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Schweizerische Nationalbank: Im Vollgeld-System dürfen nur Zentralbanken neues Geld schaffen © hslergr/pixabay/cc

Sind Geld und Banken zukunftsfähig?

Christoph Pfluger /  Island erwägt eine radikale Reform des Finanzsystems hin zum Vollgeld. Wäre das auch für die Schweiz denkbar – oder sogar nötig?

Das war vermutlich die hochkarätigste Diskussionsrunde über Fragen des Geldsystems seit einem Jahr – und die Medien blieben fern. Am vergangenen Donnerstag diskutierten an der ETH Zürich Vertreter der Bankiervereinigung und Avenir Suisse mit den Ökonomie-Professoren Helmut Dietl (Uni Zürich), Sergio Rossi (Uni Freiburg) und Joseph Huber (em. Uni Halle) über die Frage «Sind Geld und Banken zukunftsfähig?». Anlass des Podiumsgesprächs unter der Leitung von Klaus Ammann (Radio SRF 1) war Joseph Hubers Konzept einer Vollgeld-Reform, zu der zur Zeit für eine Volksinitiative Unterschriften gesammelt werden.

Die Teilnehmer des Podiums (v.l.n.r.): Martin Hess, Chefökonom der Schweiz. Bankiervereinigung, Rudolf Walser (Avenir Suisse), Prof. Sergio Rossi (Uni Freiburg), Klaus Ammann (Gesprächsleitung), Prof. Joseph Huber (em., Uni Halle), Prof. Helmut Dietl (Uni Zürich)
Gefährliches Geld aus dem Nichts
Was ist die tiefere Ursache der Finanzkrise? Joseph Hubers Analyse in der Zusammenfassung: Weil die Geldmenge in den letzten Jahrzehnten rund viermal schneller gewachsen ist als das Bruttosozialprodukt, wanderte das Geld bevorzugt in die Finanzwirtschaft und erzeugte dort Blasen und andere Verwerfungen. Dabei handelt es sich nicht um Geld im rechtlichen Sinn, sondern nur um einen Anspruch darauf, den die Banken auf Wunsch erfüllen müssen – aber insgesamt nicht erfüllen können. Helmut Dietl bestätigte, dass die Banken damit «ein Versprechen abgeben, das sie nicht halten können». Und das sei ein wesentlich grösseres Problem, als wenn andere ihre Versprechen nicht einhielten, da auch unbeteiligte Akteure einer Volkswirtschaft gefährdet würden. Besonders problematisch ist nach Ansicht von Sergio Rossi die Geldschöpfung der Banken deshalb, weil sie nicht immer mit Produktion gekoppelt sei, was zu einer Inflation bei Anlagegütern (Wertpapieren und Immobilien) führe. Das neue Geld, das auf diesem Weg in die Volkswirtschaft fliesst, befördert also nicht nur den allgemeinen Wohlstand, sondern macht die Reichen nominell reicher.
Geldschöpfung der Banken stoppen
Um die gefährlichen Blasen zu verhindern und die Spareinlagen sicher zu machen, schlägt Huber deshalb eine Vollgeld-Reform vor, die im Wesentlichen darin besteht, die private Geldschöpfung durch die Banken zu unterbinden. Das in der Realwirtschaft benötigte Geld würde die Nationalbank direkt über die staatlichen Organe schuld- und zinsfrei in Umlauf bringen. Mit der Reform würden die Bankguthaben in gesetzliches Zahlungsmittel verwandelt, aus den Bankbilanzen verschwinden und dadurch vor Pleiten geschützt. Die Banken dürften nur noch Geld verleihen, das ihnen tatsächlich zu diesem Zweck zur Verfügung gestellt wurde oder das sie sich in vollem Umfang bei der Nationalbank beschaffen.
Bemerkenswert an der Diskussion war, dass niemand die private Geldschöpfung der Banken bestritt und auch nicht ihren Umfang von rund 87 Prozent der aktuellen Geldmenge in Frage stellte. Allerdings wurden die Konsequenzen sehr unterschiedlich beurteilt. Martin Hess, Chefökonom der Bankiervereinigung meinte, die Nationalbank könne die Geldschöpfung der Banken über den Zins ausreichend kontrollieren, blieb aber den konkreten Beweis schuldig. Man rechne also selber nach: Nehmen wir an, einer Bank fehle die für die Kreditvergabe von 1 Mio. Franken (=Geldschöpfung) erforderliche Mindestreserve von 25’000 Franken. Dann muss sie sich bei der Nationalbank gegen die Hinterlegung von Sicherheiten das nötige Zentralbankgeld ausleihen und dafür den Leitzins von aktuell 0.75 Prozent bezahlen, also 187,50 Franken. Will die Nationalbank die private Geldschöpfung durch die Banken erschweren, erhöht sie den Leitzins. Bei einer Verdoppelung – was in der Geschichte der SNB noch nie vorgekommen ist –, erhöhen sich die Kosten der Bank auf 375 Franken. Wird sie dadurch von dem Geschäft abgehalten, das ihr bei einem Jahreszins von 5 Prozent 50’000 Franken einbringt? Man entscheide selber.
Martin Hess erkannte aber richtig: «Wenn die Geldschöpfung frei wäre, wäre das wie ein Perpetuum mobile und tatsächlich ein Problem.» Nur: Funktioniert die privatisierte Geldschöpfung mit ihrem Zwang zur Selbstvermehrung nicht tatsächlich wie ein Perpetuum mobile?
Realwirtschaft könnte profitieren
Die Vollgeld-Reform werde in den offiziellen Berichten der internationalen Finanzinstitutionen gar nicht erwähnt, bemängelte Rudolf Walser von Avenir Suisse und es sei keine erprobte Reform. Immerhin: In Island empfiehlt die Finanzkommission des Parlaments in einem kürzlich erschienenen Bericht die Vollgeld-Reform. Und mit der Nullzinspolitik und den massiven Liquiditätsspritzen betraten die Zentralbanken ebenfalls Neuland – mit unbekanntem Ausgang. Im Grunde hat sich die Finanzkrise durch diese Massnahmen nur von den Banken auf die Staaten verlagert. Erprobte Rezepte für den historisch einmaligen Zustand gibt es also gar nicht.
Nach Ansicht von Martin Hess würde die Kreditversorgung massiv zurückgehen und das «Bankensystem implodieren». Die Professoren auf dem Podium waren sich allerdings weitgehend einig, dass die Realwirtschaft von einer solchen Reform profitieren und vor allem das Investmentbanking eingeschränkt würde. Dieses beschäftigt allerdings in der Schweiz nach Auskunft von Martin Hess weniger als 1000 Mitarbeiter und sorgt für weniger als zwei Prozent der Bankenerträge. Die Schrumpfung des Investmentbankings erscheint also erträglich.
Demokratie schützt vor Missbrauch
Hess und Walser meinten ferner, eine staatliche Körperschaft wie die Nationalbank würde das Geldschöpfungsprivileg missbrauchen, wenn die Bundeskasse direkt davon profitieren würde. Zu dieser oft wiederholten Kritik der staatlichen Geldschöpfung gibt es allerdings wenig gesicherte Erkenntnisse. Die meisten Erfahrungen sind älteren Datums und beziehen sich auf Staaten mit Alleinherrschern oder junta-ähnlichen Regierungen. Eine Untersuchung der Universität Frankfurt der Verhältnisse in der Schweiz kommt dagegen zu einem ganz anderen Schluss: Je grösser die direkt-demokratischen Einflussmöglichkeiten, desto ausgeglichener der öffentliche Haushalt. (Mehr dazu in «Does Direct Democracy Reduce Public Debt» von Lars P. Feld und Gebhard Kirchgässner)

Keine gute Figur machten die Vertreter der Bankiervereinigung und von Avenir Suisse mit der Behauptung, die Banken seien nicht nur Geldschöpfer, sondern auch Geldvermittler. Wie Joseph Huber unwidersprochen erklärte, handelt es sich beim Geld auf unseren Bankkonten um Verpflichtungen der Banken, die auf ihrer Passivseite verbucht würden. Mit diesen Schulden der Banken können vielleicht wir Bankkunden bezahlen – indem wir sie weiterreichen –, aber nicht die Banken selber. «Daher gibt es nichts zu vermitteln», so Huber lakonisch.
Fazit: Die Finanzkrise ist nicht nur ein Verhaltensproblem der betroffenen Akteure, wie Sergio Rossi unterstrich, sondern auch ein Strukturproblem. Solange sich die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes nicht für diese Strukturen interessieren und sie zu verstehen lernen, wird die wichtige Debatte darüber unter dem selbstgewählten Ausschluss der Medien stattfinden und die nötige Reform mangels politischen Drucks erschwert. Damit sich dies ändert, hat die Organisatorin des Podiums, PD Dr. Irmi Seidl, Lehrbeauftragte Ökologische Ökonomik an der ETH Zürich einen wichtigen Beitrag geleistet.

Ein weiterer öffentlicher Vortrag zum Thema findet statt am Mittwoch, 27. Mai 2015, 19 Uhr im ETH Zentrum. Thomas Mayer, ehem. Chefvolkswirt der Deutschen Bank referiert zum Thema «Brauchen wir eine Geldreform?».

Artikel zum Thema auf Infosperber:
Volksinitiative will die Macht der Banken brechen
Eine radikale Geldreform gegen das Schlamassel
Sie machen Geld mit Geld, das sie nicht haben
Der clevere Kurtli – oder: So wird man Millionär

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Christoph Pfluger ist Mitgründer des Vereins Gelddebatten, Herausgeber der Zeitschrift «Zeitpunkt» und schreibt seit 27 Jahren über Geldfragen, u.a. auch in seinem Blog. Ende Juni erscheint sein Buch «Das nächste Geld» über die Konstruktionsfehler unserer Geldordnung und die Vorbereitungen auf den notwendigen Systemwechsel. Auf der Website der Vollgeld-Initiative figuriert Christoph Pfluger auf der Liste der offiziellen Unterstützer der Vollgeld-Initiative.

Zum Infosperber-Dossier:

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6 Meinungen

  • am 14.05.2015 um 17:22 Uhr
    Permalink

    Besten Dank für diesen klärenden und informativen Beitrag!
    …und den Hinweis auf den 27.Mai an der ETH: Ich werde dort sein.

  • am 15.05.2015 um 18:16 Uhr
    Permalink

    @Daniel Meier. Wir legen bei all unseren Beiträgen wert darauf, Interessenbindungen der Autorinnen und Autoren transparent zu machen. Wir hätten von Ihnen erwartet, dass Sie Ihre Funktion als Geschäftsführer des «Vereins Monetäre Modernisierung» angeben, wenn Sie sich zum obigen Artikel lobend äussern. Ihr Verein steht hinter der Volksinitiative zur Einführung des Vollgelds.

  • am 15.05.2015 um 18:49 Uhr
    Permalink

    @Urs P. Gasche: Besten Dank für den konkreten und klärenden Hinweis. Bei der Anmeldung bei Infosperber bin ich davon ausgegangen mit der expliziten Nennung meiner offiziellen Emailadresse @vollgeld-initiative.ch (und der Nutzung meines «richtigen» Namens) der Transparenz genüge getan zu haben und wollte mich keineswegs «verstecken».
    😉
    Gerne werde ich zukünftig meine «Interessenbindung» auch bei meinen Kommentaren jeweils für die LeserInnen sichtbar erwähnen.

  • am 19.05.2015 um 17:59 Uhr
    Permalink

    Ich bin sehr für Vollgeld.
    Dazu habe ich Fragen, die mir Fachleute hier beantworten könnten:
    Wenn wir (die Schweiz) zum Vollgeld wechseln würden, was würde mit dem immensen Buchgeld geschehen?
    – Kann/könnte überhaupt verhindert werden, dass dieses Buchgeld den realen Markt flutet und die gigantische Inflation manifestieren wird? – wenn ja wie?
    – Falls sich unsre Währung zum Vollgeld wandelt, würde die Attraktivität nicht noch sehr viel weiter erhöht, mit den schwierigen Folgen für unsre reale Exportwirtschaft, Tourismus etc. – dass sich unsre Hochpreisinsel rasant weiter aus den Fluten erheben wird…. und wir selbst uns unser Leben nicht mehr leisten können?

  • am 20.05.2015 um 11:58 Uhr
    Permalink

    @Urs Lachenmeier:
    Viele Antworten finden Sie bei unseren FAQs:
    http://www.vollgeld-initiative.ch/fragen
    Kurzantworten zu ihren Fragen:
    – Betreffend Buchgeld:
    Es wird «nur» die Geldmenge M1 zu Vollgeld umdeklariert. Die Geldmengen M2-M3 sowie die aufgeblasenen «Vermögenswerte» (Aktien, Finanzprodukte) werden nicht zu sicherem gesetzlichem Zahlungsmittel, sondern bleiben risikobehaftete «Finanzanlagen». Weitere Ausführungen in diesem «Fachartikel»:
    http://www.vollgeld.de/s/Thomas-Betz-M2-M3-Frage-Juni-2012.pdf
    betreffend Übergang von Giralgeld zu Vollgeld:
    http://vollgeld.ch/bilanzdarstellungen
    – Betreffend Alleingang: Die Vollgeldreform kann in einem einzelnen Währungsraum wirkungsvoll umgesetzt werden.
    http://www.vollgeld-initiative.ch/fragen/#c761
    – Betreffend Frankenstärke: Die SNB kann (sogar wirkungsvoller als heute) auf die Frankenstärke reagieren.
    http://www.vollgeld-initiative.ch/fragen/#c1179

    Gerne geben wir an unseren Veranstaltungen/Treffen vertiefte Auskünfte:
    http://www.vollgeld-initiative.ch/termine
    Freundliche Grüsse,
    Daniel Meier
    (Mitglied Initiativkomitee)

  • am 20.05.2015 um 16:27 Uhr
    Permalink

    @Daniel Meier,
    Danke! – will ich studieren.

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