Robert F. Kennedy jr.

Die nächste Ansage von RFK als Gesundheitsminister: Er entlässt alle Mitglieder der US-Impfkommission. © jhansen2 / Depositphotos

Kennedy folgt dem Beispiel von Karl Lauterbach

Martina Frei /  Der US-Gesundheitsminister stellt die Impfkommission neu auf. Allerdings aus anderen Gründen als der deutsche Ex-Minister.

Als der künftige US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy vor seiner Wahl dem Senat Rede und Antwort stehen musste, versicherte er, dass er sich nicht in die Empfehlungen der US-Impfkommission ACIP einmischen werde.

Diesen Montag teilte Kennedy mit, dass er alle 17 Mitglieder dieser Kommission «in den Ruhestand schicken» und durch neue ersetzen werde. Das ACIP (Advisory Committee on Immunization Practices) bewertet den Nutzen von Impfstoffen und bestimmt in den USA, welche Impfungen für welche Personen empfohlen werden. 

In der Tradition von Karl Lauterbach

Kennedy ist nicht der erste westliche Gesundheitsminister, der so agiert. Der frühere deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach begrenzte im Herbst 2023 kurzerhand die Amtszeit der Mitglieder der deutschen Impfkommission (Stiko) – und sorgte so für den abrupten Abgang von 11 der früher insgesamt 17 Mitglieder. Die Stiko hatte während der Corona-Pandemie nicht immer so gespurt, wie die Politik dies gewünscht hätte. 

Seit Februar 2024 besteht die Stiko neu aus 19 Personen, nur fünf davon gehörten ihr bereits in der letzten Amtsperiode an. «Die Unabhängigkeit der Stiko von politischer Einflussnahme bleibt weiter bestehen», erklärte Lauterbach nach den Neu-Besetzungen im «Deutschen Ärzteblatt».

Die Kommission übergangen

Dass in den USA bezüglich des ACIP etwas im Tun war, kündigte sich schon vor Monaten an. Ende Februar hätte die Kommission regulär tagen sollen. Doch der Termin wurde ohne nähere Angaben von Gründen verschoben

Dann kündigte die US-Arzneimittelbehörde FDA an, dass sie künftig von den Herstellern Wirksamkeitsbeweise für den jährlichen Covid-Booster bei gesunden, jüngeren Menschen verlange (Infosperber berichtete). Das ACIP war vor dieser Ankündigung nicht konsultiert worden. 

Mit dem harten Schnitt will Kennedy laut eigenem Bekunden das öffentliche Vertrauen in die Gesundheitsbehörden wiederherstellen. Das ACIP ist der US-Gesundheitsbehörde CDC angegliedert, die ACIP-Mitglieder sind aber nicht dort angestellt.

Gelder von Pharmafirmen erhalten

Kennedy zufolge krankt der «Impfstoffregulierungsapparat» seit Jahrzehnten an Interessenkonflikten. Von acht ACIP-Mitgliedern, die beispielsweise 1997 für die Einführung eines Baby-Impfstoffs gegen Rotaviren plädierten, hätten vier finanzielle Verbindungen zu Herstellern gehabt, die ebenfalls Rotavirus-Impfstoffe entwickelten. Der damals zugelassene, erste Rotavirus-Impfstoff wurde später wegen schwerer Nebenwirkungen wieder vom Markt genommen. 

Das ACIP «hat sich noch nie gegen einen Impfstoff ausgesprochen – nicht einmal gegen solche, die später wegen Sicherheitsbedenken zurückgezogen wurden», schreibt Kennedy in einem Artikel im «Wall Street Journal». 

Im Jahr 2000 habe eine Untersuchung festgestellt, dass es beim ACIP praktisch keinerlei Richtlinien gab, was mögliche Interessenkonflikte ihrer Mitglieder betraf. Rund zehn Jahre später sei herausgekommen, dass fast alle ACIP-Mitglieder nur unvollständige Erklärungen zu ihren Interessenkonflikten ablieferten – und die US-Gesundheitsbehörde hätte dies durchgehen lassen, kritisiert der US-Gesundheitsminister: «Die meisten Mitglieder des ACIP haben substanzielle Finanzierung von Pharmafirmen erhalten, auch von solchen, die Impfstoffe vermarkten.»

Pharmazeutische Industrie warnt vor steigender Impfskepsis

Es gehe nicht um eine Pro- oder Anti-Impfagenda. Das Problem sei auch nicht, dass die ACIP-Mitglieder korrupt seien. Sie wollten zwar der Öffentlichkeit dienen, gibt sich Kennedy überzeugt, aber sie seien in ein System aus «Industrie-orientierten Anreizen» und «enger, industriefreundlicher Orthodoxie» eingebunden. Diejenigen, die das ACIP informieren würden, täten dies hinter verschlossenen Türen. 

Kennedys Darstellungen über Interessenkonflikte seien falsch, widerspricht ein früherer CDC-Direktor. Doch wer die offengelegten Interessenkonflikte der ACIP-Mitglieder liest, bekommt einen anderen Eindruck.

Der ehemalige Chefwissenschaftler der US-Arzneimittelbehörde FDA nannte Kennedys Entscheid gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters «eine Tragödie». Die bisherige Impfkommission aus Ärzten, Wissenschaftlern und weiteren Fachleuten habe «hochprofessionell» gearbeitet. Die Interessengruppe der pharmazeutischen Industrie «PHRMA» stufte Kennedys Schritt als besorgniserregend für die öffentliche Gesundheit ein. Die Impfskepsis würde dadurch steigen, prophezeite sie.

Biden-Regierung stellte in letzter Minute noch Weichen

Weil die derzeitigen ACIP-Mitglieder – teilweise in letzter Minute – noch unter Joe Biden in die Impfkommission berufen wurden, hätte die Regierung unter Donald Trump bis 2028 warten müssen, bis sie die Mehrheit des ACIP hätte auswechseln können.

Das nächste reguläre Treffen des ACIP findet Ende Juni statt. Die noch zu ernennenden, künftigen Mitglieder werden unabhängig von der Impfstoff-Industrie sein und sich nicht scheuen, «harte Fragen» zu stellen, kündigt Kennedy an. Um das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Vakzinologie wieder herzustellen, brauche es einen Kehraus.

Einstige Kritiker nun in Führungspositionen

Von der Kündigung betroffen ist auch Eric Rubin, der Chefredaktor des «New England Journal of Medicine» (NEJM), einer der weltweit einflussreichsten Ärztezeitschriften. Rubin fungierte zeitweise als externer Berater der US-Arzneimittelbehörde FDA. Während der Pandemie votierte er im FDA-Gremium für die Zulassung der Covid-mRNA-Impfstoffe von Pfizer, Moderna und Johnson & Johnson. 

Kurz danach veröffentlichte sein «NEJM» die Zusammenfassung der Hersteller-gesponserten Studien zu diesen Impfstoffen. Sie brachten dem «NEJM» weltweit grosse Aufmerksamkeit. «Trotzdem deklarierte Eric Rubin keine Interessenkonflikte», kritisierte die unabhängige Fachzeitschrift «Der Arzneimittelbrief» und forderte Transparenz. 

Wesentliche Information erst viel später nachgeschoben

Auch bei verschiedenen anderen Gelegenheiten bekleckerte sich das «NEJM» während der Pandemie nicht mit Ruhm. Zum Beispiel berichtete es im Dezember 2021 von der – angeblich – ausgezeichneten Wirkung der dritten Impfdosis in Israel. Eine wichtige Information – die Sterblichkeit an anderen Ursachen als Covid – wurde dort jedoch nicht angegeben, obwohl Fachleuten klar war, dass dies wichtig ist.  

Eineinhalb Jahre später lieferte das «NEJM» im Kleingedruckten diese wesentliche Information nach, weil kritische Wissenschaftler das in Leserbriefen gefordert hatten. Mit dieser Angabe löste sich die angeblich hervorragende Wirkung der Boosterimpfung weitgehend in Luft auf (Infosperber berichtete). Indem das «NEJM» diese entscheidende Information nicht schon zu Beginn veröffentlicht hatte, narrte es die ganze Welt. 

Einige der Wissenschaftler, die damals kritisch nachfragten und halfen, dies aufzudecken, haben nun wichtige Positionen in der US-Arzneimittelbehörde inne: Der Medizinprofessor Vinay Prasad leitet dort neu den Bereich Impfstoffe. Und die Ärztin und Wissenschaftlerin Tracy Beth Høeg ist Assistentin des neuen FDA-Leiters Martin Makary.  


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4 Meinungen

  • am 11.06.2025 um 10:13 Uhr
    Permalink

    Pharmazeutische Industrie warnt vor steigender Impfskepsis?
    Bedenkt man, was punkto ‹Impfung› in den letzten Jahren abgegangen ist, scheint mir diese Skepsis nur eine gesunde Reaktion.

    • am 11.06.2025 um 22:25 Uhr
      Permalink

      Ja, richtig. Aber es ist anzufügen, dass die Polio-Impfung Mitte des 20. Jahrhunderts die Erkrankung an Kinderlähmung ganz markant gesenkt hatte.

  • am 11.06.2025 um 11:58 Uhr
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    Schön schon in kurzer ein zweiter Bericht, welcher nicht von Anfang an negativ geframet ist, über Kennedys Arbeit zu lesen. Dass die Impfbereitschaft abnehmen wird, nach dem Trauerspiel das die Politik und Medien während der Pandemie aufgeführt haben, war eigentlich anzunehmen und ist auch eingetroffen. Gut versucht endlich wer den Laden aufzuräumen, auch wenn er dafür hart angegangen wird und ein Scheitern wahrscheinlicher ist, als Erfolg. Denn schlussendlich wird Ehrlichkeit und Transparenz auf lange Sicht den größeren Einfluss auf die Glaubwürdigkeit und Gesundheit der Menschen haben, als Halbwahrheoten und reine finanzielle Interessen.Weiter so

  • am 11.06.2025 um 13:43 Uhr
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    Ich finde nicht, dass Kennedy hier Lauterbach folgt, ganz im Gegenteil. Lauterbach ging es darum, die deutsche Stiko unter politische Kontrolle zu bringen. Verstrickungen mit der Pharmaindustrie, sofern vorhanden, sind bzw waren ihm egal. Hingegen geht es Kennedy darum, die Wissenschaftlichkeit der amerikanischen Impfkommission wieder herzustellen und der Korruption ein Ende zu bereiten.

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