Kommentar

Syrien, Iran, Israel: Mutwillige Eskalation

Erich Gysling © zvg

Erich Gysling /  Die USA und Israel beschwören einmal mehr das Feindbild Iran herauf. Vorzeichen für einen neuen Krieg?

«Es ist zwar Wahnsinn, doch es hat Methode» – Shakespeare, «Hamlet».

Nur wenige Wochen sind vergangen, seit der Vielfrontenkrieg in Syrien (Bürgerkrieg, darüber gelagert der Regionalkonflikt miteinander rivalisierender Mächte und noch eine Ebene höher der Konflikt zwischen den Grossmächten) sich einem «Ende mit Schrecken» (Konsolidierung der Macht Assads) anzunähern schien – und schon ist auch diese Wende wieder in Frage gestellt. Schon zeigt sich, dass es genügend Kräfte gibt, die den Konflikt – menschliche Tragödien hin oder her – für eine neue Eskalation nutzen wollen. Mit dem Ziel, einen Waffengang zu lancieren.
Wegen Aufklärungs-Drohne: Israel greift in Syrien ein
Was ist bisher geschehen? Die Assad-Truppen starteten offenkundig eine Aufklärungs-Drohne von einer Rampe bei Palmyra (rund 300 Kilometer östlich von Damaskus). Das Gerät flog westwärts und überquerte, nach etwa 400 Kilometern, israelisches Hoheitsgebiet. Israel schoss die Drohne ab und attackierte als Vergeltung mit Kampfflugzeugen Ziele in Syrien – gemäss bisher vorliegender Informationen vermutete Stellungen der iranischen Pasdaran (Revolutionswächter). Die Drohne stammte aus iranischer Produktion. Ein israelisches Kampfflugzeug wurde während dieser «Mission» noch über syrischem Territorium angeschossen und so stark beschädigt, dass es abstürzte – allerdings erst wieder über dem Golan-Gebiet. Die beiden Piloten retteten sich, aber mindestens einer von ihnen wurde schwer verletzt.
So weit die Fakten. Sie lösten hüben und drüben Kommentare aus. Die Trump-Administration äusserte sogleich, sie stehe voll und ganz hinter Israel. Die israelische Regierung gab zu verstehen, dass sie die geografische Nähe iranischer Einheiten in Syrien als schwere Bedrohung empfinde. Die Führung in Teheran bezeichnete die Anschuldigungen von Seiten Israels als lächerlich. Russland hielt sich zurück und die UNO rief zu «Besonnenheit» auf.
Wenig wurde kommuniziert über die Frage der Verhältnis- oder Unverhältnismässigkeit der israelischen Reaktion auf den Überflug der Drohne im Golan – war das nun wirklich eine Provokation so gravierender Art, dass Israel mit mehreren Kampfflugzeugen Ziele in Syrien attackieren und dabei zahlreiche zivile Opfer in Kauf nehmen musste?

Wie gefährlich ist Iran?

Insgesamt war alles nicht überraschend – doch die US-Regierung verwies bereits auf die nähere Zukunft. Heather Nauert, Sprecherin des US-Aussenministeriums, verwies auf eine von Iran «kalkulierte Eskalation der Bedrohung», auch auf einen «iranischen Machtanspruch» in der ganzen mittelöstlichen Region. Die Mullahs in Teheran brächten «alle Menschen, von Jemen bis Libanon, in Gefahr», sagte sie. Und Washington fordere «ein Ende des iranischen Verhaltens, das Frieden und Stabilität» bedrohe.
Dass Iran seit wenigen Jahren eine selbstbewusste, bisweilen auch offensive Strategie in der mittelöstlichen Region verfolgt, steht ausser Zweifel. Die iranische Führung begründet ihr Engagement ausserhalb der eigenen Grenzen so: Würden die Pasdaran (und deren Speerspitze, die al-Quds-Brigaden) nicht bereits in Irak oder in Syrien gegen die IS-Terroristen kämpfen, müsste das Land damit rechnen, dass der religiös verbrämte Konflikt sich auf das Gebiet Irans verlagern würde. Und der «Westen» sollte, so wird argumentiert, doch dankbar sein, dass Iran aktiv und effizient den Krieg gegen den IS (und noch einige weitere sunnitisch-islamistische Kampftruppen) führe.
So weit scheint diese verbale Untermauerung des militärischen Engagements Irans ja nachvollziehbar – und harmonisiert sogar mit den Zielsetzungen der Europäer und der US-Amerikaner: IS vernichten! Andere Extrem-Islamisten zumindest so weit isolieren, dass sie keinen Schaden mehr anrichten können!

Irans Verbündete und Rivalen

Denkt man weiter, tauchen sehr bedrohlich die Gegensätze auf: In Syrien zielt die iranische Strategie auf die Festigung des Assad-Regimes ab; gegenüber Israel möchten die Pasdaran eine Drohkulisse aufbauen (einen offenen Krieg jedoch möchten sie vermeiden – wie aber schafft man diesen Spagat?); in Libanon will Iran aus Gründen der Solidarität mit den dortigen Schiiten präsent bleiben; den Jemen-Konflikt nutzen iranische Kräfte, um das dort militärisch brutal agierende Saudi-Arabien zu demütigen.
Von aussen betrachtet verfolgt Iran in der mittelöstlichen Region ein schwieriges Spiel: Das Land möchte um sich herum einen cordon sanitaire von ihm nicht feindlich gesinnten Regierungen schaffen, gleichzeitig den Erzrivalen Saudi-Arabien in Schach und Syriens Bashar al-Assad an der Macht halten. Dabei spielen religiöse Argumente kaum eine Rolle: Die Alawiten Syriens sind bestenfalls sehr ferne Verwandte der Schiiten – aber wichtig für Iran ist, dass das Assad-Regime sich auch in der Zeit des Kriegs mit Irak (1980 bis 1988) loyal verhalten hat. Und wichtig für die Iraner ist natürlich auch, dass ein Syrien unter Assad geografisch und damit wirtschaftlich und strategisch eine Brücke in der Richtung des Mittelmeeers darstellt.

Israel und Iran: Ideologische Feindschaft

Und wie steht es mit der Feindschaft zu Israel? Ja, es gibt eine ideologische Feindschaft, es gibt in Iran oft massive anti-israelische Propaganda (sie wird als «anti-zionistisch» bezeichnet, nie als anti-jüdisch), aber immer wird auch klargemacht: Wir wollen keinen Krieg mit Israel.
Aber will Israel, will Netanyahu, Krieg mit Iran? Nein, gewiss auch nicht – doch der Verdacht bleibt, dass zumindest Netanyahu und seine Anhängerschaft in Israel Iran als Feindbild brauchen. Das Feindbild schweisst die Gesellschaft im eigenen Land zusammen, über die Parteigrenzen hinweg.

Methoden der USA: Wie beim Irak-Krieg

Und aus dem fernen Washington kommt jetzt (noch vehementer als in früheren Zeiten) lautstarke verbale Hilfe: Ja, Iran ist DER Urfeind, kann man aus all dem herauslesen und heraushören, was die Trump-Administration zu Nahost, zu Syrien und Iran verbreitet.
Ist das ein Trumpeten-Stoss für einen nächsten Krieg? Gehen die Leute um den irrlichternden 45. Präsidenten einen ähnlichen Weg wie in den Jahren 2002 / 2003 die Mitarbeiter von George W. Bush, die ja auch systematisch (unbegründete) Verdächtigungen so weit verdichteten, bis sie den Krieg gegen Saddam Hussein als Rettungsmanöver für die ganze Welt «verkaufen» konnten?
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Aber die Zeichen stimmen bedenklich. Im April wird Donald Trump seine Unterschrift unter die Verlängerung des Sanktions-Aussetzungs-Gesetzes gegenüber Iran verweigern. Dann eskaliert die Spannung mit Iran automatisch. Und wenn es bis dann noch weitere militärische Zwischenfälle in der Region Israel / Syrien mit vermuteter oder unterstellter Mitverantwortung der Iraner geben sollte, dann – ja dann…
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Siehe auch:


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

Zum Infosperber-Dossier:

BasharalAssad

Der Krieg in Syrien

Das Ausland mischt kräftig mit: Russland, Iran, USA, Türkei, Saudi-Arabien. Waffen liefern noch weitere.

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2 Meinungen

  • am 12.02.2018 um 08:50 Uhr
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    Vielen Dank für diesen Artikel. Leider tönt dieser Inhalt in fast allen anderen Zeitungen anders: Assad muss man jetzt wegbomben!
    Ich bin entsetzt, was in Syrien passiert. Und vielleicht auch kein Zufall, dass gerade jetzt die Olympischen Winterspiele stattfinden, da schaut keiner genau hin. Fast keiner.

  • am 12.02.2018 um 14:20 Uhr
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    Ja und was lese ich in den Massenmedien, die unsere Meinungsbildung zum Nahostkonflikt bestimmen ? Israels Souveränität ist angegriffen, weil eine angeblich iranische Aufklärungsdrohne den Luftraum des rechtswidrig besetzten Golan streift. Nicht souveränitätsverletzend ist, wenn Israel auskundschaftet wo im fremden Land am wirkungsvollsten angegriffen werden kann. Schuld an der Eskalation ist der Iran, nicht Israel welches mit Jagdflugzeugen das Nachbarland bombardiert. Der Angreifer ist der Verteidiger und umgekehrt, wie das in der medialen Berichterstattung über Palästina so parteiisch verdreht, wie auch üblich ist.

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