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Wenn es Männern an die Hoden geht: Sie sind mit Nanoplastik-Teilchen belastet. © dvulikala/Depositphotos

Gesundheitsrisiko: Plastik in Hoden, Plazentas und Gehirnen

Urs P. Gasche /  Im Nordatlantik schwimmen 27 Mio Tonnen winzige Plastikteile. Mit der Nahrungskette isst sie der Mensch. Noch mehr atmet er ein.

Erste Studien am Menschen zeigen Zusammenhänge zwischen kleinsten Plastik-Teilchen und Frühgeburten, Entzündungs- sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Im Gehirn könnten kleinste Kunststoffpartikel Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson fördern. Ein Team um Matthew Campen von der University of New Mexico untersuchte Gehirnproben von verstorbenen Menschen. Bei zwölf von ihnen, die an einer Demenz erkrankt waren, lag der Plastikgehalt besonders hoch. «Wir vermuten langsam, dass diese Kunststoffe den Blutfluss in den Kapillaren behindern können», erklärte Camden. Auch könnte das Mikroplastik die Verbindungen der Nervenzellen untereinander stören oder zur krankhaften Ablagerung von Proteinen im Nervengewebe führen.

Einige Chemikalien, die Kunststoffen zugesetzt werden und mit ihnen ins Blut gelangen, sind für den Menschen schädlich – darunter beispielsweise krebsfördernde PFAS und hormonaktive Bisphenol-A und Phthalate.

Das ist erst der Anfang. Denn die weltweite Produktion von Kunststoffen hat sich in den letzten zwanzig Jahren verdoppelt und schnellt weiter nach oben:

Weltweite Plastikproduktion OECD
Weltweite Plastik-Produktion. Ab Corona-Jahr 2020 Prognosen.

Infosperber hat darüber zuletzt am 30. Juni informiert


Mindestens 27 Millionen Tonnen allein im Nordatlantik

In den Ozeanen schwimmen noch viel mehr Kunststoffe als bisher angenommen. Die kleinsten unsichtbaren Partikel im Bereich von Nanometern – Millionstel Millimeter – erreichen eine Masse, die vermutlich noch grösser ist als die sichtbaren im Bereich von Mikrometern und grösser. Das jedenfalls ergaben Messdaten an zwölf Stellen im Nordatlantik – von küstennahen Gebieten bis zur Tiefsee. Die Studie einer Forschergruppe um Dušan Materić vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig hat die Fachzeitschrift «Nature» am 9. Juli 2025 publiziert. Die Menge an Nanoplastik, das für das blosse Auge unsichtbar ist, erreiche in den Gewässern des Nordatlantiks mindestens 27 Millionen Tonnen – mehr als das Gewicht aller wildlebenden Landsäugetiere.

«Ich habe Plastik in schwedischen Seen, in städtischer und sehr abgelegener Luft analysiert, aber das hier war anders», sagte Dusan Materic, Leiter einer Forschungsgruppe für Mikroplastik und Nanoplastik am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Deutschland und einer der Hauptautoren der Analyse. «Das ist ein fehlendes Teil der Plastikgeschichte, das wir hier beantworten.»

«Die Menschen waren besorgt über Nanoplastik im Meerwasser, aber sie hatten nicht die Technologie, um zu sehen, wie es wirklich aussieht», sagte Tengfei Luo, Ingenieurprofessor an der University of Notre Dame, der an der neuen Studie nicht beteiligt war. Im vergangenen Jahr war Luo Autor einer anderen Studie in der Fachzeitschrift Science Advances, in der erstmals Nanoplastik im Meerwasser nachgewiesen wurde.

«Wir mussten absolut sicher sein, dass es sich um ein Nanokunststoffsignal handelte und nicht um etwas anderes.»

Plastikmüll schwimmt meist nahe der Oberfläche und sammelt sich in grossen, rotierenden Meeresströmungen, den sogenannten Meereswirbeln an. Die Forscher fanden heraus, dass Nanokunststoffe in Küstennähe und nahe der Wasseroberfläche stärker konzentriert waren, aber sie konnten die Schadstoffe sogar in einer Tiefe von 4500 Metern nachweisen.

Die Studie ergab eine durchschnittliche Konzentration von Nanokunststoffen in Küstennähe von 25 Milligramm pro Kubikmeter Wasser – etwa das Gewicht einer grossen Vogelfeder.

Nanokunststoffe sind so winzig, dass sie leicht in den Körper von Lebewesen eindringen können, sagte Luo. Für Fische und andere Tiere, die im Meer leben, bedeutet dies eine ständige Belastung, die sich mit der Zeit anreichert. Grössere Tiere essen kleinere Tiere. Am Ende der Nahrungskette steht der Mensch.

Im August werden Vertreter aus über hundert Ländern in Genf zur Abschlusskonferenz der Vereinten Nationen zusammenkommen, um Massnahmen gegen die weltweite Plastikverschmutzung zu erörtern.

Ausser Absichtserklärungen ist nicht viel Konkretes zu erwarten.

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PS

Risiken für unsere Kinder und Enkelkinder werden unterschiedlich beurteilt. Gegenwärtig schätzen Regierungen (und die Rüstungsindustrie) die Wahrscheinlichkeit eines russischen Angriffs und einer russischen Besetzung von Nato-Staaten als höher ein als die Folgen der Klimaerwärmung, des Wassermangels, der Armut mit ihren Migrationswellen oder der Verseuchung der Umwelt unter anderem mit Nanokunststoffen.

Deshalb fliessen Abermilliarden in die Aufrüstung und fehlen zur Bekämpfung der anderen Risiken.

➔ Siehe Infosperber vom 8. Juni 2025: Das Aufrüsten ist kurzsichtig und birgt erhebliche Risiken.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Eine Meinung zu

  • am 16.07.2025 um 12:41 Uhr
    Permalink

    Da scheinen ja die Nanopartikel harmlos zu sein, denn Russland will weder uns angreifen, noch irgendwelche Natostaaten besetzen. Der im Artikel erwähnte Vergleich hinkt gewaltig. Das sollte man unterlassen.

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