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Landwirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann: Widersprüchliche Antwort © admin

Proviande-Subventionen: Bundesrat auf dünnem Eis

Kurt Marti /  Der Konsum von Schweizer Fleisch soll laut Bundesrat weiterhin mit sechs Millionen Franken aus der Bundeskasse angekurbelt werden.

Unter dem Titel «So fleissig melken die Bauernlobbyisten den Staat» berichtete Infosperber im letzten Januar über den jährlichen Millionenregen des Bundes für die Proviande, die Werbeplattform der Schweizer Fleischwirtschaft: 6,1 Millionen Franken spendiert der Bund für die Absatzförderung von Fleisch, insbesondere für die Werbekampagne «Schweizer Fleisch: Alles andere ist Beilage».

Ende April wollte der Basler SP-Nationalrat Beat Jans mittels Interpellation vom Bundesrat wissen, was er von den umstrittenen Proviande-Subventionen hält («Proviande-Subventionen: Bundesrat auf dem Grill»). Inzwischen hat der zuständige Bundesrat Johann Schneider-Ammann die Fragen beantwortet. Seine Antwort ist widersprüchlich und bewegt sich auf dünnem Eis.

Infosperber kommentiert im Folgenden einige ausgewählte Auszüge aus der Antwort des Landwirtschaftsministers:

Bundesrat: «Gemäss Landwirtschaftsgesetz soll die Landwirtschaft nachhaltig und kostengünstig produzieren und aus dem Verkauf der Produkte einen möglichst hohen Markterlös erzielen (Art. 7 LwG). Die Absatzförderung dient diesem Ziel, indem sie die Branche subsidiär unterstützt, die Konsumentinnen und Konsumenten über die Qualität und Vorzüge von Schweizer Erzeugnissen zu informieren und diese gegenüber Importen zu positionieren.»

  • Kommentar: Der Bundesrat versucht die Proviande-Subventionen damit schmackhaft zu machen, dass er die Qualität und die Nachhaltigkeit der Schweizer Fleischproduktion im Vergleich zum Import herausstreicht. Von diesen Vorzügen ist jedoch in den Werbespots keine Rede. Da hört man immer nur die gleichen Sprüche: «Viel Spass mit Giacobbo/Müller wünscht: Schweizer Fleisch. Alles andere ist Beilage» oder «Schinken macht Freude».


    Scheinidylle (Quelle: www.schweizerfleisch.ch)

    Auf der Proviande-Homepage www.schweizerfleisch.ch hingegen überbieten sich die idyllischen Fotos von Kühen, Kälbern, Schweinen und Hühnern im Stroh oder in der freien Landschaft. Eine offensichtliche Scheinidylle, denn die Fotos sind keineswegs representativ für die Tierhaltung in der Schweiz, sondern bloss für die Minderheit der ökologischen und tierfreundlichen Betriebe. Mit dieser Wahl der Fotos deutet die Proviande selber an, wofür die Bundessubventionen eigentlich eingesetzt werden sollten und wo der klare Marktvorteil gegenüber dem Fleischimport läge.

Bundesrat: «Die Schweizer Landwirtschaft zeichnet sich durch hohe Qualität und strenge Produktionsvorschriften bezüglich Tierschutz, Ökologie und Lebensmittelsicherheit aus, welche die Produktionskosten erhöhen.»

  • Kommentar: Der Bundesrat unterscheidet nicht zwischen konventioneller und tierfreundlicher Tierhaltung. Die Einhaltung der Tierschutzvorschriften durch die konventionelle Tierhaltung garantiert noch lange nicht eine Tierhaltung, die dem Tierwohl entspricht. Die Tierschutzvorschriften sind bloss Minimalanforderungen. Laut dem Schweizer Tierschutz STS wird beispielsweise für Rinder, Schweine und Hühner kein Auslauf vorgeschrieben, wie die schönen Proviande-Bilder suggerieren.

    Legal ist laut STS auch, wenn Mastschweine auf harten Böden ohne Stroh und ohne Auslauf gehalten werden. Die Tierrechtsorganisation «tier-im-fokus.ch» (TIF) hat letztes Jahr einen erschreckenden Schweine-Report mit Fotos und Videos aus zehn Schweizer Schweinebetrieben in den Kantonen Luzern, Bern, Waadt und Fribourg veröffentlicht. Diese Bilder stehen im krassen Gegensatz zu den schönen Proviande-Fotos.

Bundesrat: «Der Bundesrat ist vielmehr der Meinung, dass die Herkunft Schweiz und die damit verbundenen ökologischen und ethologischen Zusammenhänge stärker ins Zentrum zu rücken sind. Das zuständige Departement wird sich dafür einsetzen, dass die Kommunikationsmassnahmen der Proviande noch vermehrt auf die Vorzüge von Fleisch schweizerischer Herkunft fokussieren.»

  • Kommentar: Damit signalisiert der Bundesrat, dass auch er mit der Kommunikation der Proviande nicht zufrieden ist. Deshalb soll Schneider-Ammanns Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) für Korrekturen bei der Proviande sorgen und auf die ökologischen Vorteile fokussieren. Wenn das WBF diesen Auftrag ernst nimmt, dann muss die Absatzförderung mittels Bundessubventionen auf die tierfreundliche Tierhaltung ausgerichtet werden. Mit der Konsequenz, dass das Proviande-Mandat neu ausgeschrieben wird.

Bundesrat: «Mit einer ausschliesslichen Förderung von Fleisch aus graslandbasierter Produktion würde neu mit Bundesmitteln ein Verdrängungswettbewerb innerhalb der Schweizer Landwirtschaft gefördert und nicht mehr primär die Positionierung gegenüber Importprodukten bezweckt.»

  • Kommentar: Mit der gezielten Förderung der ökologischen Produktion kommt es logischerweise zu einer Verdrängung der konventionellen Fleischproduktion. Diese Verdrängung ist ja das Ziel der Beiträge für die graslandbasierte Tierhaltung. Gleichzeitig wird dadurch genau das erreicht, was der Bundesrat in seiner Antwort ausdrücklich verlangt, nämlich die «ökologischen Zusammenhänge stärker ins Zentrum zu rücken» und damit die Vorzüge gegenüber dem Import herauszustreichen. Es ist völlig schleierhaft, wenn der Bundesrat einerseits die ökologische Produktion als Vorteil gegenüber dem Import bezeichnet und andererseits behauptet, die graslandbasierte Produktion bezwecke «nicht mehr primär die Positionierung gegenüber Importprodukten».

Bundesrat: «Die subsidiären Finanzhilfen zugunsten der Absatzförderung von Schweizer Fleisch werden jährlich im Agrarbericht transparent publiziert. Auf den Inhalt des Geschäftsberichts der Proviande nimmt der Bund keinen Einfluss.»

  • Kommentar: Die 6,1 Millionen Franken sind zwar im Agrarbericht 2014 im Anhang 27 in einer Tabelle aufgeführt, aber ohne die Proviande als Empfängerin zu nennen und damit die notwendige Transparenz zu schaffen. Zudem ist es erstaunlich, dass dem Bund der Geschäftsbericht der Proviande egal ist, obwohl er die Proviande zu fast zwei Dritteln subventioniert. Auf jeden Fall sind im neusten Geschäftsberichts 2014 die Subventionen des Bundes erstmals korrekt ausgewiesen. Ob auf Geheiss des Bundes oder nicht, die öffentliche Kritik zeigte offenbar Wirkung.
    Jetzt ist das Bundesamt für Landwirtschaft wieder am Zug. Im Agrarbericht 2015 kann es für mehr Transparenz bei der Absatzförderung sorgen, indem es die Subventions-Empfänger der insgesamt 56 Millionen Franken jeweils beim Namen nennt. Zum Beispiel wäre es interessant zu wissen, in welche Kasse die jährlich zwei bis drei Millionen Franken fliessen, die den Weinabsatz stimulieren.

Fazit: Die Argumentation des Bundesrats ist widersprüchlich. Wenn er den Fokus auf die ökologische Produktion legen will, wie er das behauptet, muss er logischerweise die Absatzförderung auf dieses Marktsegment ausrichten und nicht 6,1 Millionen Franken jährlich mit der Giesskanne für eine Fleischproduktion verteilen, die die Qualitäts-Kriterien nur teilweise erfüllt.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Kuh

Landwirtschaft

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