Bildschirmfoto20111114um18_27_15

Schatzinseln. Zum Beispiel im Zentrum von Zürich, am Paradeplatzz © rotpunkt verlag

Wie Steueroasen die Demokratie untergraben

Oswald Sigg /  Das Buch «Schatzinseln: Wie Steueroasen die Demokratie untergraben» zeigt die Wirkung von Steueroasen - auch der Schweiz.

(Red.) Einem internationalen Journalistennetzwerk wurden 2,5 Millionen Dokumente über Steueroasen in der ganzen Welt zugespielt. Offshore-Leaks enthüllt ein gigantisches Netzwerk von Steuerhinterziehern. «Schatzinseln: Wie Steueroasen die Demokratie untergraben» heisst der Bestseller von Nicholas Shaxson über die Steueroasen. Aus aktuellem Anlass wiederholen wir die Buchbesprechung von Oswald Sigg, welche am 15. November 2011 auf Infosperber erschienen ist.

Der Titel der Einführung zum spannenden Buch «Schatzinseln, Wie Steueroasen die Demokratie untergraben» lautet: Willkommen im Niemandsland. Das staatenunab­hängige Offshore-System stellt die zentralen Drehscheiben der transnationalen Ka­pitalbewegungen: die Steueroasen. Über sie wird mehr als die Hälfte des Welthan­dels abgewickelt. Steueroasen weisen sechs Merkmale auf: Geheimhaltung, niedrige Besteuerung, Nullsteuersatz für Nichtansässige, grosser Finanzdienstleistungssektor im Vergleich zur lokalen Wirtschaft, die Behauptung der Behörden, man sei gar keine Steueroase und schliesslich das Primat des Finanzsektors gegenüber der Lokalpoli­tik.

Shaxson legt dar, wie diese Steueroasen-Gebiete oder -Staaten von einer ver­kehrten Moral durchdrungen sind. Über Kriminalität und Korruption wird grosszügig hinweggesehen, hingegen kann es strafbar sein, auf Vergehen aufmerksam zu ma­chen. Dies führe zu einer Verachtung der Demokratie und der Gesellschaft als Gan­zem.

Von der Karibik über Singapur bis…
Nach der Einleitung verlässt man aber das Niemandsland. Beschrieben werden nun in den folgenden Kapiteln sowohl Praktiker wie Theoretiker der Kapitalprofitmaximie­rung, die meistens im Verbund mit verdecktem Steuerbetrug steht. Untersucht wer­den auch einzelne Steueroasen in der Karibik, auf den Cayman- und den Channel Islands, die Isle of Man oder Hongkong – kurz, das neue britische Weltreich, wäh­rend Luxemburg, Malta, Monaco oder Singapur nur nebenbei erwähnt werden.

Dar­gestellt wird ausserdem das US-Offshore-System oder die negativen Auswirkungen der Kapitalsteuerflucht auf die armen Länder. Der Autor nennt aber auch die Wurzeln der globalen Finanzkrise und macht sich seine Sorgen um die Menschen, die in der Offshore-Welt arbeiten. Nach ihm sind es überwiegend Aristokraten, Neoliberale, Banker, Geheimagenten und Verbrecher. «Ihre Schreckgespenster sind Staaten, Ge­setze und Steuern, und ihr Slogan lautet ‚Freiheit‘».

…in die Schweiz

Selbstverständlich nimmt unter den «Schatzinseln» die Schweiz einen prominenten Platz ein. Ihr Erfolg wird zunächst politisch und auch historisch begründet. Die Ge­schichte der Steueroase Schweiz beginnt im 13. Jahrhundert, als ausländische Ar­meen die selbständigen Talgemeinschaften nicht mehr unter Kontrolle hatten. Die Schweizer verfolgten damals – immer laut Nicholas Shaxson – eine Doppelstrategie. Einerseits waren sie neutral gegenüber ausländischen Konflikten. Anderseits errich­teten sie «ein extrem dezentralisiertes und komplexes System, das dem Volk direkte Demokratie … zugesteht.» Im Verlauf der Jahrhunderte wurde die Neutralität für die Schweiz zum profitablen Mantel. Während des Dreissigjährigen Kriegs (1618-1648) zum Beispiel, eine der zerstörerischsten Perioden der europäischen Geschichte, sei das kleine Alpenland in Bezug auf Lebensstandard und Handelsbeziehungen gera­dezu aufgeblüht.

Ab dem 18. Jahrhundert waren Schweizer Banker in ganz Europa aktiv, besonders während den kriegerischen Auseinandersetzungen und darunter wieder besonders im Zweiten Weltkrieg. Auch heute noch, so der Autor, bleibt die Schweiz einer der weltweit wichtigsten «Aufbewahrungsorte für schmutziges Geld». Er schliesst das Kapitel über die Schweiz mit der Einschätzung ab, man habe hier das Bankgeheimnis überhaupt nicht begraben, sondern lediglich ein paar beschei­dene Annäherungen an internationale Standards gemacht. Mehr nicht.

Korruption, Kriminalität, Armut

Aber, so Nicholas Shaxson zum Schluss des Buches, es sei an der Zeit, die globale Debatte über die Steueroasen anzustossen. Denn Steueroasen würden Regierungen hintertreiben und Politiker korrumpieren, eine kriminelle Wirtschaft und eine neue Aristokratie schaffen. Diese Kriminalität sei es, die letztlich Ungleichheit und Armut schaffe.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Bankgeheimnis1

Bankgeheimnis für wen?

Ist das Schweizer Bankgeheimnis ein BankKUNDENgeheimnis oder ein STEUERHINTERZIEHUNGSgeheimnis?

Bildschirmfoto20120107um17_56_48

Die Demokratien im Stress

Die Finanz- und Politkrisen setzen den Demokratien im Westen arg zu. Auch mit der Gewaltenteilung haperts.

Bildschirmfoto20180909um13_36_58

Reich, arm, ungleich

Grösser werdende soziale Kluften gefährden demokratische Rechtsstaaten.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

Eine Meinung zu

  • am 17.11.2011 um 12:19 Uhr
    Permalink

    Es ist interessant, aber nicht erstaunlich, dass das Buch von Nicolas Shaxson in Schweizer Medien bisher kaum Beachtung fand, obwohl es bereits vor einem halben Jahr erschien und der Autor – leicht erreichbar – auch noch in der Schweiz lebt. Aber lieber nicht an dem Thema rühren!

    Ein weiteres Buch zum Thema, mit vielen Facts & Figures und Fallbeispielen, ist von Schweizer Medien bisher nahezu völlig ignoriert worden. Es erschien bereits vor Monaten : Wolfgang Hetzer: «Finanzmafia. Wie Banker und Banditen unsere Demokratie gefährden» (ISBN 978-3-938060-70-4). Der Autor ist Jurist und leitet seit 2002 die Abteilung «Intelligence: Strategic Assessment & Analysis» im Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) in Brüssel. Zuvor war er Referatsleiter im Bundeskanzleramt zuständig für die Aufsicht über den Geheimdienst BND in den Bereichen Organisierte Krmininalität, Geldwäsche etc.

    Ein Mann mit intimem Backgrund-Wissen.

    Die «Süddeutsche Zeitung» nennt das Buch «eine brillante Analyse".

    Schweizer Medien halten den Mund. Einfach ignorieren. Das gibt am wenigsten Aerger.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...