Pakistan

260 Menschen starben beim Brand einer Textilfabrik in Pakistan: Angehörige fordern Gerechtigkeit © ARD

Konzernlobby setzt sich durch: Profit vor Pflicht

Red. /  Katastrophale Arbeitsbedingungen in armen Ländern: Die deutsche Regierung will Menschenrechte den Interessen der Industrie opfern.

Minenarbeiter im Kongo, Näherinnen in Bangladesch, Lederproduzenten in Indien: Weltweit schuften Millionen Männer, Frauen und Kinder oft unter gefährlichen und unmenschlichen Bedingungen für Zulieferer internationaler Konzerne. Ausbeutung ist der Normalfall, viele Unternehmen setzen in den Produktionsstätten Leben und Gesundheit der Arbeiter und Arbeiterinnen aufs Spiel.
Um die Arbeitsbedingungen in armen Ländern zu verbessern, hat die Uno vor fünf Jahren weltweit gültige Leitprinzipien für Unternehmen und Menschenrechte verabschiedet. Das Ziel: Die Industrie soll ihre Verantwortung wahrnehmen und künftig im gesamten Produktionsprozess auf international verbindliche Menschenrechts-Standards verpflichtet werden.
Aus «Pflichten» werden «Empfehlungen»
Auch Deutschland hatte versprochen, die UN-Leitlinien umzusetzen im «Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte». Doch offensichtlich haben Lobbyisten der Unternehmerverbände ganze Arbeit geleistet, berichtet das ARD-Magazin «Monitor».
Ursprünglich hatten die Bundesministerien für Arbeit, Wirtschaft, Justiz, Umwelt und Entwicklungshilfe einen ambitionierten Plan entworfen. Doch im neuen Entwurf hat das Bundesfinanzministerium praktisch alle verbindlichen Vorgaben für Unternehmen gestrichen. So ist zum Beispiel kein Gesetz mehr vorgesehen, das die Unternehmen zur Einhaltung der Standards verpflichtet, und auch keine Kontrolle, wie Firmen die UN-Leitlinien umsetzen.
Laut «Monitor» stellten sich die deutschen Unternehmerverbände – der Arbeitgeberverband BDA und der Industrieverband BDI – von Anfang an vehement gegen den Nationalen Aktionsplan. «Jede Form von neuen Pflichten und Obligationen (…) sind kontraproduktiv und deshalb vollkommen inakzeptabel», schrieben sie. Diese Kritik fand bei der Regierung offensichtlich Gehör. Beim Überarbeiten des Plans wurden aus «Pflichten» plötzlich nur «Empfehlungen», «Soll-Bestimmungen» wurden zu «Kann-Bestimmungen».
Regierung setzt weiter auf Freiwilligkeit
Im Klartext: Es soll deutschen Unternehmen weiterhin freigestellt sein, ob sie im Produktionsprozess darauf achten, dass ihre Zulieferer die Menschenrechte der Arbeiterinnen und Arbeiter wahren. Armin Paasch vom Verband Entwicklungspolitik (Venro) äussert gegenüber «Monitor» grösste Bedenken, ob sich so an den unmenschlichen Arbeitsbedingungen jemals etwas ändern kann: «Viele Studien haben gezeigt, dass Selbstverpflichtungen nichts wert sind, weil den Unternehmen im Falle von Menschenrechtsverletzungen keinerlei Konsequenzen drohen.»
Caroline Rees von der UN-Beraterorganisation SHIFT hat die Leitlinien mitverfasst. Für sie ist die Streichliste des Finanzministeriums inakzeptabel: «Diese Änderungen unterwandern die internationalen Standards. Der wesentliche Kern der UN-Leitprinzipien wurde herausgestrichen», sagt sie im Interview mit «Monitor». Auch der Bundestagsabgeordneten Frank Schwabe (SPD) kritisiert den neuen Entwurf. «Der völlig verwässerte Plan» sei ein substanzloses Papier, das so «keinen Sinn macht». Ähnlich sieht das Reiner Hoffmann vom Deutschen Gewerkschaftsbund. In einem Interview mit der ARD sagte er: «Die Bundesregierung muss sich fragen, ob sie damit glaubwürdig bleiben kann und ob das im Einklang steht mit dem bisher gezeigten ambitionierten Auftreten für bessere Arbeitsbedingungen weltweit.»


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2 Meinungen

  • am 30.09.2016 um 06:38 Uhr
    Permalink

    Die Macht der Wirtschaftsgiganten muss gebändigt werden durch internationale Verträge, die Kartell- und Sozialgesetzgebung sowie durch Mitarbeiter- und Staatsbeteiligung. Der globale Strukturwandel soll nicht verhindert, aber sein Tempo auf ein sozial verträgliches Niveau abgesenkt werden.

  • am 6.10.2016 um 13:16 Uhr
    Permalink

    Am 10. Oktober reicht Public Eye (früher Erklärung von Bern) die Konzernverantwortungsinitiative ein. Wischen vor der eigenen Türe beginnt in der Schweiz.

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