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Werbung für Elektroautos: Umweltministerin Leuthard vor ihrem Dienstwagen Tesla © SRF/UVEK

Elektroautos retten das SUV-Geschäft der Autobranche

Hanspeter Guggenbühl /  Auch SUV und andere Benzinfresser können die CO2-Vorschriften ab 2021 erfüllen – wenn man sie mit Elektroautos paart.

13 Tage vor ihrem Rücktritt als Bundesrätin startete Umweltministerin Doris Leuthard nochmals eine Werbeoffensive für Elektroautos: Zusammen mit 50 Organisationen – von der Auto- und Stromlobby bis hin zu staatlichen Organisationen – lancierte sie die «Roadmap zur Förderung der Elektromobilität». Dieser Fahrplan setzt das Ziel, den Anteil der Elektroautos an den Neuwagenverkäufen bis 2022 auf 15 Prozent zu erhöhen.

Die Umweltbelastung von Verkehrsmitteln …

Etwas Salz in den Auftritt der strahlenden Frau Leuthard streuten einen Tag später Zeitungen der Tamedia-Gruppe («Tages-Anzeiger, Landbote, u.a.): Unter dem Titel «Das vermeintlich grüne Geschenk» veröffentlichten sie eine Grafik aus dem Umweltbericht des Bundes, welche die Umweltbilanz von verschiedenen Verkehrsmitteln nach der Methode der Umweltbelastungspunkte quantifizierte. Diese Grafik findet man im Bericht «Umwelt Schweiz 2018» auf Seite 72, den der Bundesrat samt Doris Leuthard am 3. Dezember genehmigt hatte (siehe unten)

Umweltbelastung pro Person und Kilometer: Beim Velo am kleinsten. E(lektro)- PW kaum ökologischer als Benzin-PW. GRAFIK VERGRÖSSERN
Gemäss dieser Tabelle schneiden die angeblich «umweltfreundlichen» Elektroautos pro Person und Kilometer Fahrt mit 215 Belastungspunkten nur etwa zehn Prozent ökologischer ab als hundsgewöhnliche Benzin- oder Dieselautos. Im Vergleich zu Reisenden in der Eisenbahn hingegen belasten Benützer von Elektroautos die Umwelt rund acht Mal stärker. Diese Resultate basieren auf einer Studie von mobitool. Grundlagen und Daten dazu lieferte unter anderem der auf graue Energie- und Ökobilanzen spezialisierte Rolf Frischknecht.

… hängt auch von den Annahmen ab

Gewiss, über Ökobilanzen lässt sich trefflich streiten. So fällt in der obigen Grafik insbesondere auf, dass die Bahn im Vergleich zu andern Verkehrsmitteln viel besser abschneidet als in früheren Studien. Das rührt daher, dass die Resultate je nach Wahl der Methode, der Systemgrenzen und weiteren Annahmen stark voneinander abweichen können.

Beispiele: Eine Bewertung nach Primärenergieverbrauch oder Treibhausgas-Emissionen liefert andere Resultate als eine Bewertung nach Umweltbelastungspunkten. Je nach Strommix ergibt die Herstellung und der Betrieb von Elektroautos bessere oder schlechtere Resultate; das zeigen zum Beispiel die Reaktionen auf frühere Infosperber-Berichte zur Elektromobilität, etwa hier und hier. Oder wie umweltfreundlich eine Velofahrerin in die Pedale trampt, hängt wesentlich von ihrem Speisezettel ab, doch in der mobitool-Studie sind die Energieverluste in der Nahrungskette ausgeklammert.

CO2-Vorschriften setzen falsche Anreize

Eines aber steht fest: Es gibt kein Verkehrsmittel, das die Umwelt nicht belastet. Elektrofahrzeuge verursachen in der Herstellung und bei der Stromerzeugung ebenfalls CO2-Emissionen und heizen damit das Klima auf; je grösser sie sind, desto stärker. Doch diesen Sachverhalt lassen die CO2-Vorschriften für Neuwagen ausser Acht. Denn sie bewerten den CO2-Ausstoss von Elektroautos mit Null. Das ist deshalb von Belang, weil diese CO2-Normen sich nicht am einzelnen Fahrzeug sondern am Durchschnitt von Fahrzeugflotten orientieren.

Ab 2021 werden die EU und die Schweiz diese Emissions-Vorschriften verschärfen. Demnach dürfen neu in Verkehr gesetzte Autos im Durchschnitt nur noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer Fahrt auspuffen. Das entspricht einem Benzinverbrauch von 4,2 Liter pro 100 Kilometer Fahrt. Zum Vergleich: Heutige Neuwagen verbrauchen im Schnitt 6 Liter Benzin auf dem Prüfstand, in der Praxis sogar mehr als 8 Liter (siehe Infosperber: «Die Mär vom 6-Liter-Auto»). Noch mehr Sprit als der Durchschnitt verbrennen leistungsstarke Limousinen und Sport Ultility Vehicles, besser bekannt unter dem Kürzel SUV.

Elektroautos stützen Verkauf von SUV-Modellen

Um den strengen Grenzwert von 95 Gramm CO2 zu erfüllen, hat ein Hersteller zwei Möglichkeiten. Er kann den Benzinbedarf seiner Neuwagenflotte auf 4,2 Liter/100 km senken, indem er kleinere Fahrzeuge mit weniger starken Motoren produziert. Oder er kann weiterhin ein Auto mit 8,4 Liter Benzinverbrauch in Verkehr setzen, wenn er diesen hohen Spritdurst gleichzeitig mit dem Verkauf eines neuen Elektroautos kompensiert, das die Vorschriften fälschlicherweise mit Null CO2-Emissionen gewichten. Konkret: Wenn ein Händler gleichzeitig einen über zwei Tonnen schweren benzinbetriebenen Range Rover und einen ebenso schweren strombetrieben Tesla S verkauft, kann er die strengeren Abgasvorschriften ab 2021 auf dem Prüfstand weiterhin erfüllen.

Fazit: Die Förderung der Elektromobilität erlaubt trotz strengeren CO2-Emissionsnormen weiterhin, den Absatz von übergewichtigen Autos mit überdimensionierten Motoren. Sie rettet sozusagen das Geschäftsmodell SUV in die Zukunft. Auf der Strecke bleibt der Klimaschutz


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

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4 Meinungen

  • am 21.12.2018 um 12:26 Uhr
    Permalink

    Das ist ja nicht die Idee!!! Die Suvs müssten Hybrid werden und keine Mischrechnungen! Warum wird immer auf dem Minimum herumgetanzt???

  • am 21.12.2018 um 15:36 Uhr
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    Der Bericht bezieht sich auf die Pläne der EU+CH für ab 2021.

    Für 2030, also heute in etwas über 11 Jahren, soll laut Brüsseler EU-Plänen, dann der neue Grenzwert, für neue PKW UND Kleintransporter (faktisch auch fast alle Handwerkerfahrzeuge) nur noch eine maximale Freisetzung von kapp 60 Gramm CO2 pro Kilometer erlaubt sein. Klingt doch schonmal «gut», oder?

    Politiker aber auch die meisten Bürger, können aber eigentlich gar nichts wirklich mit diesem Wert anfangen? Was soll da schon dabeisein? Je weniger Ausstoss, umso besser, oder?

    Je alltagsferner die bei sowas verwendete Masseinheit ist, um so besser für die Propagierung solcher willkürlicher Werte.

    Übersetzen wir deshalb mal neugierig diesen geplanten EU-Grenzwert ab 2030 durch Brüssel, in Maßeinheiten, die jedem Autofahrer nur zu vertraut sind: 60 gr CO2 / km entspricht etwa einem Verbrauch von rund 2,5 Liter Benzin bzw. 2,3 Liter Diesel pro 100 km. Dämmert es nun endlich auch mal, wohin diese Reise gehen soll und daß damit die Durchschnittsautos der normalen Bürger und die Fahrzeuge der Handwerker, wie sie heute alltäglich sind, damit faktisch tot und nicht mehr in Europa produzierbar wären? Die Autoproduzenten in Asien, vor allem in China und Korea, lassen bereits die Sektkorken knallen…

    Dagegen können die Dreckschleuder-Luxusautos wie Ferarri & Co für Gutbetuchte, wegen der «Kleinserien-Ausnahmen» weiterhin gebaut und an ihre gewohnte Kundschaft verkauft werden, von denen ja etliche auch in der CH wohnen…

  • am 22.12.2018 um 15:09 Uhr
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    Lieber Herr Guggenbühl
    Sie haben sich ja regelrecht in das Gewicht verbissen. Gerade die Elektromobilität sorgt ja dafür, dass man ein Auto regelrecht entschlacken kann. Viele Komponenten in Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor sind nicht mehr nötig wie z.B. ein Motor mit x-Zylindern, Vergaser bzw. Einspritzung, Treibstoffpumpe, Anlasser, Getriebe mit Schaltung und Kupplung, Tank, Auspuffanlage, Ölwanne mit Schmierung, Katalysator, Keilriemen, Zündkerzen, Lichtmaschine, Kühler, Lärm- und Hitzeschutz, Treibstofffilter,
    Schauen wir doch mal allein das an, was allein nur zum Kraftstoffsystem gehört:
    Aktivkohlefilter für Kraftstoffsystem, Ansaugschlauch, Drosselklappe, Einspritzdüse, Einspritzleitung, Elektrische Anlage für Kraftstoffsystem, Hallgeber, Hochdruckleitung, Hochdruckpumpe, Injektoren, Kraftstoff, Kraftstoffdrucksensor, Kraftstofffilter, Kraftstoffleitung, Kraftstoffpumpe, Kraftstoffpumpenrelais, Kraftstoffschläuche, Kraftstoffstutzen, Kraftstofftank, Leerlaufsteller, Leerlaufschalter, Luftfilter, Luftfiltergehäuse und Anschlüsse, Luftmassenmesser, Railrohr, Saugdrucksensor, Tankventile, Tankdeckel, Tankgeber, Vorförderpumpe, Zündkabel, Zündkerzen, Zündspule und noch vieles mehr.
    Übrigens sind die «Umweltbelastungspunkte» eine rein Schweizer Erfindung basierend auf Schweizer Grenzwerten. Damit machen sie sich einzigartig in der LCA Szene und sind praktisch unvergleichbar. Und wie in jeder guten Bilanz, sollte es auch das Gegenstück, also Umweltentlastungspunkte geben.

  • am 26.12.2018 um 09:41 Uhr
    Permalink

    Der extrem schlechte Wert für EPW kann nur mit der Annahme eines Ist-Zustandes erklärt werden. Darum aber geht es gar nicht, sondern welches Potential in der EV-Technik steckt.
    Batterien können in der Materialzusammensetzung und mittels Recycling noch massiv verbessert werden, um nur ein Beispiel zu nennen.
    Batterie-Fahrzeuge ermöglichen ausserdem viel einfacher Anwendungen zwischen dem Elektrovelo und dem PW.

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