Young black african girl holding a sign written: stop pollution in Africa

Afrikanerin protestiert gegen den Abfalll-Imperialismus reicher Länder © matteoguedia/Depositphotos

Westlicher Abfall vergiftet weiterhin arme Länder im Süden

Urs P. Gasche /  Die dunkle Seite des Recyclings: Unser Plastikabfall landet trotz Verbot in Indonesien, Ghana oder Kenia. Kriminelle sind am Werk.

Unter dem Vorwand von «Recycling» und «Umweltschutz» treiben reiche Länder ihren Abfall-Export weiter. Den «Müll-Imperialismus» hatte der kenianische Präsident Daniel arap Moi schon im Jahr 1988 angeprangert. Im Jahr 1992 kam es zum Basler Übereinkommen, das den Export von gefährlichem Abfall aus Industrieländern in Entwicklungsländer verbietet. Von den grossen Staaten machten nur die USA nicht mit.

Doch das Abkommen erwies sich als Papiertieger. Einige Kritiker nannten es eine «PR-Beruhigungspille». Jedenfalls ging und geht der problematische Müllexport aus westlichen Industrieländern in ärmere Regionen der Welt ohne Aufsehen weiter. Abfall wird illegal entsorgt, als heisse Ware verschifft, verkauft und weiterverkauft sowie von einem Land ins andere geschmuggelt. 

Der preisgekrönte Journalist Alexander Clapp hat die Spuren des Abfalls zwei Jahre lang verfolgt und im September 2025 das Buch «Der Krieg um unseren Müll – Abgründe eines globalen Milliardengeschäft» veröffentlicht. Sein Fazit: «Unser Müll hat in den letzten vierzig Jahren eine weltumspannende, milliardenschwere Wirtschaft hervorgebracht – oft mit verheerenden Folgen für die ärmsten Länder der Welt.»

Während die moralische Verwerflichkeit des Abfallexports früher weitgehend anerkannt war, werde heute der meiste Abfall unter dem Vorwand des Recyclings und Umweltschutzes exportiert. Der Grossteil des Abfalls werde noch immer in Ländern entsorgt, die nicht über die nötigen Kapazitäten zur sicheren Verarbeitung verfügen.

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Deponie für Elektronik und Plastabfall in Accra, Ghana


Konkrete Beispiele und Folgen

Alexander Clapp schildert eindrückliche Beispiele aus verschiedenen Ländern:

  • In Accra, Ghana, verbrennen junge Männer («Burner Boys») Elektronikschrott aus dem Westen, was zu gravierenden Gesundheitsschäden führt. Die WHO stellte fest, dass die Belastung mit giftigen Stoffen dort extrem hoch ist.
  • Der globale Abfallhandel ist ein lukratives Geschäft, an dem auch das organisierte Verbrechen beteiligt ist.
  • Plastikabfall stellt heute das grösste Problem dar: Er wird über weite Strecken transportiert, landet in Ländern wie Vietnam, den Philippinen, der Türkei, Kenia und Indonesien und verursacht dort massive Umwelt- und Gesundheitsprobleme. In Indonesien etwa wird importiertes Plastik als Brennstoff in Bäckereien verwendet, was hochgiftige Dämpfe freisetzt.
  • In Kenia wurde zwar ein Plastiksackverbot erlassen, dennoch wird das Land weiterhin mit westlichem Plastikabfall überschwemmt, der oft in die Nahrungskette gelangt.
  • In der Türkei und anderen Ländern wird europäischer Abfall illegal deponiert oder verbrannt.
Im Slum von Dharavi in Mumbai.jYury Birukov.npg
Im Slum von Dharavi in Mumbai

Strukturelle Ursachen und Dimensionen

Der Abfallhandel ist trotz des Basler Abkommens weiterhin kaum geregelt. Praktisch jedes Unternehmen kann Müll exportieren und die finanziellen Anreize sind enorm. Das Volumen des Plastikmarkts sei mittlerweile grösser als der weltweite Handel mit Waffen, Holz oder Weizen zusammen, sagt Clapp. Vor allem die westlichen Staaten profitierten davon, ihren Müll loszuwerden und die Umweltbelastung unsichtbar zu machen. 

Die Erzählung vom Recycling entspreche häufig nicht der Realität, stellt Clapp fest. Viele Produkte würden gar nicht recycelt, sondern landen als Schadstoffe in anderen Teilen der Welt.

In Guinea-Bissau.tiagofernandez
Kinder im Abfall in Guinea-Bissau

Aus den Augen, aus dem Sinn

Der globale Abfallhandel sei eine Form von Verdrängung und eine Ungerechtigkeit. Die westlichen Länder würden nicht nur ihren Abfall exportieren, sondern auch die damit verbundenen Probleme und Gefahren. 

Echte Lösungen sieht Clapp nicht am Horizont. Es sei zu viel Geld im Spiel und reiche Länder wollten die Verantwortung für den eigenen Abfall nicht übernehmen. 

Clapp fordert mehr Ehrlichkeit im Umgang mit dem eigenen Konsum und den daraus resultierenden Abfallströmen. Das Sprichwort «Des einen Müll, ist des anderen Schatz» treffe in diesem Zusammenhang nicht zu. Vielmehr bleibe der Abfall eine globale Last.

Buch-Cover

Alexander Clapp: «Der Krieg um unseren Müll – Abründe eines globalen Milliardengeschäfts», S.Fischer-Verlag, 31.10 CHF /  26 Euro (E-Book 19 Euro).
Aus dem Verlagstext: «Eine investigative Reportage des preisgekrönten Journalisten Alexander Clapp. Mülldeponien auf der ganzen Welt sind überfüllt. Der Müll wird illegal entsorgt, als heisse Ware verschifft, verkauft und weiterverkauft. So reist unser Abfall über mehrere Jahre Tausende von Kilometern. Alexander Clapp verbrachte zwei Jahre damit, den Spuren unseres Mülls auf fünf Kontinenten zu folgen. Er enthüllt eine katastrophale Realität»

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Buch-Cover

Hanspeter Guggenbühl und Urs P. Gasche: «Schluss mit dem Wachstumswahn – Plädoyer für eine Umkehr», Rüegger Verlag, 2010, 16.80 CHFca. 10 Euro (gebraucht), 15.50 Euro (Kindle). Die Autoren berichteten bereits vor 15 Jahren über den Müllexport nach Afrika und Indien.

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Infosperber-DOSSIER:
Afrika und das Meer als Mülleimer


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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Afrika und das Meer als Mülleimer

Westliche Industrie- und Konsumabfälle vergiften Menschen in Afrika oder Indien und töten Meerfische.

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