Künstliche Hüftgelenke

Hüftbrüche sind eine häufige Folge der Osteoporose. Sie führen meist dazu, dass die Betroffenen ein neues Hüftgelenk erhalten. © ramvseb / Depositphotos

Senioren im Heim: Mehr Milchprodukte, weniger Knochenbrüche

Martina Frei /  Eine Studie zeigt, dass gegen Osteoporose mit wenig Aufwand gleich viel erreicht werden kann wie mit Medikamenten.

Brüchige Knochen sind bei alten Menschen ein grosses Problem, führen sie doch oft zur Pflegebedürftigkeit oder zum Übertritt in ein Alters- oder Pflegeheim. Dort hören die Knochenbrüche aber nicht auf, im Gegenteil: Etwa 30 Prozent aller Hüftbrüche ereignen sich bei Senioren, die in Alters- oder Pflegeheimen leben. 

Ob und wie gut gerade sie von Medikamenten gegen Osteoporose (brüchige Knochen) profitieren, ist offen. Denn die Wirksamkeit wurde bei über 80-Jährigen kaum in Studien untersucht.  

Eiweiss- und Calciumaufnahme erhöht 

Angesichts dessen haben australische Wissenschaftler einen anderen Weg versucht. Sie teilten 60 Altersheime mit insgesamt rund 4’000 Senioren per Los in zwei Gruppen ein. In der einen Gruppe erhielten alle Heimbewohnerinnen und -bewohner ihre gewohnte Kost. Die Heime in der anderen Gruppe servierten den Senioren hingegen neu Mahlzeiten, die mehr Eiweiss und Calcium enthielten. Wer keine Milch vertrug, erhielt lactose-freie Produkte. 

Eiweiss ist ein wichtiger Baustein für die Muskeln, die im Alter mit jedem Jahrzehnt dünner werden. Weniger Muskeln, mehr Stürze, so die Faustregel. Das zusätzliche Calcium sollte die Knochen stärken. 

Einfache Rezepte

Vor dem Experiment nahmen die Senioren in allen Heimen im Durchschnitt täglich rund 700 Milligramm Calcium zu sich und 57 Gramm Eiweiss. Mit Beginn der Studie bekamen die Senioren in den Heimen, die nun anders kochten, pro Tag mehr als 1000 Milligramm Calcium und 69 Gramm Eiweiss (entsprechend 1,1 Gramm pro Kilo Körpergewicht) serviert 1.

Mit Milchpulver angereicherte Mahlzeiten, mehr fermentierte Milchprodukte wie Joghurt oder Käse und milchbasierte Desserts anstatt süsse Backwaren – mit diesen Massnahmen erhöhten die Heime in der Versuchsgruppe die Eiweiss- und die Calciumaufnahme bei ihren Bewohnern.

Nach drei Monaten: Weniger Stürze

Nach drei Monaten war der erste Unterschied feststellbar: Die Senioren in der Versuchsgruppe stürzten etwas weniger als jene in der Vergleichsgruppe. Im Verlauf der zwei Jahre dauernden Studie kam es in der «Eiweiss- und Calciumgruppe» zu rund 1’900 Stürzen, in der Vergleichsgruppe, die wie gewohnt ass, hingegen zu etwa 2’400.  

Der Unterschied schlug sich nach fünfmonatiger Versuchsdauer auch in der Anzahl der Knochenbrüche nieder: 121-mal brachen sich Versuchsteilnehmende während der Studie einen Knochen, 203-mal passierte dies bei Personen in der Vergleichsgruppe. Bis auf einen Knochenbruch waren alle Frakturen auf Stürze zurückzuführen. 

Mit relativ wenig Aufwand und Kosten hatten die Heime so eine 33-prozentige Reduktion aller Knochenbrüche erreicht, 46 Prozent weniger Hüftbrüche und 11 Prozent weniger Stürze. Das sei vergleichbar mit der Wirkung, die gängige Medikamente gegen Osteoporose in Studien erbracht hätten, berichten die Studienautoren im «British Medical Journal». Die Versuchsteilnehmer, die durchschnittlich 13 Monate lang an der Studie teilnahmen, hätten durch die eiweiss- und calciumreichere Kost auch keine Verdauungsprobleme bekommen.

Schwache, aber positive Effekte auf die Knochen nachgewiesen

Obwohl alle Senioren etwa gleich viele Kalorien assen, nahmen die Personen in der Vergleichsgruppe durchschnittlich 1,4 Kilo ab. Ein Teil davon war durch den Verlust an Muskelmasse bedingt. Auch das könnte die Unterschiede erklären.

Bei einer kleinen Stichprobe der Heimbewohnerinnen und -bewohner verglichen die Wissenschaftler die Knochendichte und den Knochenstoffwechsel anhand verschiedener Blutwerte. Der Befund: Schwache, aber positive Effekte.

Joghurt oder Brokkoli 

Die Forschenden anerkennen, dass mehr pflanzliche Nahrung umweltverträglicher gewesen wäre als mit Milch(-produkten) angereicherte Mahlzeiten. Um auf dieselbe Menge Calcium zu kommen wie in vier Portionen eines Milchprodukts müsste ein Senior aber zum Beispiel vier Kilo Brokkoli essen, geben sie zu bedenken. Das sei eine Herausforderung, zumal alte Menschen im Durchschnitt weniger als zwei Kilo Nahrung täglich verzehren würden.

Einige frühere Studien haben die Frage aufgeworfen, ob Milch womöglich schadet und bei Erwachsenen zu höherer Sterblichkeit führt. Der Milchkonsum an sich sei in beiden Gruppen gleich gewesen, betonen die Autoren, und die Gesamtsterblichkeit – bei einem durchschnittlichen Alter von 86 Jahren – ebenso. 

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1 In beiden Gruppen erhielten etwa 19 Prozent der Teilnehmenden Medikamente gegen Osteoporose.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

  • Um den täglichen Calciumkonsum zu ermitteln, ist der Calciumrechner der Rheumaliga eine Hilfe. Das Ziel sind circa 1000 Milligramm (= ein Gramm) Calcium pro Tag, idealerweise mit der Nahrung oder dem Trinkwasser und nicht (oder nur zu einem kleinen Teil) durch Nahrungsergänzungsmittel. 
  • Merkblatt «Ernährung und Osteoporose» der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung

Zum Infosperber-Dossier:

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4 Meinungen

  • am 12.07.2022 um 19:46 Uhr
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    Interessant wäre im Vergleich, wie der Knochenzustand bei Rentnern gleicher Alterskohorte aus Ländern, die wenig oder keine Milchprodukte konsumieren (Japan, China, Korea, Vietnam usw.) ist – ich erwarte mir da dass die Calciumaufnahme und -verwertung und altersgerechte Eiweißversorgung aus anderen Quellen genauso gut funktionieren könnte. Gegen den leider altersbedingten und unaufhaltsamen Muskelschwund des Alterns hilft begrenzt Training; man kann sich auch in hohem Alter an das Maximum für seine eigene Altersklasse herantrainieren und ist mit 86 wahrscheinlich muskulär besser beieinander als ein durchschnittlicher 50iger.

  • am 13.07.2022 um 06:21 Uhr
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    Danke, ein guter Beitrag an die Volksgesundheit. Ich kann mich noch erinnern an Aussagen, daß Calzium, Milchprodukte und Proteine nichts nützen würden. Als Osteoporose Betroffener habe ich viele Beiträge zu diesem Thema gelesen. Wer steckt wohl hinter solchen Aussagen welche in verallgemeinernder Form in den digitalen Medien daherkommen? Noch immer ist es viel zu wenig ein Thema, das einige Marketingfirmen für Geld bereit sind, im Aerztekittel falsche Informationen auf sozialen Plattformen zu verbreiten. Dies geht sogar soweit, daß richtige und umfassende Informationen durch den Druck solcher Firmen auf die sozialen Plattformen von diesen weg zensuriert werden. Angestellte Influenzer/innen mit zweifelhaften Doktor-Titeln sorgen mit gefälschten Reklamationen via Email an diese Plattformen dafür. Die meisten solcher Reklamationen werden nicht überprüft. Im Neoliberalismus verschwindet die Gewissenhaftigkeit und es wird offenbar alles möglich.

  • am 14.07.2022 um 04:29 Uhr
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    Ich finde diese Studie falsch: Gruppe 1 «Normalkost» (die Ernährung in Altersheimen – und Spitälern – ist oft eher ungesund); Gruppe 2 Milcheiweiss/calcium. Die Studie müsste logischerweise vergleichen: Gruppe 1 Gesundes ohne Milchprodukte; Gruppe 2 Milcheiweiss/calcium.
    Gibt es ein Land mit traditionell höherem Milchproduktekonsum als die Schweiz? Aber hohe Osteoporoserate. Im Gegensatz zu etwa asiatischen Ländern mit praktisch null Milchkonsum traditionell. Milch ist in Natur nur für Säuglinge (Buch «Fit for Life»). Im Mittelalter hatten Menschen sehr starke Knochen/Gelenke/Bindegewebe, konnten leicht Zentnersäcke schleppen; Hauptnahrung: Hirse (Silizium) und Kohlarten (Vitamin K). Ich bin für organische Mineralstoffaufnahme. Wozu dann aber Zeolith und Bentonit?
    Prof. Dr. med. Karl Hecht:
    https://www.youtube.com/watch?v=tX11_XEanfc
    Dr. med. Petra Bracht, Prof. Dr. Michalsen:
    https://www.youtube.com/watch?v=FtMpAtS9yDs

  • am 14.07.2022 um 22:00 Uhr
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    Ich schliesse mich der Meinung von Wolfgang Reuss an. Es gibt inzwischen zig Studien aus der ganzen Welt, dass je höher der Nutztierbestand (und damit der Milchkonsum) einer Region, desto höher auch die Osteoporosen-Rate dieser Region (Quelle: The China Study). Es gibt meines Wissens kein anderes Säugetier auf diesem Planeten, welches im ausgewachsenen Alter noch Milch konsumiert. Und dann sogar noch von einem fremden Tier. Das macht überhaupt keinen Sinn. Milch ist für Säuglinge und für deren Wachstum, nicht für ausgewachsene.

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