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Rosa Luxemburg wurde nach dem Einmarsch von Bührles Kompanie in Berlin ermordet. © CC

Der zweite Tod der Rosa Luxemburg

Wolfgang Hafner /  Bis heute wird verschwiegen: Waffenbauer Emil G. Bührle hat als junger Offizier 1919 in Berlin die Ermordung indirekt ermöglicht.

Am 15. Januar 1919 wurde die Linkssozialistin, Antimilitaristin und Vordenkerin Rosa Luxemburg durch Offiziere unter dem Kommando des Freikorpsführers Waldemar Pabst ermordet. Ihre Leiche wurde in den Berliner Landwehrkanal geworfen.

Hundert Jahre später wurden im Zusammenhang mit diesem Ereignis auch in der Schweiz Artikel veröffentlicht. Im «Tagesanzeiger» wurde etwa beschrieben, wie sie hier den gebürtigen Deutschen Gustav Lübeck kennenlernte, den sie aus Zweckmässigkeit heiratete um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten. Die «NZZ» wiederum widmete unter dem Titel «Asyl für einen Nazi-Verbrecher» Waldemar Pabst einen Text. Pabst hat sich, als sich die Niederlage des Dritten Reiches abzeichnete, in die Schweiz abgesetzt und konnte sich dank der Protektion einflussreicher schweizerischer Figuren der drohenden Festnahme durch die Allierten entziehen.

In linken Publikationen wie «Wochenzeitung» (woz) und «work» wird mit entsprechenden Positionsbezügen das Wirken Luxemburgs gewürdigt. Während in der «woz» Juso-Präsidentin Tamara Funiciello Luxemburgs Kampf gegen alle Formen der Unterdrückung beschrieb, stimmte «work» in einem fingierten Interview («Exklusiv-Interviews mit Toten») das hohe Lied von der Revolution an – unter dem Titel «Die Revolution ist grossartig, alles andere ist Quark». Dies, obwohl sich Luxemburg gegen die gewaltsame Erhebung in den 1919er Jahren wandte.
Gewaltsames Vorgehen der Freikorps
Nach der Niederlage Deutschlands im ersten Weltkrieg geriet das bisher herrschende Regime unter Druck. Es kam zu Auseinandersetzungen, die zunehmend gewalttätiger wurden. Federführend waren dabei die Freikorps, die einerseits aus zurückkehrenden, arbeitslosen Soldaten bestanden und andererseits auch Soldaten rekrutierten, die gegen – so das Argument – linken Terror kämpfen wollten. Der deutsche Historiker Hans U. Wehler schrieb zu dem gewaltsamen Vorgehen der Freikorps: «Abseits der Haager Landkriegsordnung folgten sie ihren eigenen brutalen Regeln und einem verstiegenen Macho-Ehrenkodex, der sie vor Mord, Gefangenenerschiessung und Folter nicht zurückschrecken liess.» Wer sich damals in einem grausamen, willkürlichen Kampf gegen den herbeiphantasierten roten Terror engagierte, wurde zum Teil einer verschworenen Bruderschaft, deren Treue die politische Grundlage für das kommende Dritte Reich bildete. Der rücksichtslose, gesetzlose Tabubruch zur Durchsetzung der Macht des herrschenden Bürgertums vereinte dessen Söldner.

Die Ereignisse rund um die Ermordung von Rosa Luxemburg warfen auch ihre Schatten in die Schweiz. Davon steht allerdings wenig in der hiesigen Presse – abgesehen davon, dass die bereits seit längerem bekannten Unterstützer Pabsts in der «NZZ» genannt werden. Einer der jungen Offiziere, der ebenfalls eine verantwortliche Position in einem anderen Freikorps innehatte, sich an der brutalen Niederwerfung des Arbeiter-Aufstandes beteiligte und später zum reichsten Schweizer wurde, wird nicht erwähnt: Emil G. Bührle, Gründer der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon und über Jahrzehnte grösster Waffenproduzent der Schweiz. Nicht zuletzt wegen dem forschen Vorgehen von dessen Einheit gegen die Linken konnte Pabst Rosa Luxemburg ermorden und musste mit keinen Konsequenzen rechnen: Unter dem Kommando des Generals von Roeder marschierte er als Kommandant der Stabswache – also als Adjutant des Generals – in den Anfangswochen des Januars 1919 in Berlin ein. Bührles Kompanie hatte sich als einzige Einheit des Bataillons dem freiwilligen Landesschützenkorps Roeders angeschlossen.

In der Regimentschronik wird über den Einmarsch in Berlin vom 15. Januar 1919 berichtet (andere Quellen sprechen von einem anderen Zeitpunkt des Vormarschs). Nachdem die Aufstellung von Korps und anderen Freiwilligenverbänden bereit war, habe der Einmarsch begonnen: «Zunächst wurde die Südhälfte der Riesenstadt bis zur Spree, einige Tage später auch die Nordhälfte, teilweise nach blutigen Kämpfen mit den Aufrührern, besetzt. Im Einmarschstreifen des Landesschützenkorps bildeten das «Vorwärts-Gebäude, die Reichsbank und der Marstall wichtige Punkte….».
Geheime Aufrüstung in Deutschland
Als mit dem Versailler Vertrag nach dem ersten Weltkrieg die Aufrüstung Deutschlands untersagt wurde, formierte sich vor allem aus dem Umfeld der Freikorps-Offiziere eine Bewegung, die eine geheime Militäraufrüstung vorantrieb. Sie führte auch zur Gründung oder Übernahme von Waffenfabriken im Ausland. Emil G. Bührle war einer dieser ehemaligen Freikorps-Offiziere, der durch die Übernahme einer Fabrik in Oerlikon half, die Aufrüstung Deutschlands in der Zwischenkriegszeit voranzutreiben. Es war nur folgerichtig, dass Pabst später immer wieder in die Dienste Bührles trat. Dabei bestanden in der Zwischenkriegszeit die gleichen personellen Verschiebungen zwischen den grossen Rüstungsproduzenten und -entwicklern (Rheinmetall/Bührle/Waffenfabrik Solothurn) wie bei den Konstrukteuren der jeweiligen Waffen, die laufend von einem Unternehmen zum anderen wechselten.

Noch im August 1943 rechtfertigte Pabst seinen Aufenthalt in der Schweiz mit dem Hinweis, dass er «im Auftrag des deutschen Reichsluftfahrtministeriums (Göring) und des Wehrmachtministeriums (Thomas) Schweizer Firmen aufsuchen müsse. Dabei erwähnte er prominent auch die Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon. Später führte Pabst in Projektentwürfen für eine faschistische Internationale Bührle als möglichen Financier auf.

Pabst gilt heute als «faschistischer Verbrecher, Waffenschieber und Putschist» und als Mörder von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht (NZZ). Aber im Zusammenhang mit ihm taucht der Name Emil G. Bührle in den zeitgenössischen Besprechungen nicht auf. Es ist, als ob es diese enge ideologische Verbundenheit zwischen dem «faschistischen Verbrecher» und dem ehemaligen Freikorpsoffizier nie gegeben hätte. Das ist verständlich, meint doch beispielsweise die Kulturredaktion des «Tagesanzeigers» im Zusammenhang mit dem Neubau des Kunsthauses: «Bührle gehört mittlerweile zur Stadt». So stirbt Rosa Luxemburg in der Schweiz gewissermassen ein zweites Mal, da einer der Flankenschützer des Mörders hier zu Ehre und Ruhm gelangt. Wem diese Schweizer Amnesie geschuldet ist, kann man nur vermuten. Könnte es sein, dass so wie damals der sozialdemokratische Politiker Gustav Noske dem Mörder von Rosa Luxemburg stillschweigend den Rücken freihielt, heute in Zürich unter der Herrschaft der Sozialdemokraten wieder eine ähnliche Mentalität sich breit macht? Lieber Vergessen oder Überdecken als sich den Widersprüchen zu stellen?

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Wer sich für die Thematik des oben stehenden Kommentars interessiert, dem seien folgende Publikationen empfohlen:

Klaus Gietinger: Der Konterrevolutionär; Waldemar Pabst, eine deutsche Karriere, siehe hier.

«Schwarzbuch Bührle», hier

Wie genau verdiente Sammler Emil Bührle das Geld zum Kauf seiner Bilder? Siehe hier.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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5 Meinungen

  • am 3.02.2019 um 13:03 Uhr
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    Ein spannender Konnex, den hier Wolfgang Hafner aufzeigt. Dennoch würde ich in diesem Fall die Zürcher Sozialdemokratie nicht haftbar für das Unwissen machen. Ich glaube die Causa Bührle ist schlichtweg unbekannt. Umso besser, dass nun Hafners Hinweis diese verdrängte Geschichte wieder hervorholt. Wir sollten auch immer vor Robins Skulptur mit dem beziehungsreichen Titel «Höllentor» an den diabolischen Waffendealer denken.

  • am 3.02.2019 um 13:35 Uhr
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    Danke Wolfgang Hafner für Ihren Beitrag zu Rosa Luxemburg. Ein unrühmlicher Teil der Geschichte der beginnenden Weimarer Republik und damit auch eine Mitschuld der SPD. Wieweit sich auch die SPS durch Stillschweigen Schuld auferlegt hat, ist nicht geklärt. Eine Arbeitsgruppe der SP des Bezirkes Hinwil hat sich des Themas angenommen. Vorerst haben wir bei der SPD um Dokumente, Stellungsnahmen angefragt, doch bis heute noch keine Antworten erhalten. Dass sich in Zürich die SP einer ähnlichen Mentalität bedient, wage ich zu bezweifeln. Wir werden weiter nachforschen, der Mord an Rosa Luxemburg sollte auch von linker Seite ohne Vertuschung der Verantwortlichkeit geschichtlich aufgearbeitet werden.
    Mit freundlichem Gruss, Rolf Hurter GL Mitglied der SP Bezirk Hinwil

  • am 3.02.2019 um 14:55 Uhr
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    Ziemlich einseitiger Artikel. Auch die Kommunisten waren sicher am herrschenden Chaos in Deutschland 1919 beteiligt. Doch davon kein Wort. Der letzte Satz mit der SP-Regierung in Zürich ist ausserdem völlig zusammenhangslos und absurd. Was will der Autor genau damit suggerieren? Von Infosperber erwarte ich Besseres und Objektiveres.

  • billo
    am 4.02.2019 um 00:36 Uhr
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    Danke für dieses Schlaglicht auf Bührle.
    Die ganze unappetitliche Geschichte rund um Nazis und deren Freunde in der Schweiz gab es kürzlich hier zu lesen:
    https://www.facebook.com/billo.hp.studer/posts/10156293923386799
    Einiges davon hab ich ja gewusst, aber in dieser geballten Ladung war es mir nicht präsent. Wie die deutsche, österreichische, italienische und französische Politik ist auch die «Elite» der ach so neutralen Schweiz bis heute von reaktionären Figuren durchsetzt, die bei strengen Kriterien von jedem Nürnberger Tribunal verurteilt würden, die aber vom «anständigen» Rest der «Elite» gepflegt und gedeckt werden.

  • am 4.02.2019 um 17:39 Uhr
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    unangenehmer und gleichzeitig klärender Beitrag. Mögen einige Menschen davon überzeugt sein, dass Vertuschung keinen Schaden an der Réputation zulässt und dass mit dem Vergessen alles vom Tisch ist. Von einer anderen Perspektive betrachtet, wirkt sich dieses Schweigen, jedoch noch auf Generationen aus. Was bewusst aufgearbeitet wird, ob persönlich und/oder gesellschaftlich, schenkt Klarheit und die Chance, dass sich Solches nicht wiederholen wird. Danke hierfür.

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