Kaupthing

Die isländische Kaupthing-Bank liess man pleite gehen © Kaupthing Media Centre

Island liess fahrlässige Gläubiger im Regen stehen

Marc Friedrich /  Nach einer Überschuldung machte die kleine Insel fast alles richtig. Sie rettete nicht die Banken, sondern die Bürger. (Teil 3)

Red. Aus dem neusten Buch der beiden Ökonomen, Querdenker und Publizisten Matthias Weik und Marc Friedrich «Kapitalfehler – Wie unser Wohlstand vernichtet wird und warum wir ein neues Wirtschaftsdenken brauchen» dürfen wir vier Kapitel in gekürzter Form übernehmen. Im Folgenden der 3. Teil.
Island machte von Anfang an reinen Tisch
Warum hat Island keine weiteren Hilfspakete benötigt? Was hat der kleine Staat besser und anders gemacht als Griechenland? Könnten wir hier eine Anleitung für die Zukunft finden, wie man Krisen angehen sollte, und wie nicht? Interessanterweise war der zuständige IWF-Mann für beide Länder derselbe Mann – der Däne Poul­ Mathias Thomsen. Wie kann dann das Ergebnis dermassen auseinander laufen?

Island machte von Anfang an reinen Tisch. Reformer wurden weder drangsaliert oder schikaniert, noch wurden ihnen Steine in den Weg gelegt. Im Gegenteil. Das Parlament richtete eigens einen unabhängigen Untersuchungsausschuss ein, um die Gründe für die Bankenkrise zu analysieren und jene zu belangen, welche die Krise zu verantworten hatten. Um die Bürger schneller entschulden zu können, wurde das Insolvenzrecht auf zwei Jahre verkürzt und Hypotheken wurden abgeschrieben.

Nicht zuletzt wurde sehr erfolgreich mit dem IWF kooperiert. Alle Faktoren führten schliesslich dazu, dass Island bereits drei Jahre später wieder auf eigenen Beinen stand. Gründe für das schnelle Gesunden Islands: Im Unterschied zu Griechenland musste sich das Land weder den Befehlen der Troika unterwerfen, noch hat es die Schicksalswährung Euro, noch ist es Mitglied der EU.
Im Frühjahr 2015 zog Island sogar seine Kandidatur für eine EU-Mitgliedschaft zurück, die noch unter dem Eindruck der Finanzkrise von der damaligen rot-grünen Regierung beschlossen worden war.

Islands Lösung: «Let Banks go bankrupt!»
Lasst Banken Pleite gehen! Das sagen nicht nur wir, sondern auch der isländische Präsident Ólafur Ragnar Grímsson, der das Amt seit 1996 bekleidete, und die Isländer gaben ihm Recht. Sie wollten nicht für die skrupellosen Machenschaften einiger Weniger geradestehen. Sie demonstrierten so lange gegen die herrschende liberal-konservative Regierung und deren Verflechtung mit den Finanzbaronen, bis das Land am Rande einer Revolution stand. Unter dem massiven Druck trat die Regierung im Januar 2009 zurück, um die Macht einer rotgrünen Minderheitsregierung zu übergeben, die durch eine reguläre Wahl schliesslich bestätigt wurde. Island rettete statt seiner Banken und Politiker seine Bürger und die Demokratie.
Sozialprogramme und Mindestrenten
Statt sich kaputtzusparen, wurde investiert, um den Binnenkonsum anzuregen. Wichtige Staatsausgaben und Sozialleistungen wurden nicht gekürzt, sondern gestärkt. Drohender Arbeitslosigkeit wurden gezielte Förderungsmassnahmen und Sozialprogramme entgegengesetzt. Island baute nicht Demokratie ab, sondern die Beteiligung der Bürger aus. Allein drei Volksabstimmungen entschieden über die Frage, ob ausländische Gläubiger auf Kosten der Steuerzahler ausbezahlt werden sollten, oder nicht. Wohlhabende wurden besteuert, hohe Pensionen und Renten der Oberschicht gekürzt und im Gegenzug die Mindestrenten für die ärmere Bevölkerung erhöht. Hier wurde exakt das Gegenteil dessen gemacht, was von Ländern wie Griechenland, Portugal oder Spanien bis heute verlangt wird. Der Erfolg gibt Island recht.
So funktioniert Kapitalismus: Banken gingen pleite

Die Isländer haben ihren Banken und deren Bankern die rote Karte gezeigt. Sie werden es kaum glauben – sie wagten sogar etwas schier Unglaubliches: Quasi unantastbare, marode Banken liess Island einfach pleitegehen. Ja, Sie lesen richtig. Und trotz aller Drohungen und Befürchtungen ist Island nicht im Meer versunken. Die Menschen leben immer noch, und es existieren dort weiterhin Supermärkte, Geld, Arbeit und – auch Banken.

Das neuste Buch von Matthias Weik und Marc Friedrich (siehe Link unten)
Eine weitsichtige, dem Land und den Menschen verpflichtete Politik spannte einen Rettungsschirm über den Bürgern auf. Die isländischen Banken wurden der Finanzmarktaufsicht unterstellt und kontrolliert abgewickelt. Banken und Hedgefonds mussten ihre Forderungen gegen das isländische Bankensystem ausnahmslos abschreiben und im Gegensatz zur EU und den USA lernen sie nun wieder, wie richtiger Kapitalismus funktioniert. Nämlich, dass man für die Konsequenzen seines Handelns haften muss und auch mächtig auf die Nase fallen kann, wenn man überschuldeten Banken Geld leiht.
Stringente Kapitalverkehrskontrollen sorgten in Island dafür, eine Kapitalflucht zu vermeiden. Von «golden hand­shakes» in Millionenhöhe für leitende Bankmanager, Aufsichtsräte, Vorstände oder windige Investoren war keine Rede mehr. Es kam sogar zu Haftbefehlen; 26 Banker wurden zu insgesamt 74 Jahren Gefängnis verurteilt. Streng wurden diejenigen verfolgt, welche die Finanzkrise verschuldet hatten.

Island hat keine sogenannte «Bad Bank» gegründet, wie beispielsweise die Hypo Real Estate, um den Finanzschrott zu verschieben, für den der deutsche Steuerzahler noch immer haftet. Stattdessen richtete Island für das solide Inlandsgeschäft «Good Banks» ein. Die neuen Banken wurden verstaatlicht und übernahmen ohne grossartige Zwischenfälle das eigentliche Kerngeschäft.

Die oftmals fragwürdigen Finanzprodukte sowie das Auslandsgeschäft – inklusive der horrenden Schulden – blieben bei den alten Banken. Diese liess die Regierung richtigerweise wenig später kollabieren. Nur so konnten Islands Steuerzahler mit einem blauen Auge davonkommen.

Blechen mussten die [fahrlässig] kreditgebenden internationalen Banken, Aktionäre und diejenigen Kleinsparer, die sich in ihrer masslosen Gier nach Rendite von realitätsfernen Zinsen haben blenden lassen. Unser Mitleid hält sich hier in Grenzen. Denn es gehören immer zwei dazu.
Manche erinnern sich gewiss noch daran, dass rund 50’000 deutsche Sparer bei der isländischen Kaupthing Bank ihr Geld angelegt hatten. Als die ausländischen Vertretungen geschlossen wurden und keiner mehr an sein Geld kam, war das Gejammer gross. Das ist natürlich bitter, aber keiner ist gezwungen zu spekulieren. Entschuldigung, aber so funktioniert der richtige Kapitalismus nun einmal – hohe Rendite ist verbunden mit hohem Risiko.
Tröstlich war zumindest, dass die deutschen Anleger fairerweise einen Grossteil ihrer Einlagen (ohne die versprochenen Zinsen) zurückbekamen, da die Kundeneinlagen bei der Liquidation der Bank vorrangig behandelt wurden. Bei den britischen und den niederländischen Kunden von Icesave (die Onlinetochter der isländischen Bank Landsbankis) sah die Sache allerdings völlig anders aus …

Hilfspaket für die Bürgerinnen und Bürger statt für die Banken
In Island wurde ein Gesetz verabschiedet, das auch rückwirkend die Vergabe von Fremdwährungskrediten für gesetzwidrig erklärte. Hätte die Regierung das nicht gemacht, wäre die Bevölkerung hoffnungslos überschuldet gewesen. Aufgrund der Abwertung der isländischen Krone um rund 70 Prozent hätten sich die Kosten für jeden Kredit, der in fremden Währungen ausstand, faktisch verdoppelt.
Ausserdem wurden ausnahmslos alle ausstehenden Hypothekendarlehen des Privatsektors auf 110 Prozent des Werts der Immobilie gekappt. Dadurch wurden zahllose Privatinsolvenzen und Zwangsversteigerungen vermieden und der Immobilienmarkt stabilisiert. Statt die Menschen mittels Zwangsräumungen mit Polizeigewalt aus ihren Häusern zu jagen und den Banken die Immobilien zu überantworten, entschied sich Island für einen anderen Weg: Nämlich die Menschen zu retten, und nicht die Banken, wie es im Rest der Welt Usus ist!
Island schnürte ein Hilfspaket für die Bürger, denen es aufgrund der Krise nicht möglich gewesen ist, alte Kredite zu bedienen. Das Land übernahm die fälligen Kredite bis zu 80 Prozent. Das Rettungspaket war nichts anderes als ein Teilschuldenerlass. Ein Viertel der isländischen Bevölkerung profitierte davon. Möglich ist das freilich nur, wenn die Banken in Staatsbesitz sind. Island hat eine Menge richtig gemacht. Nicht nur wir sehen das so, sondern auch der amerikanische Nobelpreisträger Paul Krugman.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Im Jahr 2012 hatten die Autoren Matthias Weik und Marc Friedrich das Buch «Der grösste Raubzug der Geschichte – warum die Fleissigen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden» veröffentlicht. Es folgte das Buch «Der Crash ist die Lösung – Warum der finale Kollaps kommt und wie Sie Ihr Vermögen retten». Es war das meistverkaufte Wirtschaftsbuch des Jahres 2014. Die Autoren sind Initiatoren der Petition «EZB Stoppen – wir zahlen nicht für Eure Krise».

Marc Friedrich (links) und Matthias Weik

Zum Infosperber-Dossier:

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Die Euro- und Währungskrise

Noch mehr Geldspritzen und Schulden bringen die Wirtschaft nicht mehr zum Wachsen. Sie führen zum Kollaps.

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2 Meinungen

  • am 10.08.2016 um 17:01 Uhr
    Permalink

    … und die MMM (MassenManipulationsMedien) haben das gute Beispiel Island kaum oder nicht erwähnt – ähnlich, wie die MMM nicht über die von orthodoxen Kirchen organisierten Friedensmärsche in der Ukraine berichten.

    Übrigens – Island diskutiert sogar VOLLGELD im Parlament.

    Das Schweizer Volk wird vermutlich 2018 – dank einer Volksinitiative – über Vollgeld abstimmen. Auch da werden die MMM mit Horrorbotschaften versuchen, das Volk einzuschüchtern.
    Logisch-Fair ist also JA zu Vollgeld.ch hier und hoffentlich bald weltweit.

  • am 11.08.2016 um 12:28 Uhr
    Permalink

    Island ist ein wunderbares Beispiel, welches wir den PRopagandisten des asozialen Neoliberalismus entgegen stellen können, wenn sie uns ihre Verbrechen immer wieder als alternativlos verkaufen wollen, beispielsweise bei der Vollgeldinitiative.

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