Aufruf zur Boosterimpfung

So warb der Kanton Luzern auf «Twitter» für die Boosterimpfung. © Kanton Luzern

Covid-Booster: Wie Wissenschaftler die ganze Welt narrten

Martina Frei /  Proklamiert wurde eine Wirksamkeit von 90 Prozent. In Wahrheit lag sie wohl eher zwischen 60 und null Prozent.

Im Sommer 2021 waren die Corona-Infektionszahlen in Israel so hoch wie nirgendwo sonst auf der Welt. Die Wirkung der ersten zwei Covid-Impfdosen liess nach und die Delta-Virusvariante breitete sich aus. In dieser Situation hiessen die israelischen Behörden damals – ohne solide wissenschaftliche Belege – eine dritte Covid-Impfung mit dem Pfizer-Impfstoff für alle Personen über 12 Jahre gut. Weder die US- noch die EU-Arzneimittelbehörde hatten zu jenem Zeitpunkt die Zulassung dafür erteilt. 

Im Herbst 2021 zogen die EU-Staaten und die Schweiz nach: Das Bundesamt für Gesundheit empfahl im November 2021 für alle ab 16 Jahren eine dritte Impfdosis gegen Covid-19. Die EU-Kommission riet ebenfalls zur Impfung: «Impfen, sofort, alle!», berichtete «SRF».

Am 8. Dezember 2021 erschienen im «New England Journal of Medicine» (NEJM) online zwei Studien. Sie untermauerten die Entscheidung der Behörden für die Auffrischimpfung nachträglich.

Um eine dieser beiden Studien geht es im Folgenden. Sie stammt vom israelischen Krankenversicherer «Clalit» und schloss rund 760’000 Personen ein, die sich eine dritte Pfizer-Impfdosis hatten spritzen lassen, sowie etwa 85’000 Personen, die nur zweimal geimpft worden waren. «Daten zur Wirksamkeit des BNT162b2-Boosters bezüglich der Sterblichkeit an Covid-19 fehlen noch immer in allen Altersgruppen», stellten die «Clalit»-Wissenschaftler in ihrer Studie einleitend fest. Nun lieferten sie diese fehlenden Daten.

Ein Fachmann errechnete eine absolute Wirksamkeit von 99 bis 100 Prozent

Das – damals kommunizierte – Ergebnis: Personen, die mit der Pfizer-Impfung geboostert wurden, hatten in den Wochen nach dem Booster eine um 90 Prozent tiefere Covid-Sterberate, verglichen mit jenen, die bloss zwei Pfizer-Impfdosen erhalten hatten. 

Die Studie liefere den dringend benötigten Beleg für die Wirksamkeit der Booster-Dosis, kommentierte ein Fachmann von der US-Gesundheitsbehörde «CDC» im «NEJM» und rechnete vor, dass – bei einer absoluten Wirksamkeit von zwei Impfdosen gegen schwere Covid-Erkrankung von 90 Prozent – ein Booster die absolute Wirksamkeit auf 99 bis 100 Prozent erhöhe. 

Auch Medien rühmten die Studienergebnisse: Der Booster bringe «wieder einen extrem guten Schutz, besonders vor schwerer Erkrankung. […] Jeder profitiert von einem Booster», zitierte etwa «20 Minuten» einen deutschen Immunologen – ungeachtet dessen, dass in der Studie explizit stand: «Eine wichtige Einschränkung dieser Studie sind fehlende Daten über schwerwiegende unerwünschte Ereignisse. Es wird weitere Studien brauchen, um die Sicherheit des Boosters zu bewerten.» Auch sei eine längere Nachbeobachtungszeit erforderlich, um die Wirksamkeit und die Sicherheit des Boosters zu ermitteln. 

Ein Leserbrief bringt das Ganze ins Rollen

Am 9. Februar 2022 veröffentlichte das «NEJM» zwei Leserbriefe von Ärzten zu dieser Studie. Einer der Absender erfragte Zahlen zur Gesamtsterblichkeit bei den Studienteilnehmenden. Die Antwort der «Clalit»-Studienautoren ermöglichte es drei anderen WissenschaftlerInnen, die Nicht-Covid-Todesfälle während der (kurzen) Studiendauer zu berechnen: 

  • Bei den bloss doppelt Geimpften starben in der «Clalit»-Studie pro Tag etwa 21 von 100’000 Personen an anderen Ursachen als Covid-19.
  • Bei den Geboosterten starb pro Tag nur 1 von 100’000 an anderen Ursachen als Covid-19.

Das ist ein Unterschied von fast 95 Prozent, schreiben die drei WissenschaftlerInnen in einem Leserbrief, den das «NEJM» am 20. Juli 2023 veröffentlichte. 

Die geboosterten Personen waren gesünder

Für diesen grossen Unterschied an Nicht-Covid-Todesfällen gibt es zwei mögliche Erklärungen. Die erste lautet: Die Covid-Auffrischimpfung schützt vor vielerlei Todesursachen. Das wäre völlig neu und ist unplausibel.

Viel naheliegender ist die zweite Erklärung: Die Gruppe der Geboosterten war gesünder als die Gruppe ohne Boosterdosis. Es handelt sich um einen «healthy vaccinee bias», wie er zum Beispiel auch bei der Grippeimpfung bekannt ist. Gemeint ist damit, dass schwerst kranke Menschen, Personen mit vielen Krankheiten oder mit geringer Lebenserwartung häufig nicht geimpft werden; oder dass die Impfung hinausgezögert wird, bis es ihnen wieder besser geht. 

Geboostert wurden demnach in der «Clalit»-Studie vornehmlich die etwas weniger kranken Personen, die per se ein geringeres Sterberisiko hatten.

Ein Placebo hätte eine ähnliche Wirkung wie der Booster

Der Public Health-Experte Eyal Shahar, emeritierter Professor an der Universität von Arizona, macht dazu ein Gedankenexperiment: Selbst wenn man diesen Personen anstatt einer dritten Impfdosis nur ein Placebo gespritzt hätte, wäre ihr Sterberisiko tiefer gewesen als das der Nicht-Geboosterten, weil die Geboosterten insgesamt gesünder waren. «Wir würden dann fälschlicherweise behaupten, das Placebo sei eine wirksame Vakzine», so Shahar

Wird – wie in der «Clalit»-Studie – die Sterblichkeit an Covid-19 bei den zwei- und den dreimal geimpften Personen verglichen, täuscht der «healthy vaccinee bias» eine höhere Impfwirkung vor als tatsächlich vorhanden. 

Diese Befunde lassen an der behaupteten Wirksamkeit des Boosters von 90 Prozent stark zweifeln, betonen die drei LeserbriefschreiberInnen. Eyal Shahar «übersetzt» diese vorsichtige Formulierung so: «Die wahre Wirksamkeit des Boosters war Null

«Ein starker, unerklärlicher Zusammenhang»

Das Fazit der LeserbriefschreiberInnen: Die geringere Sterblichkeit an Covid-19 bei den Geboosterten «kann nicht mit Sicherheit dem Boostern zugeschrieben werden».

In ihrer Replik im Juli 2023 bestreiten die «Clalit»-Studienautoren das nicht. Auch sie stellen fest: Es bestehe «ein starker, unerklärlicher Zusammenhang zwischen dem Booster und einer geringeren Sterblichkeit, die nicht mit Covid-19 zusammenhängt.» Ihnen zufolge hätte die Boosterdosis eine «Wirksamkeit» von rund 77 Prozent gegen Nicht-Covid-Todesfälle gehabt.1 Die Schutzwirkung der Boosterimpfung vor dem Tod an Covid wäre demnach rund 60 Prozent gewesen – also deutlich unter den im Dezember 2021 von den gleichen Autoren proklamierten 90 Prozent.

Es weckt Misstrauen, dass die «Clalit»-Wissenschaftler die Zahlen zur Gesamt- und zur Nicht-Covid-Sterblichkeit nicht schon am 8. Dezember 2021 genannt haben, als ihre Studie veröffentlicht wurde. Erstaunlich ist auch, dass weder die Redaktion des «New England Journal of Medicine» noch die Wissenschaftler, welche die «Clalit»-Studie begutachteten, verlangten, dass diese wichtigen Angaben bereits im Dezember 2021 gemacht wurden. Bei einer anderen, im «NEJM» veröffentlichten Studie, fragten sowohl Wissenschaftler wie Eyal Shahar als auch Infosperber vergebens nach diesen zusätzlichen Informationen.

Das Bundesamt für Gesundheit stützte sich auf die «Clalit»-Studien

Die «Clalit»-Studien wurden weit herum beachtet. «Der ‹healthy vaccinee bias› könnte auch bei ähnlichen Studien des «Clalit»-Krankenversicherers dazu geführt haben, dass die Wirksamkeit der Impfung […] überschätzt wurde», vermuten die LeserbriefschreiberInnen.

Eine solche «Clalit»-Studie erschien beispielsweise im April 2022 in «Nature Medicine». Dort ging es um die Wirksamkeit der vierten Pfizer-Impfdosis bei über 60-jährigen Personen.2

Das Bundesamt für Gesundheit und die Eidgenössische Kommission für Impffragen stützten sich bei ihrer Impfempfehlung im Herbst 2022 unter anderem auf diese «Clalit»-Studie, die – genau wie ihre Vorgängerstudie zur dritten Impfdosis – weder die Gesamtsterblichkeit noch die Sterblichkeit an anderen Todesursachen als Covid-19 offenlegte. So wie die meisten Studien dieser Art. Warum die Behörden aufs Offenlegen dieser wichtigen Daten nicht beharren, ist schwer nachvollziehbar.

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Fussnoten

1 Anders als die drei Leserbriefschreiber berücksichtigten die «Clalit»-Wissenschaftler bei ihrer Berechnung verschiedene Faktoren wie zum Beispiel das Alter, das die Ergebnisse beeinflusst haben könnte. Wie sie diese Faktoren genau gewichteten, wird nicht dargelegt. 

2 Infosperber bat den Erstautor um Auskunft zum «healthy vaccinee bias» bei dieser Studie. Er ist erst wieder ab 20. August erreichbar. Falls eine Antwort eintrifft, werden wir sie ergänzen.

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Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

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5 Meinungen

  • am 9.08.2023 um 11:05 Uhr
    Permalink

    Zu Corona-Zeiten wurden kaum kritische Stimmen zugelassen.
    Ärzte und andere Fachleute wie Biologen etc., welche eine impfkritische Meinung vertraten, wurden nicht in die Berater-Gremien aufgenommen.
    Wer hatte wohl an diesem Vorgehen das Grösste Interesse?
    Jetzt geht es mit der «Gürtelrose-Impfung» im gleichen Stil weiter…
    In was für einer Welt leben wir?
    Einer Welt, welche auf Einheit-Meinung gebürstet werden soll?
    Wo nicht mehr im Dialog mit allen Meinungen gute Lösungen erarbeitet werden sollen?
    Leben wir in einer Gesellschaft, wo Kritik nicht mehr als Engagement und Liebe für die Sache gilt?
    Wo sind die unabhängigen Medien, welche die nötige Aufklärungsarbeit leisten und verschiedene Meinungen klar getrennt aufzeigen?

  • am 9.08.2023 um 13:32 Uhr
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    Sehr gerne würde ich die Zahl kennen,wieviele der an/mit Covid Verstorbenen im Jahr 2022 in der CH 1-6 mal mit diesem neuartigen Superwirkstoff «geimpft» waren. Denke dies würde Rückschlüsse zu seiner Wirksamkeit zulassen. Befürchte aber, dass die Zahl ähnlech derjenigen ist,die im Vereinigten Königreich publiziert wurden und deshalb der Mantel des Schweigens drüber gelegt wird. War damals ganz anders,als es darum ging,die «Pandemie der Ungeimpften» auszurufen.

  • am 9.08.2023 um 15:28 Uhr
    Permalink

    Die ganze Wahrheit über die grösste «Fake Pandemie» aller Zeiten kommt erst in 5-10 Jahren, wenn die Verantwortlichen für diesen Schlamassel nicht mehr in ihren Ämtern sind und die «Verschwörungstheoretiker» die ganze Wahrheit ans Licht bringen werden.
    Die Pharma hat viel Geld verdient , einige Wissenschaftler , Politiker auch usw. und die Opfer ( wirtschaftlich, gesundheitlich usw.) , werden wie immer alles tragen müssen und keiner ist dann dafür verantwortlich…..

  • Werner_Vontobel
    am 9.08.2023 um 19:19 Uhr
    Permalink

    Gemäss der Studie (Baseline) sind die Geboosterten älter (69,9 zu 64,8) und tendenziell gleich gesund bis leicht gesünder als die Nicht-Geboosterten.Dass die Nicht-Geboosterten deshalb häufiger sterben, weil sie weniger gesund sind, ist somit wenig plausibel.
    Wichtiger ist wohl die Karenzzeit von 7 Tagen nach der Impfung, wer in dieser
    Spanne starb, galt als ungeboostert. Es ist bekannt, dass die Sterblichkeit in dieser Phase besonders hoch ist. Noch schlimmer: Zu Beginn waren alle ungeboostert. Im Schnitt der 54 Tage gab es vermutlich mehr Ungeboosterte als Geboosterte. Dass das nicht berücksichtigt wurde, ist ein grober Anfängerfehler oder böse Absicht. Zudem. Damals war doch schon fast ganz Israel doppelt geimpft, was offenbar nichts gebracht hat. Bei dieser Ausgangslage hätte sich ein Vergleich mit den Ungeimpften aufgedrängt. Frage: Wer hat die Studie bestellt und bezahlt?

    • Portrait Martina Frei 2023
      am 21.09.2023 um 13:06 Uhr
      Permalink

      Der zweite Teil des Artikels (hier klicken) geht teilweise auf diese Einwände ein. In der dort erwähnten Studie werden die Todesfälle ab dem ersten Tag nach der Impfung angegeben.

      Was den Gesundheitszustand der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer betrifft: Eine sehr interessante Studie dazu wurde zur Grippeimpfung gemacht (hier klicken). Table 2 zeigt dort, dass die Geimpften öfter an Bluthochdruck, Diabetes, Krebs und weiteren Krankheiten litten. Trotzdem waren sie insgesamt «gesünder» als die Ungeimpften. Die StudienautorInnen erklären das so, dass der entscheidende Punkt die Gebrechlichkeit ist. Die Angabe von Erkrankungen anhand der ICD-Codes würde die Gebrechlichkeit nicht exakt widerspiegeln.

      Zur Durchimpfung in Israel: Der Public Health Experte Eyal Shahar hat hier einen Vergleich mit Schweden gezogen: https://shahar-26393.medium.com/thousands-of-averted-covid-deaths-in-israel-science-fiction-a29184906288

      Gemacht wurde die im Artikel oben zitierte Studie von Mitarbeitern des «Clalit Health Services» Krankenversicherers und von Wissenschaftlern der Ben Gurion Universität. «The study did not receive any financial or in-kind support», heisst es dort. Gemäss Selbstdeklaration der Autoren haben sie keinerlei Interessenkonflikte.

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