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Österreich muss die Adoption eines Stiefkinds erlauben, die Schweiz nicht © Fotalia.com

Österreich muss Stiefkind-Adoption erlauben

Barbara Marti /  Das Verbot der Stiefkind-Adoption für Homo-Paare verstösst gegen die Gleichbehandlung. Für die Schweiz gilt das Urteil nicht.

Das Verbot, das leibliche Kind der Partnerin oder des Partners zu adoptieren, diskriminiert gleichgeschlechtliche Paare gegenüber unverheirateten heterosexuellen Paaren. Dies hat die Grosse Kammer des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) am 19. Februar in letzter Instanz entschieden. Unverheiratete heterosexuelle Paare dürfen in Österreich – im Unterschied zur Schweiz – das leibliche Kind ihrer Partnerin oder ihres Partners adoptieren.
Begründungsnotstand der Regierung
Die österreichische Regierung hat laut dem Menschenrechtsgerichtshof nicht beweisen können, dass es für ein Kind schädlich ist, von einem gleichgeschlechtlichen Paar grossgezogen zu werden. Sie habe zudem nicht begründen können, weshalb es zum Schutz der traditionellen Familie notwendig ist, gleichgeschlechtlichen Paaren die Stiefkind-Adoption zu verbieten, unverheirateten heterosexuellen Paaren hingegen nicht.

Geklagt hatte ein lesbisches Paar aus Österreich, das seit Jahren zusammen lebt. Eine der beiden Frauen wollte den leiblichen Sohn ihrer Partnerin adoptieren. Obwohl die Frauen den Jungen gemeinsam aufziehen, erlaubten die österreichischen Gerichte dies nicht – mit Verweis auf die sexuelle Orientierung des Paares. Österreich muss den Klägerinnen zusammen 10’000 Euro (12’000 Franken) Schmerzensgeld und 28’000 Euro für Prozesskosten zahlen.
Die Regierung muss nun gleichgeschlechtlichen Paaren – unabhängig von einer Registrierung ihrer Partnerschaft –die Stiefkind-Adoption ermöglichen. Denn heterosexuelle, nicht verheiratete Paare müssen sich auch nicht registrieren lassen.

Das Urteil des Menschenrechtsgerichtshofes fordert nicht nur in Österreich, sondern auch in Portugal, Rumänien, Russland und der Ukraine Gesetzesänderungen. In diesen Ländern dürfen unverheiratete heterosexuelle Paare wie in Österreich Stiefkinder adoptieren, nicht aber gleichgeschlechtliche Paare.
In der Schweiz kommt es heute auf den Zivilstand an
In der Schweiz ist eine Stiefkind-Adoption bisher für Verheiratete und Ledige erlaubt, jedoch nicht für gleichgeschlechtliche Paare. Im Unterschied zu Österreich und den vier anderen Ländern dürfen auch unverheiratete heterosexuelle Paare das leibliche Kind ihrer Partnerin oder ihres Partners nicht adoptieren. Ledige oder geschiedene Einzelpersonen hingegen dürfen Kinder adoptieren. Im Parlament ist zurzeit ein Vorstoss hängig, der gleichgeschlechtlichen Paaren in registrierter Partnerschaft die Stiefkind-Adoption ermöglichen will.
Adoption von Stiefkindern will der Bundesrat erlauben
Homosexuelle Paare in der Schweiz dürfen heute keine Kinder adoptieren, selbst wenn sie in eingetragener Partnerschaft leben. Das gilt auch, wenn die Partnerin oder der Partner ein eigenes Kind haben. Dieses Stiefkind darf nicht adoptiert werden. Der Bundesrat sieht es nun aber als angebracht an, im Interesse des Kindes die Stiefkindadoption auch für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen. Das geht aus einer Mitteilung des Bundesrates von Mitte Februar hervor.
Der Bundesrat entschied aber, homosexuellen Paaren keine uneingeschränkte Öffnung der Adoption zu gewähren. Seiner Ansicht nach erhielt nämlich das Bundesgesetz über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare damals nur deshalb so breite Akzeptanz, weil den eingetragenen Paaren der Weg zur Adoption und zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung nicht geöffnet werden sollte.

Der Bundesrat antwortete auf die Motion «Adoptionsrecht: Gleiche Chancen für alle Familien» der Rechtskommission des Ständerates. Sie verlangt, dass alle Erwachsenen, ungeachtet ihres Zivilstands und ihrer Lebensform, ein Kind, insbesondere das Kind des Partners oder der Partnerin, adoptieren können.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Die Autorin ist Redaktorin und Herausgeberin der Zeitschrift «FrauenSicht».

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