (links) verstand sich gut mit Kim Jong-un.

Geschäftsmann Michael Spavor (links) verstand sich gut mit Kim Jong-un © GlobalNews

Er hatte Zugang zu Kim Jong-un und wurde als Spion eingekerkert

Urs P. Gasche /  Geschäftsmann Michael Spavor verlangt jetzt Schadenersatz von Kanadas Regierung. Wegen ihr sei er in China im Kerker gewesen.

Zuerst die Fakten:

  • 2. Dezember 2018: 
    Auf Drängen der USA verhaftet Kanada die chinesische Huawei-Finanzchefin Meng Wanzhou. Die USA warfen ihr vor, US-Sanktionen gegen Iran umgangen zu haben. Huawei soll Produkte aus den USA nach Iran geliefert haben. Die USA setzen ihre Sanktionsbestimmungen auch im Ausland durch. Die Managerin bleibt drei Jahre in Fussfessel-Auslieferungshaft, bevor sie ohne Auslieferung an die USA und ohne Anklage im September 2021 freigelassen wird.
  • 10. Dezember 2018:
    China verhaftet den kanadischen Geschäftsmann Michael Spavor und den kanadischen Diplomaten Michael Kovrig wegen Spionagetätigkeit. Beide bleiben fast drei Jahre unter misslichen Bedingungen im Gefängnis. Im August 2021 wurde Spavor wegen Spionage zu elf Jahren Gefängnis verurteilt. Beide wurden am 24. September 2021 entlassen, wenige Tage nachdem Meng Wanzhou in Kanada entlassen worden war.
  • Es ist naheliegend, dass die Verhaftungen von Spavor und Kovrig in China eine Retourkutsche waren auf die Verhaftung von Meng Wanzhou in Kanada, und dass deren Freilassungen dank eines Deals entstand.
  • Kanada bestritt, dass die beiden Kanadier in Spionage verwickelt waren. Premierminister Justin Trudeau, Kabinettsbeamte und der damalige Botschafter in China, Dominic Barton, erklärten, Peking habe die beiden Kanadier als Vergeltung für die Verhaftung von Frau Meng willkürlich aufgrund erfundener Anschuldigungen inhaftiert. Entsprechend hatten grosse Medien weltweit darüber informiert.

Kovrig hatte Spavor ausspioniert

Die Verhaftung von Spavor und Kovrig stellten Medien als Willkürakt des diktatorischen Regimes in China dar, während sie die Verhaftung der Huawei-Managerin kaum kritisierten. Selbst Amnesty International führte eine Kampagne gegen China, beispielsweise mit einer Veranstaltung an der Universität von Ontario mit dem Titel: «Die Verhaftung der beiden Michaels: Eine Geschichte über Chinas Menschenrechtsverletzungen».

China verhaftete allerdings nicht einfach willkürlich zwei unbescholtene Kanadier, sondern zwei, welche die chinesischen Behörden schon länger im Auge hatten. Der fliessend koreanisch sprechende kanadische Geschäftsmann Michael Spavor war einer wenigen westlichen Geschäftsleute, die einem guten Draht hatten zum nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un und seiner nächsten Entourage. Das machte ihn für westliche Geheimdienste interessant. 

Tatsächlich befreundete sich sein Landsmann Michael Kovrig mit ihm. Beide besuchten sich häufig und hatten ein gutes Verhältnis. Nach eigenen Angaben wusste Spavor allerdings nicht, dass Kovrig seine Erzählungen und Informationen über den Machtzirkel in Nordkorea aufzeichnete und an das Global Security Reporting Program (GSRP) weiterleitete. Kovrig war vom GSRP beauftragt, über China und Nordkorea zu berichten, wie das GSRP heute bestätigt. Vom GSRP gelangten die ergatterten Informationen an verbündete Nachrichtendienste wie die «Five Eyes». Die «Five Eyes» sind ein Zusammenschluss der Geheimdienste der USA, Grossbritanniens, Kanadas, Australiens und Neuseelands.

Ein Bericht des kanadischen parlamentarischen Ausschusses für nationale Sicherheit und Nachrichtendienste aus dem Jahr 2022 über die Aktivitäten von Global Affairs im Bereich der nationalen Sicherheit und der Nachrichtendienste bestätigt, dass die GSRP-Berichte «innerhalb der Sicherheits- und Nachrichtendienstgemeinschaft und innerhalb der ‹Fives Eyes› verbreitet» werden.

Laut einer internen Evaluierung von Global Affairs aus dem Jahr 2018 «messen inländische und verbündete Partner der GSRP-Berichterstattung einen hohen Wert bei und bezeichnen sie als ein einzigartig wertvolles Produkt, das eine klare Nische innerhalb der Sicherheits- und Nachrichtendienste füllt›».

«Spion» oder nicht «Spion»

Michael Spavor (links) und Michael Covrig am 24. März 2023 in Ottawa.
Michael Spavor (links) und Michael Kovrig am 24. März 2023 in Ottawa

Kanadas Behörden hatten stets weit von sich gewiesen, dass Kovrig ein Spion sei. Dies ist nur dann korrekt, wenn unter einem Spion jemand verstanden wird, der sich seine Informationen rechtswidrig und gegen Schmiergeld beschafft. Kovrig dagegen sammelte wie viele Diplomaten legal so viele Informationen wie möglich über China und Nordkorea. Allerdings leitete er seine Informationen an den Geheimdienst weiter.

Guy Saint-Jacques, ein ehemaliger kanadischer Botschafter in Peking von 2012 bis 2016, meinte, dass China Herrn Kovrig aufgrund seiner Arbeit für das GSRP als Spionageagent ansieht.

Die kanadische Regierungssprecherin, Anabel Lindblad, erklärt noch heute, dass Kovrig «kein Spion» gewesen sei. Die GSRP rekrutiere oder betreibe keine menschlichen Quellen und bezahle nicht für Informationen, sagte sie. «Es handelt sich nicht um ein verdecktes Geheimdienstprogramm.»

Doppelter Standard

So willkürlich die Verhaftung der beiden Kanadier in China war, so willkürlich war die Verhaftung der Huawei-Managerin Meng Wanzhou in Kanada auf Druck der USA. Die Anschuldigung: Huawei habe versucht, einseitig erlassene US-Sanktionen gegen den Iran zu umgehen – wohlverstanden nicht kanadische Sanktionen. Die extraterritoriale Durchsetzung von Sanktionen durch die USA halten etliche Völkerrechtler für rechtswidrig.

Spavor macht Kanada für seine Gefängnisstrafe haftbar

Zwei Quellen, darunter «The Globe and Mail», berichten, dass Michael Spavor die kanadische Regierung jetzt dafür verantwortlich macht, dass sein früherer Bekannter Kovrig den Inhalt privater Gespräche an Geheimdienste weiterleitete und er deshalb in China mehr als tausend Tage in einem Gefängnis schmachten musste. 

Mit Anwalt John K. Philips engagierte Spavor einen erfahrenen Prozessanwalt für Fälle der nationalen Sicherheit. Im Jahr 2017 hatte Philips einen 10,5-Millionen-Dollar-Vergleich für den ehemaligen Guantanamo Bay-Häftling Omar Khadr erreicht. Khadr wurde im Alter von 15 Jahren von den US-Streitkräften in Afghanistan verhaftet und beschuldigt, einen amerikanischen Soldaten getötet zu haben.

Gegenwärtig soll Philipps am Verhandeln eines Vergleichs sein mit Patrick Hill, Executive Director und Senior Counsel im Bundesministerium für Justiz und Globale Angelegenheiten. Die «Globe and Mail» nennt die Quellen nicht, da diese nicht befugt waren, die Angelegenheit öffentlich zu besprechen.

Geschäftsmann Michael Spavor

Kim Jong-un auf seiner Jacht mit Geschäftsmann Michael Spavor.
Kim Jong-un auf seiner Jacht mit Geschäftsmann Michael Spavor. Datum unbekannt.

Der Schweizer Geschäftsmann Felix Abt, der im vietnamesischen Nha Trang stationiert ist und Spavor bei seiner Geschäftstätigkeit kennenlernte, berichtet über Spavor:

Ich traf Spavor zum ersten Mal in Pjöngjang, wo er mir half, das erste Werbevideo für das erste pharmazeutische Joint Venture zu erstellen, das ich damals leitete. Spavor war einfach ein netter Kerl, der mit allen freundlich war und offen kommunizierte, auch über seine Bemühungen und Erlebnisse in Nordkorea.

Michael Spavor wurde zunächst durch seine Arbeit als Berater und Organisator von Veranstaltungen in Nordkorea bekannt, wo er sich mehrmals mit Staatschef Kim Jong-un traf, plauderte und scherzte. Er war auch in der Sportdiplomatie involviert und organisierte für die US-Basketballlegende Dennis Rodman Reisen nach Pjöngjang. Spavor versuchte mit Rodman, das politische Eis zwischen den Vereinigten Staaten und Nordkorea zu brechen. Nordkoreas Führer ist ein grosser Basketballfan. 

Donald Trump, der Rodman in seiner Fernsehshow hatte, knüpfte an Rodmans Initiative an, als er US-Präsident wurde. Er bezog Pjöngjang in die Diplomatie ein und traf sich mit seinem nordkoreanischen Amtskollegen.

Etwas mehr Informationen zu Spavor in der asiatischen Internet-Zeitschrift Eastern Angle.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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